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ARGESH – Excommunica

~ 2021 (Nero Corvino Records) -Stil: Apostate Epic Black Metal ~


“Wimps and posers, leave the hall!” – dieser Befehl hat seine Wurzeln zwar ganz woanders, gilt jedoch nirgends so kategorisch wie im Black Metal. Auch wenn das von aussen, sprich von klassischen Metallern, nur schwer verstanden wird, es gibt Grenzen, ab deren Überschreitung eine Band ihre Glaubwürdigkeit und damit Anerkennung ganz schnell verloren hat, und das hat überhaupt nichts mit der viel belächelten Trveness zu tun, sondern mit dem Selbstverständnis einer zwar keineswegs einheitlichen, jedoch immer individualistischen, nihilistischen und religions- und gesellschaftskritischen Szene, die Ernsthaftigkeit gegenüber der Kunst, Kompromisslosigkeit und völlige Hingabe als grundlegend ansieht. „Ausverkauf!“ ist damit schon jegliche Anbiederung an den Massengeschmack, und wenn heute jemand ankommt von wegen „Black Metal, ja klar, DIMMU BORGIR sind schon geil“, hat er sich damit sofort selbst disqualifiziert.

Es ist daher mutig, im Fall von ARGESH jedoch trotzdem gerechtfertigt, wenn man die wandelhaften Norweger als Referenz für das Debütalbum einer italienischen Black Metal-Band bemüht, auch wenn das bei den Die Hards leicht nach hinten losgehen kann; genauso gut könnte es jedoch auch den Käuferkreis in Richtung Mainstream erweitern… zumal des Weiteren BEHEMOTH, aber auch MEPHORASH, SCHAMMASCH und DEATHSPELL OMEGA genannt werden. Wieso ich diese Presseempfehlung komplett zitiere? Weil sich ARGESH tatsächlich im Koordinatenkreuz dieser illustren Gesellschaft bewegen, jedoch dabei ihr ganz eigenes Ding machen ohne irgendjemanden abzukupfern; und ich würde zudem, zwar aus dem symphonischen Death Metal, aber genau die Stimmung, die Gitarrenkunst und vor allem die Percussions dieser Scheibe treffend, noch die beiden Vertreter der mediterranen Fleischeslust, die Griechen SEPTICFLESH und natürlich die Landsleute von FLESHGOD APOCALYPSE hinzuziehen, um die Eckpfeiler der Musik der Lombarden zu beschreiben – und damit hoffentlich eine zukünftige Hörerschar anzufixen. Auch wem die aktuelle SETH gefällt, kann hier bedenkenlos zugreifen.

 

 

Dem streng nordgepolten Blackmetaller scheint möglicher-, jedoch völlig ungerechtfertigter Weise schon jetzt zuviel Kitsch und Pomp hindurch, wer jedoch mehr auf die südliche Schule steht, wird sich die Ohren reiben – wenn er vor lauter entzücktem Headbangen überhaupt noch dazu kommt. Denn was das offenbar gut in der Szene vernetzte Trio, das auf zahlreiche Unterstützer gerade an den Vocals zurückgreifen konnte, hier abliefert ist ein absolut ausgereiftes, intelligent komponiertes, technisch absolut brillierendes und im besten Sinne unterhaltendes Sahnestückchen Musik, das dem Hörer ein abwechslungsreiches und immer wieder überraschendes Feuerwerk an schwarzen Gassenhauern um die verwöhnten Ohren haut. Kein Wunder, dass ´Excommunica´ fünf Jahre in der Mache war, hier wurde tatsächlich auf jedes Detail geachtet, ohne dass es jemals überladen oder künstlich klingt, im Gegenteil. Auch wenn jedes Register an effektvoller Dynamik gezogen wird, treibend geblastete Passagen (´Suffocate In Oxygen´) sich abwechseln mit zwischen Dissonanz und Harmonie wechselnden Läufen, aufstrebend-jauchzenden Soli (´Source Of Miracles´), Samples und je nachdem choralem, klarem oder gegrunztem Gesang, ist stets alles schlüssig und bei aller Komplexität so natürlich und nachvollziehbar, dass es ein einziger Hörgenuss ist, wenn man gern in die Grenzfläche zwischen progressivem Death- und Black Metal eintaucht, die diese ganz spezielle, zwischen Tag und Traum oszillierende, so gebrochene wie epische Atmosphäre aufbaut. Majestätisch, erhaben, souverän – schillernd und unergründlich zugleich, viel zu schnell sind die gut 30 Minuten vorbei, und nur der nächste Umlauf kann den Hunger nach erneuter sonischer Erbauung stillen.

Thematisch geht es bei den vom Glauben Abgefallenen (=Apostaten) und Selbstexkommunizierten übrigens konzeptuell um das spirituelle Korsett der Religion, das die freie Entfaltung des Individuums verhindert, also ein ganz klassisches BM-Thema, das ARGESH mit diesem Debüt eindrucksvoll umgesetzt haben, und zwar mit angemessenem Grimm, Pathos  und vor allem brennender Leidenschaft (´The Elohim‘s Mark´). Wer seinen Black Metal episch GROSS, melodiebetont und heißblütig mag, sollte bei ´Excommunica´ unbedingt zuschlagen!

(8 Punkte)

 

https://argeshita.bandcamp.com

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