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SELFDEVOURED – Misanthropic Harmonies

~ 2021 (Independent) – Stil: Death Metal ~


Da ist man in einer Heavy Metal-Fangruppe bei Facebook, freundet sich mit einem gleichalten und gleichnamigen Menschen aus Wuppertal an und palavert lange über allerhand Death Metal-Klassiker aus den 90ern. Toller Mensch, cooler Typ und Schlagzeuger, in einer Death Metal-Band. Mit neuem Album am Start. Das Geld war schneller abgedrückt, als mein Namensvetter die Grindsnare durchblasten konnte und dann harrte ich der Dinge, die da kommen mögen. Na gut, ich hab mal vorher bei Youtube gelauscht, weil ich zwar gerne liebenswerte Metalbrothers unterstütze, aber auch nur bei Musik, die mir gefällt.

Und da war dieses Gefühl, ein spezielles Vibrieren der Seele, als ich die ersten Töne bei Youtube hörte und dann, als die CD bei mir ankam, erfasste mich das Brennen vollkommen.

SELFDEVOURED sind natürlich so traditionsbewusst, dass ich anhand des reinen Hörens gar nicht das Jahr hätte bestimmen können. Und sie sind, obschon einige Musiker sich bei den 70er Jahre Geburtsjahrgängen befinden, frisch und hungrig wie die jungen Wilden vor knapp 30 Jahren. Und sie klingen vom Spiel, vom Sound, von den Kompositionen her, als wären sie gerade erst aus irgendeinem dunklen Höllenloch in Pennsylvania, New Jersey, Buffalo oder Illinois gekrochen und hätten in einem Undergroundstudio ihr Debüt gezaubert.

Vieles erinnert an die frühen 90er Jahre. Technisch spielen sie auf erhöhtem Niveau und bleiben dennoch direkt und einprägsam, nach natürlich schon einigen Durchläufen. Wir haben hier keine UNLEASHED oder DISMEMBER, sondern die kleinen Brüder von MORGUE, BAPHOMET, REVENANT, eventuell auch PESTILENCE (obgleich das natürlich Niederländer sind) in ihren frühen Tagen. Die Stimme ist rau, heiser, ein helleres Gebelle, welches das Aggressionslevel der Stücke in die Höhe treibt. Auch wenn meine langen Haare seit Jahren ab sind, weil dann doch das Knie oben durchwuchs, im Geiste fliegen sie beim Nackenrotor noch immer mit.

Klischeehaft könnte man sagen, dass SELFDEVOURED hier eine richtige Abrissbirne abliefern, ich möchte dem nur zustimmen. Die massiven Riffs, verspieltes, aber mitreißendes Drumming, feurige Gitarrenmelodien, das bürgt für Abwechslung. Eventuell ist man zuerst ob der Wildheit der Kompositionen verstört, aber die Eingängigkeit lugt hinter dem Krawall hervor und lächelt Dich verschmitzt an. Ich fühle die Musik zuerst und lasse sie mich von der Seele bis zum Solar Plexus durchdringen, dann merke ich, ob sie bleibt oder geht. Und SELFDEVOURED sind geblieben.

Wirklich nach einer alten deutschen Band klingen sie nicht, tatsächlich eher uramerikanisch, allerdings weniger nach den MORRISSOUND-Standards, was die Soundästhetik betrifft. Die Songs brauchen hier ihre Einwirkzeit und ich entdecke beim Hören immer wieder kleine Details, Drumläufe, Gitarrenlicks, einfach schöne Ornamente, die aus einem soliden Knüppler einen Prachtsong machen.

1992 wäre dieses Album in den ganzen Fachgazetten wohl als Mittelmaß gescholten worden, weil natürlich keine Innovationen stattfinden. Aber 2021 sieht die Sache anders aus. Innovationen sind nicht mehr so en vogue, weil natürlich auch die große Death Metal-Welle nicht mehr da ist, welche diese damals noch irgendwie neue Musik aus dem Underground ins Rampenlicht spülte. CANNIBAL CORPSE haben sogar sehr viel Geld verdient.

SELFDEVOURED spielen mehr von der Seele her, als dass sie mit einem Auge auf ihr Bankkonto schielen. Sie lieben diese Musik und haben sicherlich viele Klassiker, verhinderte Klassiker und Undergroundalben bei sich im Regal stehen. Beim Drummer weiß ich das. Sie klingen nicht so, sie klingen nicht nach „Kumpel Death Metal“, sondern nach einer jungen hungrigen und vor allem stilsicheren Band 1992, ohne absichtlich die Klischees zu beschwören. Ihre Songs wachsen mit der Zeit und ihre Anhängerschaft sollte das auch tun. Wenn sie nicht gerade das Gaspedal durchtreten, sondern sich mehr auf die Technik stürzen, dann können dabei sogar richtig irrsinnige Grooves entstehen und den Hörer zum Veitstanz bitten, wie beim gar nicht so depressiven ´Wolves Of Depression´.

Mir fällt auf, dass die Songs alle immer knapp unter oder über drei Minuten laufen, aber das klappt ganz gut, sie klingen absolut rund. Mit dem zwar auch verspielten, aber sehr packenden ´Stabwound´ haben sie noch einen kleinen Minihit, der im, nennen wir es mal „Refrain“, ganz grandiose Gitarrenmelodien unter den tollwütigen Gesang legt. Das hätten PESTILENCE 1991 nicht besser gekonnt. Ist auch mit 4:45 einer der „Longtracks“.

Freunde von Death Metal uralter Schule brauchen das hier. Macht gerne mal das Spielchen mit alten Deathheads, ob sie erkennen, dass hier eine frische Band spielt. Ich bin restlos begeistert, hab mein Geld mit Freude ausgegeben und dafür eine CD bekommen, die locker noch in 20 Jahren geil klingen wird.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/Selfdevoured/