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GOLOD – … To Be Lost And Forgotten, In Solitude

~ 2021 (Ván Records) – Stil: Bl(e)ak Metal ~


Ich gebe zu, reinen „Schlafzimmer“-Soloprojekten, wie sie seit Jahren gerade im Black Metal en vogue sind, stehe ich oft skeptisch gegenüber, ist dabei doch immer die Gefahr der reinen Nabelschau gegeben, die nicht durch Austausch mit anderen Bandmitgliedern abgefedert wird. Andererseits gibt es viele grossartige Alleingänge, weil diese Künstler eben ganz genau wissen, was und wie sie es ausdrücken wollen, und auch technisch entsprechend versiert sind, dass sie einfach keinerlei Unterstützung oder eben auch Ablenkung von ihrem Fokus brauchen. Und schliesslich gibt es noch diejenigen, die neben ihrer Hauptband etwas ganz anderes ausprobieren wollen, sich auch mal in einem ganz anderen Genre ausleben wollen – geschenkt, das ist ein Klassiker, der manchmal zündet, oft jedoch im Rohr krepiert.

Tja, und dann gibt es noch GOLOD.  Vor allem letzterer Kategorie zuzuordnen, erfährt man nicht viel über Holod, die Person dahinter, die auch bei den kanadischen Deathdoomern HUSSAR tätig ist, sich dort nur anders nennt. Typisches BM-Mysterium also, das jedoch bei der Musik noch ganz andere Ausmaße annimmt, denn diese ist so jenseits aller Erwartung und (heutiger) Hörgewohnheit, dass ich trotz Ván Records-Qualitätsstempel wirklich sanft gezwungen werden musste, mir dieses Debüt komplett anzuhören. Denn GOLOD ist absolut keine einladende Musik, zumindest nicht beim ersten Durchlauf – so man ihn denn überhaupt komplett schafft. Aber es lohnt sich, dranzubleiben!

Wenn Holod sagt, ´… to be Lost and Forgotten, in Solitude´ sei “Inspired by deep introspection as well as humanity’s dark history, the music aims to captivate, challenge, and comfort the listener”, dann kann ich den zweiten Teilsatz zu 100% unterschreiben. Eine echte Herausforderung und irgendwie morbide Faszination gehen von diesem wie aus einem 90er Proberaum entflohenen Oldschool BM-Klirr-Hall-Rumpelsound (einmal klingen die Drums kurz uri-, äh original wie eine Klospülung!) aus – vermutlich genau deswegen, weil hier mit voller Absicht eine heute vor allem technisch völlig obsolete, vielleicht aber genau deswegen aktuell im BM wieder so angesagte Retro-Stimmung und Atmosphäre erzeugt wird. Back to its bleakest, rawest roots. Und überhaupt: Atmosphäre, das ist der Hauptpunkt, wieso ich dieses Review schreibe. Von all den so grottig rück-verfremdeten, ausgekotzten oder dann wieder wimmernden Vocals, und den gefühlt null abgemischten, sondern einfach mit einem alten Tapedeck aufgenommenen Instrumenten abgesehen, trägt das Keyboard so melancholisch wie herrschaftlich die ganze Sache und zeigt, dass hier ein Musiker wirkt, der nicht nur seinen Job versteht, sondern auch wirklich etwas mitzuteilen hat, indem er seine Seele, sein Innerstes nach aussen dreht, um davon zu berichten, wie es sich anfühlt, völlig in Einsamkeit verloren und vergessen zu sein, komplett auf die eigenen Gefühle zurückgeworfen zu werden. Vielleicht funktioniert dies eben nur in einer fast schizophrenen Art, wie hier zu erleben ist, vielleicht sind nur so die oben genannten Ziele zu erreichen?

 

 

Denn es gibt hier zwei Arten von Stücken: zwei absolut krass klingende, gleichzeitig so wütend wie resignierte OS/DSBM-Stampfer, die zwischen geisterhaft bis symphonischen Keyboardklängen, kranken Vocals und völlig übersteuertem Sound, der beinahe alle sonst liebevoll eingeflochtenen Details verschluckt, schwanken (challenge), und die jeweils kontrastiert werden von nachdenklichen, sehr ruhigen und reduzierten Instrumentals (comfort). Auf den Einstiegs-Longtrack ´The Lone Spire´, der mit seinen über 16 min und der vielfach wechselnden Stimmung und Dynamik der zentrale Song ist, folgt mit ´The Yearning Soul´ ein reines Keyboard-Ambientstück; und nach dem dritten, völlig irre startenden, dann verzweifelt-wehmütigen ´The Boreal Winds´(Wind durchweht generell die gesamte Mini-LP, mal nur im Hintergrund pfeifend, dann tost er wieder als bedrohlich-kalter Sturm, was sie zu einer idealen Platte für den tiefsten Winter macht) endet ´… to be Lost and Forgotten, in Solitude´ mit einer beeindruckend souveränen Flamenco-Toque, ´The Mind’s Vessel´, die die zuvor aufgebaute Trostlosigkeit zurücknimmt, die Einsamkeit nicht mehr so unerträglich erscheinen lässt wie zuvor. Und damit auch den dritten Punkt erfüllt: „captivate”.

Und damit hat GOLOD sein Ziel erreicht. Sicher, das ist kein Album für Jedermann, aber ein Tip für Fans von ungekünstelt rohem, klassischem Black Metal mit einem deutlichen Hang zur depressiven Richtung, und vor allem viel Freude an grosser, schwelgerischer Atmosphäre, in die man sich fallen lassen kann wie einen starken Küstensturm – der einen auffängt und hält.

(Ohne Punktewertung)

 

 

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