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BRIAN MAY – Back To The Light

~ 1992/2021 (Universal Music) – Stil: Hardrock ~


“In meinem Kopf hieß das Album schon vom ersten Tag an ´Back To The Light´”, schrieb Brian May in dem ursprünglichen Begleittext seines ersten Studioalbums. “Am Anfang hatte ich kaum Hoffnung, das Licht zu finden; jetzt flackert es gedämpft, ermutigend, aber mit ständigen Unterbrechungen in dem Spiegelsaal um mich herum.”

Heute, beinahe dreißig Jahre später, schreibt er in der Wiederveröffentlichung: “Nachdem ich meinen alten Begleittext nochmal studiert habe, kann ich berichten, dass ich die Antworten auf die meisten Fragen, die in dieser Liedersammlung gestellt werden, immer noch nicht gefunden habe. Und bis heute funkelt das Licht schwach, verlockend und immer ganz knapp außer Reichweite. Musik hilft uns da durch.“

Es war eine schlimme Phase für Brian May. Am 24. November 1991 starb Freddie Mercury und mit ihm QUEEN. Neun Monate zuvor war das letzte reguläre Studioalbum ´Innuendo´ der legendären Brit-Band erschienen. Er selber arbeitete seit 1988 an seinem ersten Solo-Album, aus dessen Sessions gar die Lieder ´Headlong´ und ´I Can’t Live With You´ ihren Weg auf besagtes QUEEN-Album fanden.

Einer der genialsten Gitarristen und Songwriter seiner Generation musste sich erst wieder einen neuen Platz in seinem musikalischen Leben erkämpfen. Die Arbeiten in den „Allerton Hill Studios“ endeten schließlich im folgenden Jahr und im September 1992 erschien endlich Brian Mays Solo-Debüt ´Back To The Light´.

Dabei konnte er auf die Unterstützung einiger namhafter Kollegen setzen: die Schlagzeuger Cozy Powell (RAINBOW, WHITESNAKE, MSG etc.) und Geoff Dugmore (KILLING JOKE, THE WATERBOYS), die Bassisten Gary Tibbs (ADAM & THE ANTS, ROXY MUSIC) und Neil Murray (WHITESNAKE, MSG), die Keyboarder Don Airey (RAINBOW, MSG, DEEP PURPLE) und Mike Moran sowie Sänger Chris Thompson (MANFRED MANN’S EARTH BAND). Sogar QUEEN-Kollege John Deacon hat bei einem Song einen äußerst seltenen Gastauftritt.

Die QUEEN-Anhängerschaft war nach Freddie Mercurys Ableben ebenfalls völlig verstört und nahm das Solo-Werk von Brian May als kleinen Hoffnungsschimmer begeistert auf. ´Back To The Light´ erklomm umgehend Platz 6 der UK-Charts, die Single ´Driven By You´ stieg auf Platz 6, ´Too Much Love Will Kill You´ auf Platz 5 der UK-Singlecharts und auch ´Back To The Light´ sowie ´Resurrection´ fanden sich in den Charts wieder. Das komplette Studioalbum wurde als eingefleischter Anhänger natürlich hoch und runter gespielt und der Live-Auftritt des „Commander Of The Most Excellent Order Of The British Empire“ als Support von GUNS N‘ ROSES im „Waldstadion“ wahrhaftig genossen. Die musikalische Atmosphäre, selbst der Klang von Brian Mays Gitarre entsprach natürlich ganz den Jahren von QUEENs ´The Miracle´ anno 1989 bis ´Innuendo´. Dass die Scheibe jedoch solch dermaßen fantastische Lieder zu bieten hat, verblüfft nach so vielen Jahren bei der vom „besten Mastering-Engineer der Welt“, von Grammy-Gewinner Bob Ludwig remasterten Neuauflage.

´Back To The Light´ erscheint als „Collectors Edition Boxset“ mit exklusivem White-Vinyl, zwei CDs, einem 32-seitigen Buch, einem Kunstdruck in 12”-Format, einer Download-Card und einem Emaille-Button in einer Box mit Deckel. Außerdem: als Black-180g-Vinyl, als 1-CD, Deluxe 2-CD, Musik-Cassette und in digitalen Formaten, im QUEEN-Online-Store zudem als exklusive, limitierte 1-LP-Picture Disc erhältlich.

Mit den Glöckchen eines Schlaflieds, in dem ferner „We will rock you“ vorkommt, beginnt ´The Dark´ dieses Ausnahme-Werk und braust mehrmals in einer echten May’schen Gitarreneruption auf. Brian singt energisch und emotionsreich den Titelsong ´Back To The Light´, der aus einer schmerzhaft schönen Melodie immer wieder – den Rock aus den Boxen herausblasend – hochkocht. Das Lied durchlebt in seiner kurzen Zeit einige Stimmungen, die Gitarre steht neben dem Gesang dermaßen feierlich im Mittelpunkt und die auf dem Studioalbum oftmals einfließenden Background-Gesänge der Ladys, Miriam Stockley, Maggie Ryder, Suzie O’List und Gill O’Donovan, gehören einfach dazu.

In ´Love Token´ ist die röhrende Gitarre gar nicht mehr aufzuhalten. Der Dampf qualmt in diesem schmerzhaften Blues-Rocker zur Trennung von Mama & Papa bereits aus den Boxen heraus. Das Qualmen endet erst gar nicht, da Cozy Powell zum Hardrocker ´Resurrection´ kompositorisch eingreift, während Brian von einer besseren Zukunft singt. Zwischen einem Schlagzeugsolo und einem unglaublichen Gitarren-Solo begeistern die Herren mit Chorgesängen in allerbester QUEEN-Manier.

Die Klavier-Ballade ´Too Much Love Will Kill You´ steckt voller Emotionen und hat bis heute nichts von ihren Gänsehautmomenten verloren. Brian May bezeichnet diese als womöglich wichtigste Komposition seines Lebens. Eine Version mit Freddie Mercurys Gesang wird 1995 auf dem posthumen QUEEN-Werk ´Made In Heaven´ erscheinen. Ein Energiebündel in Sachen Gitarre ist der anschließende Rocker ´Driven By You´ mit ebenso fantastischem Gesang von Brian, den Freddie noch ausdrücklich beklatschte.

Das komplette Gegenteil ist die Blaue Stunde, die mit Cozy Powell und John Deacon für ´Nothin’ But Blue´ in aller Seelenruhe entworfen wird, ohne kräftige sowie elegische Gitarrenklänge und kurze Choreinsätze zu vernachlässigen. Mit Volldampf rollt die Mannschaft mit ´I’m Scared´ zur Rock-Party bis die Reifen rauchen. Im instrumentalen ´Last Horizon´ schwelen allerdings nur die Gitarrensaiten, für die Brian von jeher anstatt eines Plektrums eine Sixpence-Münze benutzt, verdächtig.

Der lebenslustige Folk-Song ´Let Your Heart Rule Your Head´ will selbstverständlich kein neues ´39´ sein, passte aber schlichtweg in die frühen Neunzigerjahre. Anders geartet suhlt sich die Akustikgitarre in ´Just One Life´ im Schmerz des Lebens und des Abschiednehmens. Die Fröhlichkeit des Daseins wird wenigstens zum Auszug mit einer Coverversion des SMALL FACES-Songs ´Rollin’ Over´, geschrieben von Steve Marriott und Ronnie Lane, durch eine nochmals röhrende Brian May-Gitarre begrüßt. Yeah. Yeah. Yeah.

Ein vergessener kleiner Klassiker.

 


“Die Reissue ist Teil einer Reihe, der Brian May Gold Series. Jeder Teil wird einen kleinen, goldenen Stempel haben. Und jeder bietet mir die Gelegenheit, den Weg, den ich gegangen bin, neu zu entdecken. Es war eine faszinierende Erfahrung. Anfangs war ich etwas nervös. Ich dachte, wer weiß, welche schlafenden Hunde das in mir aufwecken wird? Aber es war toll, wieder einzutauchen. Ich hoffe nur, dass es auch Leute anspricht, die diese Musik jetzt zum ersten Mal hören. Sie kennen mich als Gitarrist von Queen. Einige kennen mich als Astronom, andere als Aktivist für Tierrechte. Ich bin als Fan der viktorianischen, stereoskopischen Fotografie bekannt. Aber nur wenige sind mit meiner Musik als Solokünstler vertraut. Darum bin ich sehr gespannt, wie das laufen wird. Es war aufregend, mich zu erinnern, warum ich gewisse Dinge geschrieben habe. Was sie für mich bedeutet haben. Wie wir aufgenommen haben. Einiges davon ist so gigantisch, dass ich kaum glauben kann, dass wir damit durchgekommen sind! Monumental geradezu! Und das gefällt mir. Auf der anderen Seite gibt es auch kleine Ecken und Winkel, die sehr einfach, sehr bescheiden und emotional unverhüllt sind. Ich habe festgestellt, dass ich vieles von dem, was ich auf dem Album zum Ausdruck gebracht habe, noch genauso empfinde. Ich spüre dieselben Gefahren, Ängste, Hoffnungen und Träume.”


(VÖ: 06.08.2021)