Livehaftig

HEADBANGERS OPEN AIR (Light) 2021

~ 23.07. – 24.07.2021, Brande-Hörnerkirchen ~


Am 2. April dieses Jahres gab es vom Veranstalter des HEADBANGERS OPEN AIR ein Kommuniqué, dass das Festival auch dieses Jahr nicht stattfinden würde…zumindest nicht mit dem angedachten Billing. Etliche Bands, vor allem aus Übersee, hätten bereits ihre Teilnahme abgesagt, aber man wäre fest entschlossen, auf jeden Fall etwas zu veranstalten und sei es nur mit deutschen oder höchstens europäischen Bands und einer reduzierten Besucherzahl.

Aber da die Wahrscheinlichkeit hierfür selbst von den Organisatoren auf maximal zehn Prozent eingeschätzt worden war, hatte ich das diesjährige HOA für mich bereits abgeschrieben.

Umso überraschter war ich dann von einer Meldung am 17. Juni, wo die gleiche Quelle bekannt gab, dass ab sofort wieder kleine Konzerte ab 500 Personen möglich seien und man das Interesse an einer kleinen zweitägigen Veranstaltung abfragen möchte. Man würde sich bei ausreichendem Zuspruch, um hauptsächlich deutsche Bands, aber auch um einige europäische Bemühen, allerdings gäbe es die Einschränkung, dass Camping auf dem Gelände dieses Jahr nicht möglich wäre.

Diese Idee fand so viel Zuspruch, dass sich die HOA-Crew sofort an die Organisation machte und bereits am 23. Juni vermelden konnte, dass die Genehmigung der Polizei und des Ordnungsamtes vorläge und nur noch das Gesundheitsamt zustimmen müsse, die noch auf die neue Verordnung warten würde, deren Veröffentlichung für einige Tage später angekündigt war.

Am 30. Juni war es dann so weit und es konnten auch bereits acht der zehn Bands, die dieses Jahr auftreten sollten, verkündet werden. (Die beiden letzten TRANCE und AIRFORCE folgten am 6. Juli.) Wie mir der Veranstalter Thomas Tegelhütter erzählte, war das derart kurzfristig und zu Beginn der Ferienzeit gar nicht so einfach. Bei Band A war der Sänger im Urlaub, bei Band B fehlte der Gitarrist aus dem gleichen Grund usw.

Wie immer halfen auch hier wertvolle Beziehungen weiter und so bot der in der holländischen Szene sehr umtriebige Hugo Koch, seines Zeichens Veranstalter des nahe der deutschen Grenze in Stadskanaal stattfindenden „Very ‚Eavy Festivals“ und Sänger bei BURNING (s.u.), RUMBONES etc. an, einige Bands aus den Niederlanden beizusteuern.

Aber auch die restliche Organisation erfolgte nun unter zeitlichem Hochdruck und wie mir eine der dafür zuständigen Personen erzählte, hatte man die erforderlichen Arbeiten praktisch erst mit den ersten Klängen des Openers am Freitag abgeschlossen.

Für mich und meine üblichen jährlichen Begleiter auf dieses Festival war es natürlich eine Sache der Ehre, dem Ruf von Thomas Tegelhütter zu folgen und so begannen auch wir mit der Planung unseres diesjährigen Festivalbesuchs.

 

 

Und nun noch ein Wort zu den Rahmenbedingungen, unter denen die Veranstaltung stattfinden sollte, was aber niemanden abschreckte, da das Festival bereits am 13. Juli als ausverkauft gemeldet wurde.

Das Betreten des gesamten Geländes war nur geimpften, genesenen und getesteten gestattet, die dies beim Abholen ihrer Festivalbändchen auch unter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung und ihres Personalausweises nachweisen mussten, was am Einlass auch sehr akribisch kontrolliert wurde. Da lediglich 500 zahlende Gäste zugelassen waren, ergaben sich dadurch aber keine nennenswerten Warteschlangen, zumindest keine, die ich gesehen hätte. Auf dem gesamten Festivalgelände galt Maskenpflicht, die nur dann aufgehoben war, wenn man sich beispielsweise zum Essen oder Trinken irgendwo hingesetzt hat. Sitzgelegenheiten gab es übrigens in ausreichender Menge, unter anderem auch direkt vor der Bühne. Dort gab es einen etwa 5 Meter tiefen Streifen, wo zwar nicht dauerhaft gestanden werden sollte, man sich aber auf einen der vorhandenen, oder gar einen mitgebrachten Stuhl setzen konnte, um aus dieser bequemen Position dem Treiben auf der Bühne in Ruhe zu folgen. Ein vor allem von der Bühne aus für die Musiker von Bands mit einem höheren Speed und Thrash-Anteil wohl sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick. Aber zum einen wurde dadurch Gedränge, oder gar ein Moshpit unterbunden und zum anderen konnte man auch feststellen, dass vor allem die bereits den höheren Semestern zuzurechnenden Besucher, von denen es auf dem HOA eine ganze Menge gibt, die Möglichkeit den Auftritten der Bands auf diese Weise beizuwohnen, durchaus dankbar in Anspruch nahmen. Um einem möglichen Gedränge entgegenzuwirken waren zwei weitere Absperrungen in ungefähr dem gleichen Abstand platziert. Diese haben aber nicht weiter gestört und ich muss sagen, dass man zu jeder Zeit über ausreichend Freiraum verfügte und auch die Bewegungsfreiheit vor der Bühne in keinerlei Weise eingeschränkt war. Ab und zu mussten zwar Ordner auf das Aufsetzen der Maske oder die Desinfektion der Hände beim Einlass ins Infield aufmerksam machen, aber das erfolgte stets so freundlich, dass ich persönlich nie ein Murren oder gar Protest vernommen habe.

Traditionell sind die Opener auf dem HOA zumeist zwar recht unbekannte, aber dennoch musikalisch sehr ansprechende Bands. Ich denke da beispielsweise an SPACE CHASER aus Berlin beim letzten regulären Festivaljahr 2019 oder an die Franzosen EXISTANCE im Jahr 2018. Was aber die bereits 2014 in Hamburg gegründeten Glam/Heavy-Metaller NIGHT LASER auf die Bühne bringen entspricht weder meinem musikalischen Geschmack, noch befriedigt es meine qualitativen Ansprüche, so dass ich mich bereits nach zwei Songs aufmache und meine Zeit lieber mit der Begrüßung alter Bekannter verbringe, die ich gefühlt seit einer halben Ewigkeit nicht mehr getroffen habe.

 

 

Auch die zweite Band IRONBOUND war mir vor diesem Nachmittag völlig unbekannt. Aber die musikalischen Idole dieser 2014 gegründeten polnischen Band werden bereits nach wenigen Takten deutlich, denn IRON MAIDEN tropft nicht nur musikalisch aus jedem Ton, sondern auch Sänger Lukasz Krauze versucht, möglichst nahe an die Stimme von Bruce Dickinson heranzukommen. (Selbst der Gurt des Bassers ist in den Farben von West Ham United gehalten, die eng mit IRON MAIDEN verbandelt sind.) So nimmt es nicht Wunder, dass bereits nach kurzer Zeit ´The Wicker Man´ angestimmt und als Abschluss des Gigs auch noch ´Two Minutes To Midnight´ zum Besten gegeben wird. Zwischendurch gibt es dann auch noch ´Living After Midnight´ von JUDAS PRIEST zu hören, was ich persönlich zwar nicht benötigt hätte, aber vom Publikum ordentlich abgefeiert wird. Da ihr erst im April erschienenes Debüt namens ´Lightbringer´ lediglich knapp eine dreiviertel Stunde lang ist, sind diese Coverversionen wohl schlichtweg erforderlich, um auf die vereinbarte Spielzeit von rund einer Stunde zu kommen. Obwohl es, falls ich Lukasz richtig verstanden habe (sein Englisch ist nicht gerade als verhandlungssicher zu bezeichnen), ihr erstes Konzert außerhalb Polens ist und sie noch nie vor so viel Publikum gespielt haben, geben sie eine ordentliche Vorstellung ab und wissen das Publikum zu unterhalten, welches auch ordentlich Beifall spendet. Jedoch ist IRONBOUND in meinen Ohren (noch) nicht eigenständig genug, dass ich mir angesichts der aktuell schier unüberschaubaren Flut von guten bis sehr guten Veröffentlichungen ihr Debüt nun unbedingt anschaffen müsste. Aber ich fühlte mich live gut unterhalten und schaue mir ihren Auftritt in voller Länge an.

 

 

Als nächstes sind dann STALLION aus Weingarten beim Bodensee dran, die zumindest im deutschen Sprachraum mittlerweile zu einem etablierten Act avanciert sind. Kein Wunder, haben sie doch seit ihrer Gründung im Jahr 2013 bereits drei EPs und drei LPs herausgebracht und sind auch live flächendeckend präsent gewesen.
Und so bieten sie an diesem Abend genau das, was man von ihnen erwartet, nämlich energetischen Heavy/Speed-Metal und zwar in einer hochprofessionellen und selbstredend perfekt eingespielten Manier und das, obwohl Corona auch sie zu einer monatelangen Untätigkeit verdammt hatte und dies erst der zweite Auftritt seit Ausbruch der Pandemie ist (der erste fand eine Woche zuvor statt). Kurz vor den Bundestagswahlen lassen es sich STALLION aber auch nicht nehmen, ein kurzes politisches Statement gegen Faschismus, Sexismus und alle anderen Ismen, die derzeit unsere Gesellschaft und die ganze restliche Welt beuteln, abzugeben. Diese politische Einstellung ist ebenfalls klar auf dem Bass abzulesen und wird mit dem vom zweiten Longplayer stammenden ´Kill Fascists´ auch musikalisch wiedergegeben. Ansonsten gibt es nicht viel mehr zu berichten. Ich hatte im Vorfeld des Festivals bei meinen Mitreisenden ´Brain Dead´ als Motto und Titelsong des Wochenendes ausgegeben und das wird von STALLION zur höchsten Befriedigung aller Anwesenden auch musikalisch mit diesem Song in höchster Perfektion untermauert.
Fazit: Live sind STALLION immer wieder ein Genuss. Also verpasst sie nicht, falls ihr die Chance erhaltet, einem ihrer Gigs beizuwohnen.

 

 

 

Mit den im Jahr 2016 als deutsch-niederländischen Formation gegründeten STEEL SHOCK betritt dann eine Combo die Bühne, die ich auf dem „German Swordbrother Festival“ im Jahr 2019 kennenlernen durfte, als der nur wenige Monate später in tragischer Manier tödlich verunglückte Martjo Brongers (u.a. VORTEX) noch eine der beiden Gitarren bediente. Obwohl STEEL SHOCK dem traditionellen Stahl huldigt (Ich vermeide hier bewusst den unsäglichen Begriff „True Metal“, denn was ist dann der Rest? Untrue Metal?), kann ich der Musik von STEEL SHOCK eine Menge abgewinnen, woran auch der persischstämmige Sänger Nima Sadeghi nicht ganz schuldlos ist, der die Songs mit seiner sehr variablen Stimme veredelt. Ich bin zunächst etwas verdutzt, als ich die Ansagen des Niederländers in nahezu perfektem Deutsch vernehme, aber eine kurze Unterhaltung mit seiner Freundin am Merch-Stand klärt mich darüber auf, dass er mit ihr in Deutschland lebt und sie sehr darauf bedacht ist, dass er diese Sprache lernt.

Trotz des anfänglich etwas untergehenden Gesangs von Nima, legen die mittlerweile nur noch aus Niederländern zusammengesetzten STEEL SHOCK einen mehr als soliden Gig hin und es ist ihnen zu wünschen, dass sie bereits in Kürze die Gelegenheit erhalten, vermehrt in Deutschland aufzutreten. Ich hoffe auch, dass den beiden Alben von 2017 und 2019 bald ein weiteres folgt. Nach zwei Jahren, wäre 2021 ja wieder eines dran…

 

 

Wie sich gleich herausstellen sollte, ist die letzte Band des Abends nicht nur aufgrund ihrer Vita, diese reicht bis zum Jahr 1979 zurück (als TRIBUT sogar bis 1974), der würdige Headliner des ersten Festivaltages. Bei den bereits seit 2011 wieder aktiven TRANCE (sie hatten sich 1998 aufgelöst) sind allerdings nur noch der Gitarrist Markus Berger und Bassist Thomas Klein von der Stammmannschaft übriggeblieben. Bereits seit 2016 bearbeitet unser allseits bekannter Tausendsassa Neudi (aka Andreas Neuderth), ehemals MANILLA ROAD, MASTERS OF DISGUISE, VIRON und immer noch ROXXCALIBUR und JAMESON RAID, die Felle und seit kurzem ist auch der junge Nick Hollemann als Sänger dabei, der immerhin vier Jahre lang (2013 bis 2017) Interimssänger bei VICIOUS RUMORS gewesen ist. Seiner Stimme und dem Gesamteindruck, den der Auftritt von TRANCE auf diesem Festival bei mir hinterlässt, wird es zu verdanken sein, dass ich mir das neue am 6. August erscheinende Album mit dem Titel ´Metal Forces´ zulegen werde. Ich gebe zu, dass ich von TRANCE lediglich die Scheiben aus den 80ern kenne (ich bin mir aber recht sicher, auch mal in das Werk von 2017 hineingehört zu haben) und ich mir einen eher gemütlichen und nostalgischen Gig vorgestellt hatte. Weit gefehlt. Die Herren spielen tight auf und ziehen die Menge schnell in ihren Bann, woran der hochenergetische Auftritt von Nick nicht ganz schuldlos ist, der keine Sekunde lang stillstehen kann und somit an diesem Abend vermutlich mehr Kilometer macht, als manch ein Bundesligafußballer an einem Spieltag. Mit seiner teilweise von spitzen Screams durchsetzten Gesangsdarbietung kann er die Mehrheit der anwesenden Zuschauer für sich gewinnen, wobei es natürlich immer Nörgler gibt, denen ein solcher Sänger „zu anstrengend“ ist.

Logischerweise beinhaltet der Gig viel Material von der kurz vor der Veröffentlichung stehenden Scheibe, was die bereits angesprochenen Nörgler zur Kritik veranlasst, dass viel zu wenig altes Material gespielt wird. Tatsächlich sind mir aber gerade die neuen Songs wie das feurige ´The Fighter´, der Favorit des Sängers ´Death Machine´, ´Troublemaker´, oder das flotte Titelstück der Scheibe im Ohr hängegeblieben, obwohl auch das mit einer knackigen Basslinie versehene ´Burn The Ice´ mit einem lässig am Bühnenrand stehenden Kalli für einen schönen Festivalmoment verantwortlich ist. Ich kann also eine derartige Kritik nicht nachvollziehen, zumal über die Hälfte der gespielten Songs aus den ersten beiden Scheiben von TRANCE stammen.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass am Tag vor diesem Auftritt bekannt gegeben worden war, dass Eric Kaldschmitt aka Kalli Coldsmith (ABANDONED, MASTERS OF DISGUISSE, JAMESON RAID etc.), der auch das neue Album produziert hat, ab sofort festes Mitglied von TRANCE ist und Joris van Rooij an der Gitarre ersetzt. Dieser hatte noch das gesamte neue Album eingespielt, sich aber nun aus privaten Gründen dazu entschieden, die Band zu verlassen. Wer den sympathischen Kalli schon mal live auf der Bühne gesehen hat, der weiß, dass dies sicherlich nicht nur musikalisch ein guter Ersatz ist, zumal er und Neudi auch ein jahrelang bestens eingespieltes Team sind. Ich habe mich jedenfalls sehr darüber gefreut, ihn hier auf der Bühne stehen und spielen zu sehen (und zu hören).

 

 

Der zweite Festivaltag wird von den Niederländern BURNING eröffnet, bei denen der besagte Hugo Koch am Mikrofon steht. Die 2013 gegründete Band hat 2016 ihr Debüt und 2018 eine EP herausgebracht, von der ich am Merch-Stand das letzte Exemplar, also das Ausstellungsstück, des von der Band selbst herausgegebenen Vinyls ergattere. Da es sich bei dieser EP um ein Konzeptalbum handelt, welches von der Grundidee ausgeht, dass Paul McCartney bereits 1966 verstorben ist, lässt es sich Hugo bei der Ankündigung des Songs ´Paul´ von dieser EP nicht nehmen, mit einem zwinkernden Auge nochmals auf diesen Umstand hinzuweisen. Ich muss mal wieder zugeben, dass ich die Band vor diesem Auftritt noch nicht kannte, fühle mich aber alles in allem sehr gut unterhalten, obwohl die hauptsächlich in einer mittleren Tonlage agierende Stimme von Hugo anfänglich etwas untergeht, was aber Gott sei Dank im Laufe des Gigs recht schnell behoben wird. Egal ob das allererste von ihnen geschriebene Stück ´Something Is Lurking In The Dark´, bei welchem Hugo stolz verkündet, dass es auf Youtube bereits mehr als 400.000 (!!) Aufrufe hat, mein persönliches Highlight vom Debüt ´Anthem Of The Lost Souls´ oder ein neues Stück, das auf dem nächsten, im Herbst erscheinenden Album ´Scourge Of Humanity´ enthalten sein und auf welchem auch ex-IRON MAIDEN Dennis Stratton als Gastgitarrist zu hören sein wird, alle Songs sind abwechslungsreich und sehr unterhaltsam, so dass der Auftritt im Nu vorbei ist. Allerdings bin ich schneller als die Band, denn da diese noch über ausreichend Zeit für ein weiteres Stück verfügt, covert sie, als ich bereits im Begriff bin, das Areal zu verlassen, nach einer kurzen Pause zum Abschluss noch ´Princess Of The Night´. Und als Anekdote am Rande ist es auch wunderschön mit anzusehen, wie sich der junge, den sechsaitigen Bass bedienende Daan van de Craats und eine ebenfalls sehr junge neben mir in der ersten Reihe stehende Dame, die offensichtlich seine Freundin ist, während des gesamten Gigs anhimmeln. Hach, das Leben kann so schön sein…vor allem natürlich auf dem Headbangers Open Air Festival.

 

 

Die ebenfalls aus den Niederlanden stammenden SAD IRON sind eine der Bands, auf die ich mich im Vorfeld besonders gefreut habe. Ich hatte sie bereits einmal 2014 beim „Heavy Metal Maniacs Festival“ in Amstelveen gesehen und wusste daher, wie dynamisch sie ihren Heavy/Speed-Metal unter die Menge zu bringen in der Lage sind. Hinzu kommt natürlich, dass ihr 83er Debüt in meinen Ohren ein Klassiker aus jener Zeit ist. Nach ihrer Reunion, sie hatten sich bereits 1986 wieder aufgelöst, sind in der Zwischenzeit 2016 (siehe hierzu den Nachtrag unten) und 2019 zwei weitere Alben zu ihrer Diskographie hinzugekommen, auf denen SAD IRON ihrer Linie treue bleiben, von denen ich aber gespannt war, wie die Songs darauf live rüberkommen würden. Von der 1979 in Hoorn zusammengefundenen Gründungsformation ist allerdings nur noch Mastermind Bernard Rives an der Gitarre dabei, von dem manche vor Ort steif und fest behaupten, dass es der Bruder von Wolf Hoffmann wäre, er sich aber noch nicht dahingehend geoutet hätte.

Das Jahr 2016 war für SAD IRON ein Schicksalsjahr, denn mit Herke van der Poel verstarb nicht nur der Originalsänger von den ersten beiden Scheiben an Krebs, sondern auch der Drummer des Debüts Jaques van Oevelen, der in den 80ern auch einige Scheiben von PICTURE eingetrommelt hat. Aber auch das Line-Up der letzten Scheibe von 2019 hatte keinen langen Bestand, denn bereits kurz nach deren Veröffentlichung wurden der Drummer und der Sänger ersetzt und lediglich Basser Björn Hylkema begleitet nun als letzter aus dieser Formation Bernard zum Gig auf das HOA.

Ganz besonders der neue Sänger Marcel Paardekooper überzeugt mich komplett. Er verfügt über eine tolle Stimme mit viel Power, tritt dabei aber unprätentiös auf. Der Gig hält, was ich mir erhofft hatte, und das Debüt wird fast komplett gespielt, wobei ich auf ´We All Praise The Devil´ auch gut hätte verzichten können. Aber es kommen auch die beiden anderen Alben mit z.B. ´We Play To Kill´ und ´When Warwinds Blow´ von der ´The Antichrist´ oder ´Revolution´ vom letzten Album zum Zuge. Als letztes Stück gibt es dann noch ´Living Like A Rat´ vom 1999er ´Heavy Metal Maniacs´-Sampler und das Leben ist schön…
(´Living Like A Rat´ und ´Powerthrash´, das auf dem ´Dutch Steel´-Sampler von 2014 Verwendung gefunden hat, sind ebenfalls auf ´The Antichrist´ enthalten, welches bereits 1985 aufgenommen wurde und eigentlich damals schon hätte erscheinen sollen.)

 

 

 

 

Mindestens genauso sehr wie auf SAD IRON habe ich mich auf die Jungs aus „Crablouse-City“ gefreut, obwohl die meisten Bandmitglieder von PYRACANDA längst nicht mehr in Koblenz wohnen. Aber immerhin wurden die Band 1987 dort gegründet und brachte zwei Alben heraus, bevor sie sich 1992 auflöste. (Von 1995 bis 1997 waren sie zwar als ILEX unterwegs, aber das klammere ich hier mal aus.) Es ist vor allem dem großen Erfolg der Re-Release beider Scheiben zu verdanken, dass sie sich 2019 mit immerhin drei der fünf damaligen Mittgliedern wieder zusammengefunden haben, um ihre Fans erneut auch live von der Bühne aus mit ihrer Musik zu beglücken.

Zumindest was die Anreise angeht, sind PYRACANDA die eindeutigen Sieger des Festivals, obwohl ihr Nightliner am Eingang zum Haus an der Schierenhöhe 13 etwas deplatziert wirkt. Im Gegenzug hierzu bin ich aber sehr darüber verwundert, dass hinter dem Drummer kein Backdrop hängt. Ein Umstand, den Sänger Hansi Nefen (heute Johannes Muhs) aufklärt, als er den mitleidigen Blick, den er an die Wand hinter seinen Schlagzeuger wirft, mit den Worten begleitet, dass diese für ihr Backdrop „etwas knapp“ wäre. Dafür hat ihr Betreten der Bühne bereits einen hochklassigen Showcharakter, denn während Patrik Grün am Schlagzeug den Takt anschlägt, steigen die restlichen Musiker bereits auf ihren umgeschnallten Instrumenten spielend die Stufen zur Bühne herauf und auch Hansis Stimme ist schon von außerhalb der Bühne zu vernehmen. Insgesamt muss festgehalten werden, dass ihr melodischer Thrash/Speed Metal, ein Freund von mir bezeichnet die Musik von PYRACANDA meiner Meinung nach recht treffend als eine Mischung aus METALLICA und ANTHRAX, auch nach rund 30 Jahren noch bestens funktioniert! Songs wie ´Democratic Terror´, ´Challenge Cup´, ´Rigor Mortis´, ´Delirium Tremens´, ´Dreamworld´ oder das den Auftritt abschließende ´Top Gun´ kommen nach wie vor frisch wie anno dazumal aus den Boxen. Urgestein Dieter Wittbecker grinst immer noch wie ein Honigkuchenpferd und Sänger Hansi gibt in den Songs alles, wobei er immer noch wie ein junger Knilch klingt, auch wenn er zwischen den Songs etwas nach Luft schnappen muss. Aber das ist eben der Tribut, den man an das Alter zahlt. Was ihn meiner Wahrnehmung nach aber tatsächlich etwas irritiert, ist wohl der Anblick, der sich ihm in den ersten Reihen vor der Bühne bietet. An Stelle des sich vermutlich üblicherweise dort während eines ihrer Gigs bildenden Moshpits, sitzen nun Damen und Herren in bereits gesetzterem (wie passend) Alter in Monoblocks und bewegen bedächtig die Köpfe zu der Musik von PYRACANDA. Tja, so ist das heutzutage…

Der Großteil der Songs stammt verständlicherweise von ihrem beliebten Debüt und werden auch ordentlich abgefeiert. Aber auch das zweite, etwas komplexere Album kommt beispielsweise mit ´At The Abyss´ zum Zuge, bei dem auch die Bandmaschine zum Einspielen des Intros wieder funktioniert. Ein insgesamt toller Auftritt, der meine Erwartungen vollumfänglich erfüllt.

 

 

 

 

Erst im allerletzten Moment hatten die Musiker der 1987 in London gegründeten AIRFORCE die Formaltäten für eine Einreise nach Deutschland regeln und ihre Teilnahme bestätigen können. Ob dies nun an den in England lebenden Gründungsmitgliedern, oder am, falls ich ihn richtig verstanden habe, direkt aus Portugal eingeflogenen Sänger lag, kann ich nicht sagen. Da es sich aber bei beiden Ländern um Hochinzidenz-Risikogebiete handelt, war dies sicherlich in beiden Fällen eine Herausforderung. Ich gestehe, dass ich auch von AIRFORCE vor der Bestätigung für das HOA noch nichts gehört hatte und das obwohl ihr Drummer Doug Sampson bereits im Jahr 1979 bei der Aufnahme der legendären ´Soundhouse Tapes´ am Schlagzeug saß. Ihr habt richtig gelesen! Doug war der Schlagzeuger beim ersten Demo (und der darauffolgenden Single ´Running Free´) von IRON MAIDEN. Da seine beiden englischen Mitmusiker nicht wesentlich jünger als er sein werden, kann man davon ausgehen, dass alle drei aktiv an der NWoBHM teilgenommen haben. Für AIRFORCE gilt dies allerdings nicht mehr, denn im Jahr ihrer Gründung hatte sich diese Bewegung längst totgelaufen. Erstaunlicherweise stammt ihr erstes offizielles Output aber erst aus dem Jahr 2016 und muss eigentlich als Zusammenstellung bezeichnet werden, denn die Songs darauf stammen aus den Jahren 1987 bis 2016 und weisen vor allem am Mikro ein buntes Sammelsurium an Sängern aus. Die Sache mit wechselnden Sängern hat sich allerdings in der Zwischenzeit erledigt, denn seit 2019 steht der bereits oben kurz erwähnte Portugiese Flávio Lino am Mikro, der auch ihren im letzten Jahr erschienenen zweiten Longplayer ´Strike Hard´ eingesungen hat.

Stilistisch spielen die vier Herren gitarrendominierten Heavy Metal, der natürlich von der NWoBHM beeinflusst ist. Das wäre es dann auch, wenn Flávio nicht wäre, denn seine Stimme mit einem deutlich (mal wieder) an Bruce Dickinson erinnernden Timbre, wertet die ansonsten recht bieder gehaltenen Stücke deutlich auf. Ich würde zu gerne wissen, wie die alten Herren an diesen jungen, sehr sympathisch wirkenden und mit einer überaus begnadet klingenden Stimme gekommen sind. Insbesondere die Songs von „seiner“ Scheibe, wie ´Son Of The Damned´, ´The Reaper´, oder ´Band Of Brothers´ werden live mit so viel Inbrunst intoniert, dass Flávios gute Laune direkt auf das Publikum überspringt. Aber auch bei den anderen Songs, wie ´Heroes´ vom Debüt oder ´Lost Forever´ von der 2018er EP auf der Interimssänger Dillian Arnaudov zu hören ist, kann Flávio voll überzeugen.

Ich schaue mir auf jeden Fall, vielleicht auch im vollen Bewusstsein darüber, was danach kommen würde, den gesamten Gig aus der vordersten Reihe an und fühle mich dabei sehr gut unterhalten. Ob ich mir jetzt aber die letzte CD von AIRFORCE besorgen werde, muss ich mir noch gründlich überlegen.

 

 

 

 

All diejenigen, die sich nun auf einen ausführlichen Bericht zum Auftritt von STORMWARRIOR gefreut haben, muss ich leider enttäuschen. Der Double Bass-lastige Power/Speed-Metal europäischer Prägung (was auch sonst) à la HELLOWEEN gehört einfach nicht zu der Musik, die ich mir in das Regal stelle. Also höre ich mir vor der Bühne lediglich ein paar Songs an (bei The Ballad of ´Thunder & Steele´ ist endgültig Schluss mit lustig), bevor ich mich, zumindest in meinem Dafürhalten, wichtigeren Dingen zuwende. Dem Vernehmen nach liefern sie an diesem Abend aber eine gute Vorstellung ab, was die deutlich vernehmbare Resonanz der Zuhörerschaft zu bestätigen scheint. Es ist ja nun auch nicht so, dass man STORMWARRIOR noch nie live gesehen hätte. Alleine ihre Auftritte auf dem HOA reichen mir für das ganze restliche Leben, denn für ihren ersten Auftritt auf dem HOA muss man bis zu dessen dritter Auflage im Jahre 2000 zurückgehen und damals hatte die 1998 in Hamburg gegründete Band gerade mal zwei Demos draußen. Seitdem sind sie mit schöner Regelmäßigkeit alle paar Jahre auf dem Billing des HOA vertreten, nämlich 2003, 2010, 2011 (mit Kai Hansen) und 2017. Sechs Auftritte in 21 Jahren macht einen Gig alle dreieinhalb Jahre, womit sie rein statistisch bereits 2024 wieder am Start sein könnten.

 

 

Alles in allem war es ein sehr entspanntes Festival, was auch dadurch unterstützt wurde, dass zwischen jeder Band eine Umbaupause von etwa einer Stunde lag, die man prima für das leibliche Wohl oder angeregte Unterhaltungen verwenden konnte. Und da das Wetter an beiden Tagen mitgespielt hat, gab es auch reichlich von letzterem.
Zwar war das Campen ausdrücklich nicht erlaubt, aber so lange niemand Tisch, Stuhl und Grill rausgestellt hat, war es jedem Besucher natürlich unbenommen in seinem Auto, Wohnwagen, Wohnmobil, oder gar mit Matratzen ausgelegten Kleintransportern zu nächtigen. Auf diese Weise war niemand dazu gezwungen, nüchtern oder überstürzt abzureisen, was zusätzlich für die insgesamt sehr gute Stimmung gesorgt hat. Es war dieses Mal natürlich nicht das gewohnte Spitzen-Billing am Start, aber irgendwie war die Musik dieses Jahr auch fast nebensächlich. Es ist nicht so, dass ich nicht gerne „mein“ altes Festival mit Bands und Fans aus der ganzen Welt zurück hätte, aber dieses kleine beschauliche und unglaublich entspannte Festival hatte, gerade in der jetzigen Zeit, auch seine Vorzüge. Aber nächstes Jahr wird sicherlich wieder alles anders werden…und das ist auch gut so!

 

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