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Mike Howe † METAL CHURCH, HERETIC

~ * 21.08.1965, † 26.07.2021 ~


Es war an einem Sonntag im Juni vor 30 Jahren als wir zum METAL CHURCH-Konzert und Interview in die Nähe von Heidelberg aufbrachen. Es war damals (Klimawandel!) schon weit über 30 Grad und es wurde uns erlaubt, dem Soundcheck beizuwohnen. Aus der knalligen Sonne kamen wir in die düstere Veranstaltungsstätte und „erschraken“ erst einmal. Denn es war deutlich das göttliche ´Beyond The Black´ zu hören, allerdings mit tiefstem Death Metal-Gegrunze. Ein nicht sehr großer, schlanker Typ mit blonder Mähne sang zum Aufwärmen die Oktaven von unten nach oben durch. Das war Mike Howe! Es wurden gleich zwei Eigenschaften von ihm deutlich: Er war ein liebenswerter, witziger und authentischer Typ und er konnte wirklich jeden Metal-Sänger in Grund und Boden singen! Woher er die viele Luft zum Singen holte, war unklar. Denn er hatte keinen so großen Resonanzkörper wie Nicky Moore oder Steve Grimmett.

METAL CHURCH waren damals eine der aufregendsten Bands. Mit ihrem gleichnamigen Debüt hatten sie eines der größten Alben der Power- und US Metal-Geschichte produziert und stiegen sofort zur Legende auf. ´The Dark´, der Nachfolger, strickte an der Legende weiter, wenn auch nicht so imposant. Dann der Schock: David Wayne, der von den METAL CHURCH-Fans mindestens so kultig verehrte Sänger wie bei IRON MAIDEN Paul Di ‘Anno oder Bon Scott bei AC/DC hatte die Segel gestrichen und wechselte zu den HERETIC-Musikern, um die heute leider vergessene Kult-Band REVEREND zu gründen. Für viele war das sichere Ende von METAL CHURCH gekommen. Von HERETIC wechselte der Sänger zu METAL CHURCH. Und das war – Mike Howe (das nennt man „Job-Rotation“).

Das „Bon Scott-Syndrom“ (Mike Howes Vorbilder waren übrigens Bon Scott und Rob Halford) drohte, aber kam nie zur Anwendung. Warum? Weil schon die ersten zwei Minuten des Anfangstitels ´Fake Healer´ des dritten Werks ´Blessing In Disguise´ klar machten, hier war ein Meister des Gesangs am Werk. Mike Howe war seinem Vorgänger in puncto Abwechslungsreichtum gar überlegen, konnte alle Songs der ersten beiden Alben live problemlos vortragen. Zurück in Dossenheim bei Heidelberg im Juni 1991: ´The Human Factor´ war das vierte Album von fünf überragenden Werken von METAL CHURCH. Die Songs auf der ersten Seite gehören zum Besten, was an Metal jemals auf den stählernen Tisch kam. Einen großen Anteil hatte Mike Howe, der flüsterte, schrie, melodisch sang und shoutete und epischen Songs wie ´The Final Word´, ´In Mourning´ oder ´Harm’s Way´ den letzten Schliff gab, aber auch Metal-Schwergewichte wie ´Date With Poverty´ als Kapitän durch die raue Metal-See steuerte, dass es ein reines auditives Vergnügen war. Das Konzert am Abend war großartig, Mike sang einfach hervorragend und war ein unterhaltsamer Entertainer und nur wenige trauerten seinem (mittlerweile leider auch schon länger verstorbenen) Vorgänger nach.

Das fünfte Album ´Hanging In The Balance´ war vom Songwriting den beiden vorherigen ebenbürtig, litt aber (etwas) unter der nicht optimalen Produktion und (mehr) unter dem schwachsinnigen Coverartwork, das einfach nur grausam ist und nichts mit den nachdenklichen Songs des Albums wie ´Losers In The Game´ und ´Waiting For A Saviour´ zu tun hatte. Kein Wunder, dass 1996 plötzlich aufgrund der wenigen Plattenverkäufe und eines unfähigen Managements Schluss war und eine der besten Metal-Bands einfach vom Erdboden verschwand. 1998 wurde die Band vom nach ´The Dark´ in die zweite Reihe gewechselten Kurdt Vanderhoof überraschend mit David Wayne wiederbelebt. Das Album ´Masterpeace´, das Live-Album ´Live´ und die dazugehörige Tournee verliefen aber aus meiner Sicht als Augen- und Ohrenzeuge enttäuschend und David Wayne suchte schnell wieder das Weite.

Mike Howe, der sich aus dem Musikgeschäft zurückgezogen, als Schreiner in Tennessee gearbeitet hatte und zwei Söhne großzog, kehrte auf Wunsch von Kurdt genauso überraschend 20 Jahre nach dem Ende der glorreichen Tage 2015 kurzerhand und kurzbehaart zur Band zurück. Das Album ´XI´ war überraschenderweise sogar das am höchsten in den Charts dotierte Album und Mike war immer noch im Studio und live ein großartiger Sänger und liebenswerter Mensch, wenn für mich auch die Magie der alten Zeiten irgendwie verloren war, wo alleine mit Kirk Arrington und Duke Erickson eine der mächtigsten Rhythmus-Gruppen für die unverkennbare Grundlage sorgte. Auch das Songwriting konnte an die triumphalen ersten fünf Alben bei weitem nicht anschließen. ´Damned If You Do´ war 2018 ein weiteres Album mit Mike Howe und leider jetzt für immer auch das letzte (2020 kam noch die Compilation ´From The Vault´ dazu).

Es fällt schwer zu glauben, dass diese großartige Stimme für immer verstummt und nur noch aus der Konserve abrufbar ist. 55 Jahre alt. In seiner Wohnung in Kalifornien gefunden. Was für ein früher und sinnloser Tod. Die Ursache ist noch völlig unbekannt. R.I.P. Mike!


Pic: Ju Tschamler