JahresrückblickeMeilensteine

Die wertvolle Hälfte 2021

~ Halbjahresbilanz 2021 ~


Was ist in diesen Tagen höchst wertvoll? Ruhe und Besinnung? Innere Werte und Gesundheit? Oder Deine Smartwatch? Die Zeit ist in diesen hektischen Tagen natürlich für alle besonders wertvoll. Also lasst Euch lieber die Smartwatch stehlen als die Zeit.

Aus diesem Grunde wollen wir Euch Zeit schenken.

Das Jahr 2021 scheint als Folge des Vorjahres wohl eines zu werden, das uns Unmengen an neuen Veröffentlichungen schenkt, eine Masse an Releases, die es so zuvor vielleicht noch nie gab. Bereits zur Jahresmitte stapeln sich nicht nur die Neuerscheinungen in ungekannter Höhe, zudem werden diese wohl keinesfalls in der zweiten Jahreshälfte abebben.

Nicht nur uns fällt es derzeit schwer, in diesem Meer an CDs und Vinyl-Scheiben den Überblick zu behalten. Dennoch fiel es uns leicht, für Euch die schönsten, die wertvollsten Scheiben der ersten sechs Monate auszuwählen und sie nochmals zu würdigen. So behaltet Ihr in aller Kürze in einem bislang quantitativ sehr reichhaltigen Jahr 2021 den Überblick.

Vorhang auf, die wohl wertvollsten Werke aus sechs Monaten:

 

SILVER TALON – Decadence & Decay

(von Don Carlos)

 

Über die Assoziationen, die beim Hören der Musik von SILVER TALON und dem Gesang von Wyatt Howell speziell mit NEVERMORE und Warrel Dane hervorgerufen werden, ist bereits vielerorts geschrieben worden. Aber auch wenn die sehr moderne, wenngleich dennoch hervorragende Produktion etwas davon ablenkt, so enthält die Musik auf ´Decadence & Decay´ viele weitere Referenzen auf Bands, die tief in den 80ern verwurzelt sind und ein Spektrum von SAVATAGE bis YNGWIE MALMSTEEN abdecken. Trotz ihrer Besinnung auf die Kernelemente des klassischen Power, Thrash und guten alten Heavy Metal verfügen SILVER TALON aber zweifelsohne über eine eigene Identität, die sie über die breite Masse aktueller Bands hervorhebt. Wer also auf durchschlagende Schlagzeugarbeit, eine von drei Gitarren druckvoll hingemauerte Soundwand, einen durchdringenden Bass und einen melodischen, mit dunklen Tönen unterlegten Gesang steht, der kommt an ´Decadence & Decay´ mit dem darauf zelebrierten USPM 2.0 nicht vorbei.

 

WITHERFALL – Curse Of Autumn

(von Less Leßmeister)

 

Passender könnte eine Textzeile der einstigen „Kings Of Metal“ nicht sein: „There the road begins where another one will end“ – Adam Paul Sagans Reise war tragischerweise bereits zu Ende, bevor die Reise von WITHERFALL und meine mit ihnen begann. Eine Reise, die in einer U-Bahn auf dem Weg nach Washington D.C. mit einem Debütalbum in den Ohrhörern startete, welches mich fast den Ausstieg an mehreren Stationen verpassen ließ. WITHERFALL sind angekommen, mit einem Gesamtkunstwerk von vier Vinyloutputs, deren kunstvolle Cover von Kristian Wåhlin alleine schon für einen Höhepunkt in der Plattensammlung sorgen. Mit ihrem aktuellen Werk setzen Jake Dreyer und Joseph Michael mit würdigen Mitmusikern ihrem Freund ein weiteres Denkmal, und ich möchte einfach daran glauben, dass sein Geist irgendwo mit einem Lächeln im Gesicht am schillerndsten Drumkit der unsterblichen Lande sitzt und euphorisch und voller Stolz dazu spielt.

 

DORDEDUH – Har

(von U.Violet)

 

Irgendwann ist es bei jedem richtig guten Untergrund-Geheimtipp soweit: ein innerer und damit immer auch künstlerischer Entwicklungsschritt ist vollzogen, ein neues Level an kreativer Meisterschaft erreicht, die Inspiration fließt frei und grenzenlos, und auf einmal lösen die nun entstehenden Songs nicht mehr nur beim sowieso fanatischen Nischenpublikum Gänsehaut aus, sondern erreichen endlich auch die Ohren und vor allem die Herzen vieler, vieler genauso überraschter wie begeisterter Neubekehrter.

Im Falle DORDEDUHs ist ´Har´ dieses Gamechanger-Album, das gerade in unserer oft viel zu engen und beklemmenden Zeit so viele emotionale Schleusen öffnet, dass es eigentlich präventiv per Rezept verordnet werden müsste. Keine Ahnung, wie dieses so stil-, stimmungs- und seelenvolle Füllhorn im restlichen Jahr noch getoppt werden könnte… die Latte liegt fast unerreichbar weit oben.

 

STARLIGHT RITUAL – Sealed In Starlight

(von Jürgen Tschamler)

 

Meine unangefochtene Nummer eins des ersten halben Jahres 2021: die Kanadier STARLIGHT RITUAL mit ´Stealed In Starlight´. War man auf der 2016er 4-Track-EP musikalisch noch ganz anders positioniert, sprich Seventies Hard Rock mit Doom-Elementen, gehen sie fünf Jahre später glücklicherweise einen ganzen anderen Weg. Ein leicht kauziger Sound mit NWoBHM-Einschlag und einigen klassischen, frühen Achtzigerjahre US Metal-Elementen, werden hier vermischt, verbraten und geschüttelt. Gesanglich kommen hier und da gar Erinnerungen an DIO auf. Eine alles vernichtende Nummer wie ´Burning Desire´, die auch aus dem Fundus früher IRON MAIDEN hätte kommen können, ist da nur das Tüpfelchen auf dem „i“ dieses puristisch herzzerreißenden Albums. Eine giftige, doppeltgezüngelte Gitarrenwelle, zwischen wunderbaren Melodien und kauzig schräg, bilden die elementare Strukturen dieser Songs. Dazu ein dämonischer Gesang eines Herrn Damian Ritual, der einen bei diversen Passagen des Albums fasst durchdrehen lässt. ´Sealed In Starlight´ ist ein einziger, gut geölter Einlauf in Sachen klassischem Heavy Metal.

 

HERZEL –  Le Dernier Rempart

(von Mario Wolski)

 

Unser westliches Nachbarland bringt uns schon seit vielen Jahren qualitativ hochwertige Musik. TRUST und H-BOMB, Vulkane und Zaubersprüche. Und nun drängt die nächste Generation ins Licht, etwa HERZEL aus der Bretagne. Die verbinden auf ihrem Debüt-Album Geschichte und Heimat, keltische Tradition und zeitgemäßen Stahl, Melodie und Epik. So fährt der Hörer zusammen mit HERZEL zur See und kämpft mittelalterliche Schlachten. Er vernimmt Geschichten über Jeanne ´La Flamme´, Johanna von Flandern, Herzogin der Bretagne, Verteidigerin der belagerten Stadt Hennebont und legendäre Ritter. Die Bombarde, ein historisches Musikinstrument, sorgt für das traditionelle Flair. Gesungen wird, fast schon zu erwarten, auf Französisch. Das sorgt für eine weitere eigenständige Note. Und das ist irgendwie bretonisch. Denn schon unter Louis XIV. und zu Zeiten der Revolution hat man hier auf seine Eigenständigkeit bestanden. So tun es HERZEL eben auch.

 

CHEVELLE – Niratias

(von Markus gps)

 

Die Loeffler Brüder sind in den USA schon seit 20 Jahren ein recht großes Ding, bei uns aber ein nur kleines Licht geblieben. Nun gelingt ihnen qualitativ ein Lebenswerk. Man muss kein ausgewiesener Alternativ Metal-Anhänger sein, um sich für diese hypnotisch-spacige wie groovige Melange begeistern zu können. Mit dieser unfassbaren Intensität schlagen sie der Konkurrenz um Längen ein Schnippchen und der charismatische Gesang macht einige der Songs zu Gesamtkunstwerken mit melodischer Übergröße. Daher nicht nur eine Empfehlung für Fans von HELMET & Co.

 

BLACK COUNTRY, NEW ROAD – For The First Time

(von Michael Haifl)

 

Sie zappeln. Sie rocken. Sie experimentieren. Sie zählen zur neuen Avantgarde der musikalischen Landschaft: Isaac Wood, Luke Mark, Tyler Hyde, Lewis Evans, Georgia Ellery, May Kershaw und Charlie Wayne. Sie sind BLACK COUNTRY, NEW ROAD.

Sie sind unkategorisierbar. Sie sind Post Rock, sie sind Math Rock. Sie sind Jazzrock und Fusion. Sie sind für Indie Rock viel zu uferlos. Britrock ist längst passé. Sie sind Avantgarde, sie sind Experimental Music. Sie sind Jazzer auf einem Klezmer-Trip, sie sind Rocker auf Drogen. Sie sind die Generation Z in ihrer mittelschichtlichen Trübseligkeit. Sie sind zart und verletzlich. Sie sind wagemutig und aggressiv.

BLACK COUNTRY, NEW ROAD sind die neue Musikkultur. Hoffentlich pulsiert ihr frisches Blut wie dies von BLACK MIDI und SQUID noch lange in der Szene.

 

RED FANG – Arrows

(von Marcus Köhler)

 

Auf ´Arrows´ haben RED FANG  ihren Stoner-Rock-Signature-Sound um eine gehörige Portion Sludge erweitert! Die Portlander treiben ihre Entwicklung unzweifelhaft weiter voran und experimentieren sogar mit Techniken, wie der Aufnahme des Schlagzeugs in einem leeren Pool. Ihr Sound klingt nun deutlich stärker verdichtet, die Hooks könnten nicht schärfer sein und die Gesangsmelodien sind so bereit für das Mainstream-Radio wie nie zuvor. Ihr mit Abstand stärkstes Album!

 

THE MAMMUTHUS – Last Trumpet Of A Giant

(von Don Carlos)

 

Weder Bandname noch Artwork des Covers deuten in irgendeiner Weise daraufhin, welch eine musikalische Perle des gitarrendominierten, bluesigen und stellenweise vom Southernrock beeinflussten Hard Rock sich hinter ´Last Trumpet Of A Giant´ verbirgt. Die Scheibe bietet so viel Abwechslung und so viele tolle Melodien,  dass auch nach dem x-ten Hören keine Langeweile aufkommt und ich auch gerade jetzt, wo ich bei sommerlichen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein diese Zeilen schreibe, wieder lustvoll mitwippe und gutgelaunt den Klängen lausche.

Das Album kling so natürlich, locker und ungezwungen, wie es nur die alten Heroen aus den 70ern oder die sich auf diese Wurzeln berufenden Nachfolgebands gleichen Kalibers, hier seien stellvertretend die BLACK CROWS genannt, hinbekommen haben. Wer auf diese Art von zeitlosem Sound steht, verspielte Melodien liebt, auf handwerkliche Perfektion Wert legt und die Live-Scheiben aus den 70ern vor allem aus der Motivation heraus auflegt, den unvergleichlichen Gitarrensoli dieser Zeit lauschen zu können, der kommt an dieser Scheibe einfach nicht vorbei.

 

LA ERA DE ACUARIO – La Era De Acuario

(von Mario Wolski)

 

Wenn in aktuellen Nachrichtenmeldungen von Mexiko die Rede ist, hört man von Armut, Drogen und Bandenkriegen. Umso größer der Kontrast wenn man das selbstbetitelte Debüt der jungen Truppe aus der Hauptstadt hört. Bonbonbunter psychedelischer Pop aus der Garage, der nach Rauchwaren riecht und dazu ein leichtes Pilzaroma verströmt. Es wabert und brodelt, swingt und groovt, Gitarren jaulen, die Orgel orgelt. Es ist eine Freude. Locker fluffig leicht spielen LA ERA DE ACUARIO gegen Schwermut an, gegen schlechte Laune, gegen Trauer und Hass. Aber vielleicht braucht man in dieen krisengeschüttelten Ländern genau so etwas. Eine Musik, die den Alltag vergessen läßt und alle Nöte. Es bricht nun an, das Zeitalter des Wassermanns, mit dem Soundtrack aus Mexiko.

 

DINOSAUR JR. – Sweep It Into Space

(von Marcus Köhler)

 

Alte Recken laufen erneut zu Hochform auf! Jason Mascis & Co. finden auch anno 2021 überzeugende Wege, um ihre musikalischen Kernelemente zu wunderbaren Songs zu verschmelzen, und selbst nach mehr als einem Jahrzehnt seit ihrer Reunion, ist es immer noch eine große Freude, diese Musiker mit einer zugleich ungeheuren Kraft als auch Nachdenklichkeit ihre Lieder spielen zu hören. Ausgefeilte Gitarrenriffs und liebevolle Slacker-Vibes galore!

 

THE RUINS OF BEVERAST – The Thule Grimoires

(von U.Violet)

 

Auch wenn es eine Binsenweisheit ist, kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig Schlagzeuger für den Black Metal sind. Sie fungieren nicht nur als hochpräzise Impulsgeber, sondern sind vor allem für Stimmung und Atmosphäre verantwortlich, indem sie intuitiv verstehen, was jeweils an Emotionen ausgedrückt werden soll: Rhythmus ist Leben.

Nicht zu selten sind sie jedoch auch Visionäre, die ihre ganz eigene Vorstellung von Musik verfolgen. So einer ist Alexander von Meilenwald, der mit THE RUINS OF BEVERAST den Black Metal transzendiert und über alle benachbarten Genres zurück zu den Ursprüngen, dem Doom, geführt hat, wo er seit geraumer Zeit schamanisch-alchemistisch Gold erschafft, in stetig steigender Karatzahl. ´The Thule Grimoires´ sind sein neuester Geniestreich, und zu allem Überfluss singt der Gute nun auf einmal verstärkt clean und klingt dabei wie Pete Steeles unehelicher jüngerer Bruder. Jesses!  Komplexer, tiefer und schwärzer wird’s 2021 nicht mehr.

 

WARTOOTH – Programmed Dichotomy

(von Jürgen Tschamler)

 

Mit acht satt produzierten Songs liefern die Jungs aus Brisbane ein supersolides und enthusiastisches Debüt ab, das Fans des klassischen Thrash Metal-Sounds umgehend mitnehmen sollte. Trotz der hohen Geballerquote ist den Australiern eine leicht melodische Note ebenfalls wichtig. EXODUS und TESTAMENT sind die vornehmlichen Einflüsse ebenso wie NUCLEAR ASSAULT oder auch MORTAL SIN. Letztgenannte sind für die eher „melodischen“ Einflüsse verantwortlich. Zudem ist man unüberhörbar bemüht, in Sachen Tempo zu variieren und dementsprechend auch abwechslungsreich rüberzukommen. Die Rechnung geht auf. So wirkt dann auch die Coverversion von SKID ROWs ´Slave To The Grind´ wie ein gepflegter Abriss. Das Rad wird nicht neu erfunden, aber das Resultat liegt dennoch weit über dem Durchschnitt, was so sonst aus dem Thrash Metal-Genre dieser Tage kommt und dazu Old Schooler-Ohren geradezu umschmeichelt. Eines meiner Top 3 Alben des ersten halben Jahres.

 

LOCH VOSTOK – Opus Ferox – The Great Escape

(von Less Leßmeister)

 

Tja, da sitze ich zum weiß-nicht-wievielten-Male und fühle mich komplett von der vollen Wucht der harten Harmonie überrollt und bin glücklich und zufrieden. Ja, das ist dieses Jahr schon fast eine Handvoll Male passiert und deutet an, das Fans der Sparte „Progressive Metal“ mit Zuversicht in die Zukunft blicken dürfen. Auch diese bereits erfahrenen Schweden haben es geschafft, einen modernen Sound für die heutige Zeit zu kreieren, ohne die Wurzeln nicht nur des Metal verleugnen zu wollen, sondern aus dem Fundus des gesamten Spektrums von in Musik gebannten Emotionen das Universelle – was jeden fühlenden Menschen im Herzen berührt – in packenden Songs auf Tonträger zu bannen. Da hilft kein Erklären und Empfehlen, wollt ihr ein Bad der Emotionen erleben, müsst ihr euch in den LOCH VOSTOK begeben.

 

TERRA ODIUM – Ne Plus Ultra

(von Michael Haifl)

 

Sie fliegen wieder, ehemalige Mitglieder von SPIRAL ARCHITECT und MANITOU, Sänger/Gitarrist Øyvind Hægeland, Schlagzeuger Asgeir Mickelson und Gitarrist Bollie Fredriksen, ohne andere Bandmitglieder in ihrer Wichtigkeit zu degradieren, etwa Bass-Wunder Steve DiGiorgio.

Sie heben aktuell unter dem Namen TERRA ODIUM ab. Sie fliegen in ungekannte Höhen. Der Horizont scheint nicht ihre Grenze. Sie kennen die Flugrouten von PSYCHOTIC WALTZ, WATCHTOWER, CYNIC, FATES WARNING und natürlich SPIRAL ARCHITECT, dennoch wählen TERRA ODIUM ihre eigene Route. Sie tauchen in ihre zappelnde Techno-Rhythmik ein wie der Eisvogel ins Wasser, geben sich dramatisch und atmosphärisch, doomisch thrashy orchestral, episch proggy monumental. Einmalig TERRA ODIUM.

Hoffentlich kehren sie wie Zugvögel zu jedem Sommer zurück und pflanzen ´Ne Plus Ultra´ nicht als einmaliges Wunderwerk der Musikgeschichte ein.

 

SOEN – Imperial

(von Markus gps)

 

Obwohl SOEN ihren Stil quasi nicht mehr verändern, bleiben sie doch weiter unbesiegbar. Das Songwriting mit fast schon unheimlicher Perfektion ohne dabei auch nur eine Nuance Emotion einzubüßen, der Sound geprägt von dieser Drum-Dominanz. War der Vorgänger ´Lotus´ nur völlig überragend, steigert man sich nun gar wieder und kann vielleicht sogar das bisherige Meisterwerk ´Lykaia´ hinter sich lassen. Die Amplituden von ´Antagonist´ und vor allem ´Dissident´ passen bei weitem nicht mehr auf genormte Bildschirme, sie sind längst ins All entschwebt. Zwei Jahrhundertsongs, die auch textlich den Kern unserer Zeit auf den Punkt treffen. SOEN = Weltherrschaft!

 

THE PRETTY RECKLESS – Death By Rock`n´Roll

(von Jürgen Tschamler)

 

Für Fans puristischer Mucke zwischen WARLORD und JUDAS PRIEST ist ein Album wie ´Death By Rock’n’Roll´ der pure Horror. Dabei ist dieses Album grandioses Heavy Metal-/Hard Rock-Entertainment für Menschen, die sich außerhalb musikalischer Blasen bewegen. Dass Sängerin Taylor Momsen sich für das Leben als Sängerin entscheiden hat und gegen die Schauspielerei, war eine ihrer besten Lebensentscheidungen. Denn ihre Stimme ist so etwas von außergewöhnlich und dominant zugleich und somit einer der ganz großen Stärken der Band. Obwohl ihr Sound jung klingt, ist die Band mehr als „true“, denn man orientiert sich ganz deutlich an den Grundelementen des Heavy Rock und gibt einen Scheiß auf Zeitgeist-Einflüsse. Auf ihrem vierten Album baut man auf die inzwischen etablierten Trademarks und liefert nebenbei sein bisher abwechslungsreichstes und härtestes Album ab. Vielfalt, hohe Gesamtqualität und enorme Musikalität zeichnen dieses Album aus, das zurecht in der Mainstream-Musikpresse abgefeiert wurde. Was allerdings kein Grund ist, dieses Stück grandiose Musik zu übergehen.

 

GARY MOORE – How Blue Can You Get

(von Harald Pfeiffer)

 

Am 06. Februar dieses Jahres musste die Musikwelt schon den zehnten Todestag von Gary Moore betrauern. Mit 58 Jahren war er 2011 in Spanien doch recht überraschend gestorben. Und ein weiterer Gitarrenheld ging uns allen verloren. Zu Gary hatte ich seit ´Black Rose´ 1979 von THIN LIZZY eine besondere Beziehung. Ich habe jede Menge Platten und CDs von ihm aufgekauft. Ich habe ihn zum ersten Mal in der „Alabamahalle München“ (als Fahranfänger 250 Kilometer einfach) mit Ian Paice auf der ´Victims Of The Future´-Tournee gesehen. Der „Hard Rock“-Gary war mir auch am liebsten. Niemand hat die Gitarre so wie er gespielt. Voller Leidenschaft und mit einer perfekten Technik. Gary, der laut der Aussage von Freund und LIZZY-Urgestein Eric Bell und auch anderen, immer von starken Selbstzweifeln getrieben war, hat schließlich im Blues seine Erlösung gefunden.

Über die „neuen alten“ Aufnahmen von ihm in diesem Jahr habe ich mich sehr gefreut – gerade über die drei großartigen Balladen. Bei Gary waren die Balladen nicht erst seit „Empty Rooms“ etwas Besonderes und besonders schön. Nach so vielen Jahren hat ´How Blue Can You Get´ in mir die „Gary-Leidenschaft“ wieder zum Glühen gebracht.

 

DALRIADA – Őszelő

(von Mario Wolski)

 

Eine zufällige Wiederentdeckung gelang mir mit den Folk Metallern DALRIADA aus dem westungarischen Sopron. Eine Urlaubsbekanntschaft, die ich dann aus den Augen verlor, und jetzt kommt schon das zehnte Studioalbum. Mit ´Őszelő´, einem alten ungarischen Wort für den Monat September, machen sie genau das, was schon von früher von ihnen bekannt war. DALRIADA verbinden recht harten und flotten Metal, früher auch gern an der Grenze zum Death, mit ungarischer Folklore. Und nach knapp 15 Jahren sind Laura Binder und ihre Mitstreiter noch lange nicht müde. So schwingen sie die Äxte, der Bogen gleitet über die Saiten der Geige, die Füße tanzen, die Röcke wirbeln. Es geht um historisches (´Rákóczi Zászlaja´) aber auch um heutiges (´Ezer Élet, Ezer Csillag´). Trotz des hohen Anteils an Folklore, DALRIADA klingen nie kitschig oder schnulzig. Auch wenn es immer an die Puszta erinnert, es bleibt immer Metal.

 

ANGSTSKRIG – Skyggespil

(von U.Violet)

 

Beim Wettbewerb um den kreativsten Untergrund ist unser nördliches Nachbarland ganz vorne mit dabei, der spannendste angeschwärzte Metal kommt aktuell auf jeden Fall aus Dänemark. Und das ominöse Duo ANGSTSKRIG spielt schon mit seinem Debüt keineswegs im Schatten der Szenegrößen, sondern hat sich aus dem Stand auf eine Pole Position katapultiert.

Dreckiger Punk’n’Roll, klassischer Thrash und Heavy Metal, eine reichliche Dosis Death und Prog, aber eben vor allem Black Metal sind die Eltern dieses gegen den Strich gebürsteten Wechselbalgs namens ´Skyggespil´, vermählt mit kompositorischer Finesse und scheinbar unendlichem Ideenreichtum, die sich jedoch stets dem Song, was sag ich, dem Hit unterordnen. Gewürzt mit einer reichlichen Prise nordischschwarzen Humors, und fertig ist der ølgeschmierte Soundtrack dieses Sommers. Ihr wisst ja: Dänen lügen nicht!

 

MELVINS – Working With God

(von Marcus Köhler)

 

Unsere Lieblingsgötter des Donners sind zurück – und zwar mächtig! ´Working With God´ besitzt endlich wieder eine durchweg anhaltende Strahlkraft, gebündelt in einer blitzhellen, hyperkinetischen Energie und durch und durch begeisternden Songs. Der Fokus auf donnernde Riffs und Killer-Rhythmen funktioniert jedenfalls wieder ganz prächtig und nun scheint auch endlich wieder der Slogan ihres T-Shirt-Klassikers an Bedeutung zu gewinnen: „MELVINS Rule – You Do Not!“

 

AMON SETHIS – Part 0: The Queen With Golden Hair

(von Less Leßmeister)

 

Die erste abenteuerliche Reise des Jahres führte mich zurück in die geheimnisvolle Zeit und ins mächtige Reich der Pharaonen. Schon viele Bands nahmen uns mit auf diese Zeitreise, doch selten erreichte man musikalisch auch nur annähernd die strahlende Glorie dieser mit Mysterien behaftete Epoche und ihren legendären Geschichten. Diese Franzosen jedoch erschufen ein bildgewaltiges Akustikepos in metallischen Farben, ein Monumentalwerk unter den Konzeptalben mit einer ausgefeilten Saga um die zur Königin gekrönten Witwe Nitocris. Die Umsetzung des durch höhere Mächte unterstützen Kampfes um die Zukunft des Reiches, Verrat, Rache und letztendlich unsterbliche Liebe lassen viele Streiter des epischen Metal daneben wirken wie Kinder mit Holzschwertern. Sind AMON SETHIS die einzig wahren, die Erben von dem, was VIRGIN STEELE mit ihren beiden legendären Zweiteilern einst im alten Jahrtausend begonnen hatten?

 

INCURSION – The Hunter

(von Don Carlos)

 

Mit knapp 22 Minuten handelt es sich bei dieser Veröffentlichung de facto eigentlich nur um eine kurze EP und dann sind die sechs Stücke, von denen nach Abzug von Intro und Outro lediglich noch vier vollwertige Songs übrig bleiben, alle auch noch mindestens gut 35 Jahre alt! Aber schließlich geht es ja um Klasse und nicht um Masse und die Songs sind, man höre und staune, alle erstmalig, natürlich in perfektem Soundgewand, frisch aufgenommen worden. So nimmt es nicht Wunder, dass ´The Hunter´ gleich zu Beginn dieses Jahres als nachweihnachtliches Naschwerk für wohlige Schmatzgeräusche bei allen Liebhabern des klassischen 80er-Jahre Metal verantwortlich war und zwar über Genre-Grenzen, denn hier kommen sowohl Liebhaber des britischen Heavy Metal als auch Fans des klassischen, episch angehauchten US-Metal auf ihre Kosten. Wer also genau auf diese Art Musik in der Schnittmenge zwischen IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und SAMSON auf der einen und OMEN, WARLORD, MANILLA ROAD auf der anderen Seite steht, der kommt…na, ihr wisst schon.

 

FLOATING POINTS, PHAROAH SANDERS & LONDON SYMPHONY ORCHESTRA – Promises

(von Michael Haifl)

 

Sie sind abgehoben. Sie schweben. Sie haben fünf Jahre benötigt, um an diesem einzigartigen Punkt anzukommen: ´Promises´. Sie, das sind der britische Neurowissenschaftler, der Musiker Sam Shepherd und der US-Amerikaner, die lebende Free-Jazz-Legende Ferell Sanders. Sie oszillieren in ihrer neuen Musik, nichts aufgewärmtes wie es oft in diesen Kreisen üblich ist. Sie sind FLOATING POINTS und PHAROAH SANDERS.

Sie leben in der Musik, sie umkreisen die Emotionen in Laut und Leise, in Raum und Zeit. Sie lassen die Kräfte wirken, zusammen mit dem LONDON SYMPHONY ORCHESTRA. Sie zeigen das Jahr 2021 in Momenten, in Movements, im Tenor-Saxofon von Pharoah Sanders, in wolkenleichter Elektronik, mit einem Oberheim OB-Xa Synthesizer und einem ARP 2600 und einem Buchla 200e. Sie leben zwischen den Klängen und immer wieder rauscht das Tenor-Saxofon von Pharoah Sanders empor.

Sie sind völlig losgelöst. Sie leben. FLOATING POINTS und PHAROAH SANDERS setzen sich selbst ein Denkmal.

 

 

 

All diese wertvollen Schönheiten erblickten allein in einem halben Jahr das Licht der Öffentlichkeit. Zu solch einer geballten Qualitätsschau sehen wir uns aber spätestens bei der großen Jahresendabrechnung wieder.

Noch eines: Mit einem Klick auf den Gruppennamen/Albumtitel landet Ihr außerdem für weitere Informationen im Original-Review. 

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Eure STREETCLIPPER

Ute, Harald, Markus, Marcus, Mario, Don Carlos, Less, Jürgen und Michael

 


Pics: Band bzw.
Dordeduh-Alexandru Moga; BCNR-Maxwell Grainger,
RedFang-James-Rexroad, DinosaurJr-Cara Totman