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DÏATRÏBE – Odite Sermonis

~ 2021 (Vendetta Records) – Stil: French Black Metal ~


Manch Debüt folgt gängigen Schemen eines Genres, andere öffnen völlig neue Wege. So weit, so gut. Aber dann gibt es auch solche, die es irgendwie schaffen, beides zu kombinieren – auf altbekannten Pfaden zu bleiben, aber gleichzeitig vollkommen anders und vor allem unerwartet zu klingen, und das Spektrum des Bewährten zu erweitern. Solch ein Projekt ist DÏATRÏBE, dessen ´Odite Sermonis´ tatsächlich die Quadratur des Kreises versucht: extrem rohen, wie er selbst sagt orthodoxen französischen Black Metal mit Melodien und großer Geste zu verbinden, und zwar auf eine solche faszinierende und komplexe Art, dass die Hassreden, so die Übersetzung von ´Odite Sermonis´, bis heute geduldig wartend auf meinem abzuarbeitenden pile of shame liegengeblieben sind.

 

Er, das ist der einzige Akteur dieses 2019 gegründeten Soloprojekts, das sich dem für seine Kompromisslosigkeit und Ungeschliffenheit bekannten orthodoxen französischen Black Metal verschrieben hat. Wie es sich gehört, wissen wir nichts über den Kopf hinter der Band, auch die Bandcamp-Seite bietet uns außer der EP keine weiteren Informationen an; allein die Musik soll für sich sprechen. Und der erste Höreindruck ist krass: das Schlagzeug komplett nach vorne gemischt, eine dissonante Gitarre verliert sich suchend in einer höhlenartigen, keyboardwabernden Atmosphäre, bis das Gewitter losbricht und ein extrem verhalltes, stets im Hintergrund lauerndes Kreischen uns locker knapp 30 Jahre in die Vergangenheit beamen. Spätestens hier werden vermutlich all die HiFi-Metaller aussteigen, für die Produktion so sehr im Vordergrund steht, und das ist voll okay, denn damit behält der Rest einen wahren Schatz für sich allein.

Denn worauf es hier ankommt, ist Atmosphäre, und zwar nicht die durch viele Mixtricks künstlich erzeugte, sondern das, was passiert wenn einer sein Inneres nach außen dreht, sich mehr als nackt macht – und den Hörer mit den daraus entstehenden bodenlosen klanglichen Hassbratzen mitten in den Magen trifft. Kann Authentizität Gänsehaut auslösen? Auf jeden Fall!

Spätestens das dritte Stück, das instrumentale Interlude ´Malicia´, zeigt, dass der bisherige, so brachiale und grobschlächtige Sound absolut gewollt ist, denn hier ist er auf einmal glasklar. Sehr überraschend finden wir uns in einem Gewitter unter einem weiten, sommerlichen nächtlichen Sternenhimmel wieder, begleitet von akustischer Gitarre, und werden eingestimmt auf meinen Favoriten ´Descent´, der mit tremolopickend auf- und absteigenden Gitarren und nun sauber gemischten Schlagzeug eine fast schon doomig-psychedelische Basis legt für die diversen Dynamiken und Windungen dieses so erhaben wie wütenden Fünfminüters, der in Musik übersetzt, was DÏATRÏBE ausmacht und motiviert: „The search for this unexplained vibration that grabs us between fear and fascination. An artistic vision of the unfathomable, indomitable abyss hidden behind all things”.

Mit jedem neuen Durchlauf gewöhnt man sich mehr an die vordergründige Dunkelheit, Brutalität und Grobschlächtigkeit, all das tritt in den Hintergrund, und dann fallen einem auf einmal die vielen zarten, ja verspielten Details in all dem Grimm und der ungeschminkten Ursprünglichkeit auf. In DÏATRÏBEs rabiater Vielschichtigkeit steckt sehr viel Liebe fürs Detail. Und Ehrlichkeit, “uncompromising with very clear guidelines“, auch wenn das oft weh tut und die üblichen Hörgewohnheiten verletzt. Eine Herausforderung, auch wenn man an zukünftige Veröffentlichungen denkt, doch genau dies haben schon viele andere Vertreter des Black Metal Français mehr als bravourös gelöst. Es bleibt daher spannend.

(7,25 hoffnungsvolle Punkte)

 

 

https://diatribe0band.bandcamp.com/releases

https://www.facebook.com/vendettacult