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NEPHILA – Nephila

~ 2021 (The Sign Records) – Stil: Classic Rock ~


Da ist wieder so ein Name, der neugierig macht. NEPHILA, klingt düster, man denkt vielleicht gleich an die FIELDS OF THE NEPHILIM. Wenn das Wort NEPHILA dann in die Google-Suche eingegeben wird, werden verschiedene Arten von Spinnen angeboten. Ich liebe Spinnen. Als nächstes folgt dann der erste Blick auf ein Bandfoto. Ein siebenköpfiges Ensemble, zwei Sängerinnen, Klamotten mit einem Hauch Siebziger. Nur diese Masken, die Männer tragen alle eine mit spitz zulaufender Nase, wie man sie kennt vom mittelalterlichen Pestarzt und aus dem venezianischen Carnevale. Man kann das albern finden, andererseits, dieses Image hat in diesem Falle fast schon wieder was für sich. Wenn man zusammenfasst, eine gewisse Vorliebe für Spinnen, das Tragen einer Larve, wenn hier nicht ALICE COOPER, KISS und ABBA Pate stehen?

Wer solches vermutet, liegt so falsch dann nicht. Sechs kleine Songjuwelen und eine überlange zwischen psychedelischem, bonbonbuntem Pop, Hard Rock-Anleihen und skandinavischem Hitappeal verzaubern den Raum und erfreuen den Hörer. ´White Bones´ groovt bluesrockig ins Gehör. Marschierend und treibend stellt sich im nächsten Song ´Who Are You´ die Frage: „Who are you and who am i search the future on the wings of time. Who are we to dwell inside the promiseland arriving on the tide“. Die zwei Stimmen machen schon was her, ja, da kommt auch ABBA-Gefühl auf. Allerdings bekommen hier beide Damen mehr Soloparts und zweistimmigen Gesang, im Gegensatz zu Agnetha und Anni-Frid, die doch meist eher unisono sangen.

´Belladonna´ ist italienisch und steht für „die schöne Frau“, ist aber auch die wissenschaftliche Bezeichnung für die Tollkirsche. Das bringt uns allerdings nach Venedig oder Florenz zu Zeiten der Renaissance, als eben diese minimal dosiert von den Damen der gehobenen Gesellschaft genutzt wurde. Eine Wirkung der tödlich giftigen Frucht ist, die Pupillen erweitern sich, und große Pupillen galten im Italien jener Zeit als Schönheitsideal. Und noch heute nutzen Augenärzte die Wirkung von Belladonna. Ebenso wunderbar doppelbödig wie der Song selber rüberkommt, ist sein Text. „Belladonna on, on their lips. We could be more than you could ever know“. Ist es die Tollkirsche, ist es die Frau, die einen um den Verstand bringt? Wunderbar das zweistimmige Gitarrenlead. Und der Gesang erinnert irgendwie an die norwegische Damenband KATZENJAMMER.

Wer wir am Ende sind? Das beantworten NEPHILA so: „In this time all we see is damage lines from the evil mankind“. Mit schaurigen ALICE COOPER Effekten spielt ´Mushroom People´. Auch in Schweden scheint unsere Kaia ihre Abnehmer zu haben. ´Guidance To Agony´ kommt direkt aus der texanischen Wüste, ´Clavata´ würde gut ins Frühwerk eines gewissen Vincent Damon Furnier passen. Und dann folgt noch der Longtrack. Die ersten Töne verströmen einen Duft von Hawaii, und dann wird schwedisch gesungen. Ich bin verliebt. So beginnt die Reise ´Alla Galaxers Centrum´. Ein Ritt durchs Universum, quer durch die Milchstraße. Sterne ziehen an einem vorbei, die Planeten lassen wir hinter uns. Der Mond grüßt aus der Ferne. Ehe der Treibstoff ausgeht, wird gewendet. Am Ende findet man sich da wieder, wo man gestartet ist, vielleicht in der Garage, vielleicht im Musikzimmer. 

Ja, diese Reise hat sich gelohnt. Ähnlich wie kürzlich die Mexikaner LA ERA DE ACUARIO lässt mich dieses schwedische Septett träumen, auf große Fahrt gehen. Auch wenn der Hauptbestandteil der Tollkirsche, das Atropin ziemlich giftig ist, diese ´Belladonna´ ist kaum schädlich. Spinnen der Gattung Nephila, Seidenspinnen, sind ungefährlich für den Menschen, NEPHILA aber machen glücklich. Das ist doch die Höchstwertung wert.

(10 Sterne)

 

https://nephilamusic.bandcamp.com/

 

Besetzung:
Stina Olsson – Gesang
Josephine Asker – Gesang
Johan Lööf – Drums
David Press – Bass
Jacob Hellenrud – Gitarre
Anton Athley – Gitarre
Johan Larsson – Orgel