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BLACK SABBATH – Sabotage (Super Deluxe Edition)

~ 1975/2021 (BMG) ~


Tony Iommi denkt noch heute mit Unbehagen an die Aufnahmen zum sechsten Studioalbum von BLACK SABBATH zurück, da sie in jenen Tagen einen Rechtsstreit mit ihrem ehemaligen Manager Patrick Meehan führten. Zumal sie sich in all ihrem Tun und Handeln regelrecht sabotiert fühlten, wählten sie mit britischem Humor den Albumtitel ´Sabotage´.

Sie versuchten aus ihren Verträgen herauszukommen und mussten sich daher während der Aufnahme-Sessions mit Schriftwechseln, Telefonaten und Gerichtsvorladungen herumschlagen. Gleichzeitig experimentierten sie an ihrem Sound, wollten aber nicht den Rausch des Vorgängers steigern und ein Orchester einsetzen. Tony Iommi werkelte mit Co-Produzent Mike Butcher – abermals in England, in den „Morgan Studios“ von Willesden, sowie in Brüssel – endlos an den Aufnahmen, so dass Ozzy Osbourne in seiner Autobiografie hinsichtlich der Produktionslänge von „ungefähr viertausend Jahren“ spricht.

Infolgedessen wirkte ´Sabotage´ aber auch im Gegensatz zu ´Sabbath Bloody Sabbath´ zwei Jahre zuvor natürlicher, ohne gekünstelte Effekte. Es war eine schlüssige Weiterentwicklung, die nicht jedem Liebhaber der ersten vier Alben munden konnte. Die Kompositionen lebten von einer gewissen Luftigkeit sowie aggressiven Spielweise und dürfen für die gewohnten Band-Verhältnisse als experimentell angesehen werden. Mit ´Sabotage´ entwickelten BLACK SABBATH schlicht und einfach eine neue Formel des Hardrock.

Für Tony Iommi waren die damaligen  Studio-Sessions auch Schauplatz einer legendären Jam-Session zwischen BLACK SABBATH und LED ZEPPELIN, obwohl das Luftschiff eigentlich zu diesem Zeitpunkt auf US-Tour gewesen sein soll.

Dennoch besticht nicht nur der mit einem klassischen Riff von Tony Iommi und einer aggressiven Grundstimmung ausgestattete Opener ´Hole In The Sky´ („Hole in the sky, take me to heaven.“) mit einem Hauch von LED ZEPPELIN. Ozzy blickt mit den Worten von Texter/Bassist Geezer Butler in diesem Moment sogar völlig prophetisch in die Glaskugel („And even though I’m sitting waiting for Mars. I don’t believe there’s any future in cars.“) und auf die Apokalypse („I’ve watched the dogs of war enjoying their feast. I’ve seen the western world go down in the east.“). Anschließend stolpern sie abrupt in das kurze Gitarren-Solo von Iommi namens ´Don’t Start (Too Late)´. Den Titel widmeten sie ihrem Engineer, den sie immer verärgerten, weil sie bereits spielten, ehe er bereit zur Aufnahme war.

Der wohl bekannteste Song des Werkes ist ´Symptom Of The Universe´. Das Riff dieses Heavy-Klassikers per excellence wird bereits in der Nachbetrachtung als Proto-Thrash gepriesen. Doch neben dieser Riffhärte schwingt das Lied voll im Groove … Yeah! In diesem Falle reichen jeweils Strophen („A symptom of the universe, a love that never dies.“) und ein „Yeah“ aus, um aus einem Song einen Klassiker zu machen. Zur Krönung klingt der Song in einem Jam im LED ZEP-Folk-Stil aus.

Langsam und obsessiv windet sich ´Megalomania´ beinahe zehn Minuten lang im Universum, aber alleine („Why don’t you just get out of my life now? Why doesn’t everybody leave me alone now?“). Denn gefeuerte Manager können echte Männer, die einfach nur Musik machen wollen, in diesem Moment wirklich gern haben („Suck me!“). Einfallsreich schwenkt das Quartett schließlich in der zweiten Hälfte des Songs in rock’n’rollige-proto-sleazige Bahnen und endet mit einem beinahe wie Robert jaulenden Ozzy in Outta-Space.

Im schlichten Metal-Song ´Thrill Of It All´ mit Start/Stopp-Riff singt Ozzy bereits wie auf späteren Solo-Scheiben, besonders wenn sich das Lied nach einem Break dem luftigen (Prog-) Rock zuwendet. Das bedrohliche Instrumental ´Supertzar´, mit Harfe, Mellotron und dem „English Chamber Choir“, erreicht natürlich nicht ganz ein Vorbild wie MAGMA. Selbst Ozzy wollte das Studio kehrtwendend verlassen, als der Chor im Studio aufnahm, weil er dachte, im falschen gelandet zu sein.

´Am I Going Insane (Radio)´ ist hingegen noch nie ein Radio-Edit gewesen, sondern das Wort „Radio“ beruht auf dem Reimslang „Radio Rental – mental“, und wandelt schwer auf den Pfaden der frühen PINK FLOYD. Das Finale ´The Writ´ wabert … yeah! … nochmal als freimütige Hetztirade gegen das Business im Allgemeinen und Manager im Besonderen („Are you Satan, are you man?“) und lässt die Wut real werden.

Ob heimlich geliebt oder bis heute beinahe vergessen, ´Sabotage´ ist das letzte große Meisterwerk von BLACK SABBATH aus der Ära mit Ozzy Osbourne. Tony Iommi, Ozzy Osbourne, Geezer Butler und Bill Ward schufen über den Zeitraum eines hochangespannten Jahres eine echte Sternstunde. Nach dieser Kraftanstrengung unter Dauerbelastung durch Stress, Ängste, Alkohol und Drogen sollte das Original-Line-up innerhalb der nächsten Jahren implodieren.

Die remastered „Super Deluxe Edition“ erscheint anno 2021 als 4 CD-Set und als 4 LP-Set auf 180g Vinyl plus einer Bonus-Single ´Am I Going Insane (Radio)´/´Hole In The Sky´ als japanisches Replika. Die CDs stecken alle in LP-Replika-Papphüllen, in denen die CD, einer LP nachempfunden, in einer durchsichtigen Folie steckt. Die CDs 2 und 3 enthalten Aufnahmen der Nord-Amerika-Tour 1975, insgesamt 16 Songs, wovon 13 unveröffentlicht sind. Die CD 4 ist die Bonus-Single.

Beim Vinyl erstrecken sich die Live-Aufnahmen über die Scheiben 2 bis 4. Die Bonus-Single ist als 7inch beigefügt. Die Live-Aufnahme wirkt recht ungeschönt und läuft durchgehend ohne Unterbrechung. Ozzy schreit die Songs kraftvoll heraus und auch die Instrumente sind nicht nachträglich groß aufgepeppt worden.

Zudem enthalten diese Editions ein Konzertbuch-Replika („Howard Stein presents BLACK SABBATH at Madison Square Garden New York on Wednesday 3rd December 1975“) und aus dem gleichen Jahr ein farbiges British-Tour-Poster, ein dickes Büchlein mit Liner Notes, Erzählungen der Bandmitglieder über die Geschichte des Albums, seltene Fotos und Presse-Ausschnitte aus jener Zeit, aber leider skandalöser Weise trotz solch einer Aufmachung keine Lyrics der Songs, die von Andy Pierce & Matt Wortham remastered wurden.

 

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Pic: Sam Emerson
(VÖ: 11.06.2021)