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ORODRUIN – Epicurean Mass

~ 2003/2021 (Cruz Del Sur Music) – Stil: Doom ~


Nachdem ich hier bereits davon berichtet habe, wie begeistert ich vom Live-Auftritt dieser 1998 in Rochester (New York) gegründeten Band auf dem „Hammer Of Doom XIV“ gewesen bin und bereits kurz nach diesem Festival ebenfalls hier eine Rezension des lediglich wenige Wochen zuvor herausgebrachten und bislang letzten Albums ´Ruins Of Eternity´ erschien, bleibt mir diesbezüglich nur noch nachzureichen, dass ich vom Album noch begeisterter als uns Michael war, und deshalb mindestens einen halben Punkt mehr vergeben hätte.

Obwohl seit dieser Veröffentlichung nunmehr eineinhalb Jahre vergangen sind, gibt es weder besetzungstechnisch noch musikalisch etwas Neues aus dem Hause ORODRUIN zu berichten.

Keine Nachrichten sind bei ersterem im Allgemeinen gute Nachrichten und letzteres ist angesichts der Zeitdauer, die zwischen dem Debüt ´Epicurean Mass´ und dem oben angesprochen Nachfolger verstrichen ist, nämlich ganze sechzehn Jahre, eine als moderat zu bezeichnende Zeitspanne.

Allerdings waren ORODRUIN zwischen diesen beiden Releasen aus den Jahren 2003 und 2019 nicht ganz untätig und hatten nach einer 12“-Split mit REVEREND BIZARRE im Jahr 2004, zu dem sie zwei Songs beitrugen, im gleichen Jahr auch noch eine ´Claw Tower…and Other Tales Of Terror´ betitelte Zusammenstellung alter Demosongs unter die Leute gebracht, auf der sie auch noch vier vorher unveröffentlichte Stücke spendierten. Hinzu kamen 2011 ein Demo mit drei Stücken und die 2012 von der Band digital und auf CD-R herausgebrachte EP ´In Doom´ mit vier Songs. Der Vollständigkeit halber erwähne ich auch noch den Live-Mitschnitt vom „Doom Shall Rise II“, der 2007 unter dem Titel ´The World Is A Funeral´ auf DVD erschien.

Nun also zur Überbrückung der Zeit bis zum nächsten Album, das hoffentlich nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt, eine Neuauflage des Debüts. Allerdings werden die Freunde der digitalisierten Musik keinen besonderen Nutzen in dieser Veröffentlichung sehen, gab es doch nach der Erstveröffentlichung im Jahre 2003 bereits sechs Jahre später eine weitere Veröffentlichung auf CD. Letztere erschien in Form eines limitierten Digipaks und enthielt zusätzlich die beiden Songs aus der Split-EP mit REVEREND BIZARRE. Und auch wenn beide CD-Versionen von ´Epicurean Mass´ lediglich auf dem kleinen und mittlerweile dahingeschiedenen österreichischen Label „PsycheDOOMelic Records“ (einmal darf man raten, worauf sich das Label spezialisiert hatte) erschien, so kann man beide Versionen noch für kleines Geld auf der allgemein bekannten großen Internetplattform für den An- und Verkauf von physischen Tonträgern käuflich erwerben.

Das Besondere an dieser Wiederveröffentlichung ist aber, dass das Debüt erstmalig als LP erhältlich sein wird und ich vermute, dass eine nicht geringe Anzahl von enthusiastischen Doom-Köpfen dazu verleitet werden wird, sich dieses in Insider-Kreisen bereits als Kultalbum verehrte Debüt nochmals ins Regal zu stellen. Es muss aber an dieser Stelle auch explizit erwähnt werden, dass diese Wiederveröffentlichung auch Teil einer Spendenkampagne ist, die von Tom Phillips (u.a. WHILE HEAVEN WEPT) für das englische Doom-Urgestein und SOLSTICE-Mitbegründer Rich Walker ins Leben gerufene wurde, um diesem bei den hohen Kosten einer Operation, der er sich unterziehen muss und die vom englischen Gesundheitssystem nicht bezahlt wird, unter die Arme zu greifen. Für ORODRUIN ist die Beteiligung an dieser Kampagne ein ganz besonderes Bedürfnis, war doch Rich Walker in der Vergangenheit immer ein engagierter Unterstützer der Band, der ihren Namen immer und überall fallen ließ, wo sich die Gelegenheit dafür ergab.

Für all diejenigen von euch, die erst mit der ´Ruins Of Eternity´ so richtig heiß auf ORODRUIN geworden sind und denen, so wie mir vor diesem Review, nichts weiter von dieser Band bekannt ist, stellt sich nun natürlich die Frage nach der Qualität dieser Wiederveröffentlichung…also der musikalischen, nicht die der Pressung. Die liegt mir ja noch nicht vor.

An dieser Stelle schicke ich aber erstmal eine klitzekleine Warnung vorweg, denn immerhin liegen, wie bereits oben erwähnt, sechzehn Jahre zwischen den Veröffentlichung der beiden einzigen Longplayer von ORODRUIN – und bereits nach dem ersten Durchlauf wird klar, dass man sich zum Debüt nicht nur zeitlich, sondern auch musikalisch zurückbewegt, was beileibe nicht negativ gemeint ist.

 

 

Natürlich haben ORODRUIN auch auf ihrem Debüt Doom gespielt und zwar solchen, bei dem man klar erkennt, dass diese Musikrichtung dem Schoße der Rockmusik aus den späten sechziger und siebziger Jahren entstammt. Die Verwandtschaft zu BLACK SABBATH ist selbstredend und ohne jeden Zweifel standen PENTAGRAM, SAINT VITUS, CATHEDRAL und TROUBLE Pate, oder eben auch REVEREND BIZARRE mit denen ja die bereits erwähnte 12“-Split veröffentlicht wurde. Aber auch Vergleiche mit jüngeren Verwandten wie COUNT RAVEN, LORD VICAR und FORSAKEN liegen nahe. Im Vergleich zum Folgealbum, wo alles etwas runder und melodischer dargeboten wird und das insgesamt eine deutlich epischere Ausrichtung aufweist, ist der Inhalt auf dem Debüt archaischer, direkter und konzentriert sich weitestgehend auf die wesentlichen Merkmale des klassischen Doom.

Auch die Stimme von Mike Puleo war, obschon er auch damals bereits klar gesungen hat, noch nicht so melodisch und differenziert, mit diesem leichten Anflug von Theatralik, den das epische Element nun einmal in sich trägt. Die Gitarrenriffs dringen mitunter so langsam aus den Boxen, dass einem dagegen selbst das Wachsen von Gras wie in Zeitraffer erfolgend vorkommt. Zwischendurch gelingt es aber immer wieder mal ein paar feinen Gitarrensoli durch die massiven Begrenzungen aus Schallwänden zu entweichen, die ausschließlich aus den allertiefsten Frequenzen erschaffen wurden und die den Hohlkörper bilden, in welchem sie ansonsten hineingepresst ihr einsames Dasein fristen. Zwischendurch wird aber auch gerne mal ein zusätzliches Brikett in den Kessel geworfen, wodurch das tief im Wasser liegende Schlachtschiff eine recht ordentliche Fahrt aufnimmt. Bestes Beispiel hierfür ist der Song ´Pierced By Cruel Winds´, der sich, nicht zuletzt auch durch die klare, manchmal düstere, aber zumeist traurig melancholische Stimme von Mike Puleo, im Grenzbereich zum Stoner-Doom bewegt. Die beiden Gitarren von John Gallo und Mike Tydelski liefern ein ums andere Mal, egal ob schnell oder langsam, Riffs ab, die einen wahrlich bleibenden Eindruck hinterlassen und mich verstehen lassen, warum dieses Werk einen so außerordentlichen Ruf im Doom-Underground genießt. Man höre sich einfach mal die Gitarrenparts in ´Peasants Lament´ an, wo Mike Puleo zusätzlich das Spektrum seiner Stimme auslotet, oder ´Burn The Witch´, das fröhlich zackig beginnt, um sich dann im weiteren Verlauf in ein böses, düsteres Doom-Monster zu verwandeln.

Sicherlich handelt es sich alles in allem um klassischen, puren Doom (bestes Beispiel dafür ist ´Melancholia´ – was sonst), aber das Songwriting hebt dieses Debüt dann doch aus der breiten Masse dieses Genres hervor. Puristisch minimalistische Passagen mit schleppenden Riffs wechseln sich mit groovenden Parts ab, die eins um andere Mal von kurzen knackigen Gitarreneinlagen durchbrochen werden. Mal wird sehr effektiv die Percussion eingesetzt (´Unspeakable Truth´), mal Orgelklänge (z.B. in ´The Welcome´, ´Peasants Lament´, ´War Cry´, ´Epicurean Mass´) und zum Ausklang des Albums ist sogar eine Akustikgitarre zu vernehmen.

Eine Bewertung erspare ich mir. Alle, die bis hierher gelesen haben, interessieren sich für Doom und werden sich dieses Re-Release besorgen (es sei denn, sie besitzen keinen Plattenspieler) und alle anderen eben nicht.

 

Und hier noch die Frage des Tages. Was haben ORODRUIN und AMON AMARTH gemeinsam?
Antwort: Beide Bandnamen bezeichnen auf elbisch (Sindarin) einen Vulkan in Mittelerde, der sich im Zentrum von Saurons Reich befindet. Während ORODRUIN mit „Berg des lodernden Feuers“ übersetzt werden kann, lautet die Übersetzung von AMON AMARTH „Schicksalsberg“ oder im Original „Mount Doom“.

Und noch ein Fact zum Abschluss: Das Artwork der Scheibe stammt von John Gallo. Wenn schon Künstler, dann vollumfänglich….

Drummer Mike Waske hat die Band übrigens 2018 verlassen. Im Studio sitzt seitdem Mike Puleo höchstpersönlich auf dem Schemel. Da zusätzlich zur Ausübung des Gesangs das Spielen von Bass und Schlagzeug selbst für den guten Mike des Guten zu viel wäre, verstärken sich ORODRUIN seit 2019 für ihre Live-Auftritte mit Kevin Latchaw am Schlagzeug, der dieses Instrument hauptberuflich bei den von ihm mitbegründeten Heavy-Doomern ARGUS aus Pennsylvania spielt.

Auf dem Debüt bestand das Line-Up aber aus:
John Gallo – Gitarre, Orgel
Mike Puleo – Bass / Gesang
Nick Tydelski – Gitarre
Mike Waske – Schlagzeug, Percussion

https://www.facebook.com/orodruinofficialband/


(VÖ: 28.05.2021)