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SLAVES TO FASHION – The History Of Heavy Metal

~ 2021 (Fishfarm Records) – Stil: Zeitmaschinenrock statt Fahrstuhlmusik ~


Zehn Jahre ist es mittlerweile her, seit die Norweger das Zehn-Punkte-Meisterwerk ´Artistic Differences´ mit den unvergleichbaren, alternativen Stadionrockhymnen veröffentlichten. Ein Album, das wirklich jede(r) mal gehört haben sollte.

Einem völlig anderen Projekt widmen sie sich nun nach dieser langen Pause, einer 50-jährigen Zeitreise durch den Metal von den dunklen, feierlichen Anfangstagen bis in die neuen Welten. Aufbauend auf eigenen Kompositionen, die den jeweiligen Zeitgeist originalgetreu wiedergeben, wird fast keine relevante Abzweigung ausgelassen. Im Booklet bekommen alle Songs im Übrigen zur Veranschaulichung ein adäquat passendes Coverbild.

Der Opener integriert nach dem schon verklausuliert erwähnten Beginn im weiteren Verlauf Mellotron und die tief lila gefärbte Hammond-Orgel. Stammsänger Johannes Stole macht vor allem als Ozzy eine gute Figur. Ein sehr runder, gelungener Start. ´The Priest Of Maidenhead´ ist dann bereits selbstredend erklärt. Für die Vocals bedient man sich wie im späteren Verlauf insbesondere bei den extremeren Richtungen einem Gastsänger, hier in diesem Song ist das Mads Pedersen.

 

 

Ohne viel Umschweife geht es danach zum Chorus. ´Sex, Drugs & Rock ‚N‘ Roll´ huldigt dem Glam Metal. Ein stabiler kleiner Poser-Hit, der natürlich rein aus Historientreue den Ohohoho-Chor nicht vergisst. ´Thrash Of The Titans´ reiht dann in Strophen und Bridge alle möglichen Albentitel von ´FORBIDDEN´, ´DEATH ANGEL´, ´VOIVOD´ etc. pp. und natürlich den Big Four aneinander und garniert das Ganze mit einem gelungenen melodischen Refrain. Historisch korrekt darf zudem das obligatorische Uh! nicht fehlen.

Eine Abkehr vom bisherigen Song-Konzept ereilt uns in ´Expression Of Extremity´, das eher als Medley zu sehen ist und zunächst etwas zusammenhanglos von Speed Metal in Epic Doom übergeht. Gelungener ist dann zunächst die Hinzunahme der extremeren Vocals quasi zum „toten“ Doom, der dann in klassischen Death Metal übergeht. Augenzwinkernd ist die zehnsekündige (sinnbildlich für Songlängen und Relevanz der Stilrichtung) Grindcore Überleitung zum abschließenden Unterkapitel ´Black Knights Of Northern Darkness´.

Im nächsten Sound befreit sich Alice aus dem ´Garden Of Chains´, eine Spielart, mit der die Modesklaven sowieso gut zurechtkommen und bei der ich aufgrund der Klasse auch unterschwellig eine king’sxige Atmosphäre vernehme. Der 13-minütige Longtrack ´The Evergrowing Tree´ ist dann dreigeteilt. Part I widmet sich dem Prog Metal, Part II diversen alternativen Sounds von PANTERA an durch die ganzen 90er, während Part III von einem richtig negativ eingestellten Typ eingeleitet wird und sich im Verlauf dann auf extremeren Bodenbelag austoben darf. Das geht ziemlich wild durcheinander und ich bin gerade etwas unsicher ob uns die Zeitmaschine hier noch korrekt abgesetzt hat.

Jetzt streifen wir aber unser Hamsterfell über und fällen zur Feier des Tages einen Drachenbaum. Unsere Axt hat dazu die ´Power Of Metal´, auch wenn sie nur eine europäische Schmalspurversion ist und keine aus feinstem, hochwertigen US Stahl geprägte. Dafür ist es nun ja auch zu spät, irgendwie hatte unsere Zeitmaschine da doch in der ersten Halbzeit einen Aussetzer. Vielleicht hat man aber auch bewusst aus Respekt die elementarste aller Metalrichtungen ausgelassen, wer weiß. An dieser Stelle jedenfalls wird die Geschichtsschreibung mit einem erneuten Ohohoho-Chor wahrheitsgetreu vorgenommen.

 

 

Zum Abschluss gibt es eine Flasche ´NU Wine´, der natürlich kein Gran Reserva sein kann, nichtsdestotrotz aber einen runden Körper mit wohlbekannten Farbtönen besitzt. In ´Too Close (To See Clearly)´ wird nochmals alles mögliche aus den letzten 20 Jahren gemixt, von Härtner-Sounds, Opera-Metal a la NIGHTWISH bis zu Folkweisen und wieder zurück.

Als Fazit kann man festhalten, dass es fast schon sensationell ist, wie es einem Songwriter gelingt, dem Gitarristen Torfinn Sirnes, solch einen Querschnitt jeweils weitgehend homogen und in höchster kompositorischer Qualität abzuliefern, auch wenn einige Zitatdellen richtig tief sitzen, was aber natürlich völlig beabsichtigt ist und das Konzept für jeden nachvollziehbar macht. Am Ende wird natürlich jeder Fan einer einzelnen Stilrichtung wahrscheinlich die besten Songs seiner Bands weiterhin vorziehen, aber um mal einen gesamtheitlichen History-Abend einzulegen ist das Album durchaus eine Empfehlung. Denn was wollt ihr tun, wenn uns demnächst zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts die Aliens präsentiert werden und es abends am Fenster klopft? So könnt ihr vorführen, was in den letzten 50 Jahren in der Welt wirklich relevant war.

Ich persönlich, um den Kreis zu schließen, hoffe nun darauf, dass sich SLAVES TO FASHION mit neu gewonnener Kraft nochmals einem „echten“ eigenen Album widmen. Die letzten Tage habe ich ´Artistic Differences´ mal wieder ein paar mal gehört und bin noch genauso begeistert wie damals. Auch dieses Album bekommt ihr weiterhin auf der Homepage der Band.

https://www.slavestofashion.net/

https://slavestofashion.bandcamp.com/


Pics: Stones Photography