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TIMELESS HAUNT – Dark For Life

~ 2021 (Stormspell Records) – Stil: Haunting US Metal ~


8.3.2021

 

Allmächtiger! Da ist man im schlimmsten WITHERFALL-Fieber und kriegt gerade mal so am Rande mit, dass TIMELESS HAUNT am gleichen Tag für die ähnliche Zielgruppe ihr „Most Wanted“-Debüt nach der bombenstarken EP von 2019 nachgelegt haben. Was erlaube Talentscouts und fehlende Presseankündigungen? Flasche ungeöffnet diesmal. Naja, dafür habt ihr ja uns. Oder eben im Klartext den Unknown Vocalist (na was wohl?), Tommy (The Electric) Eye (alles 6-saitige), George Dimitri (alles 4-saitige), John Jesuele (FORGOTTEN LEGACY, BEYOND FALLEN – wer Geheimnisse lüften will, liest genauer nach) an der Schiessbude und Don (The Wizard of) Fortune, der für die besonderen Momente an den Tasten sorgt.

Wem unsere Monatsherrlichkeit zu stürmisch, perfekt und verfrickelt war, der lässt sich nun einfach fallen in die sicheren Arme der Glückseligkeit des US Metal. War die grandiose EP ´Haunted Symphony´ für einige scheinbar noch etwas zu verschachtelt, wahnsinnig oder modern, so wurde diesmal die Essenz der Songs feiner herausgezaubert. Es sind einfach die geschaffenen Atmosphären, die dich heimsuchen, verzücken und diese Band aus der Masse der momentanen Metalbands heraushebt. Mystische Stimmungen, die früher CRIMSON GLORY, EXXPLORER, JAG PANZER, QUEENSRYCHE, SAVATAGE oder WARLORD kreiert haben und den Metal aus Übersee mehr als heavy machen. Doch TIMELESS HAUNT versuchen zu keiner Zeit das Unmögliche, irgendeiner dieser Ausnahmebands nachzueifern, sondern hinterlassen ihren eigenen Fußabdruck im Antlitz des erfreuten Fans harter Klänge.

´Embrace The Haunt´ führt bereits zum Freudentaumel bei Fans, die schon Anfang der 80er dem betörenden Ruf der ´Sirens´ aus den ´Dungeons´ der ´City Beneath The Surface´ willenlos gefolgt sind. Ebenso der Titelsong ´Dark For Life´, der bei mir besonders mit seinen ruhigen Parts eine morbide Gänsehaut hervorruft, wie es unsere EDEN WEINT IM GRAB meisterlich beherrschen, bevor er zu einem metallischen Hammer eskaliert. Genau diese Dynamik zwischen getragenen Atmosphären zu herrlichstem US Metal sind die besonderen Stärken von TIMELESS HAUNT.

Das sich anfangs unschuldig einschmeichelnde, doch herrlich-verdorbene ´Sinful Girl´ holt nicht nur gesanglich gesanglich den Tyrant auf die Bildfläche, sondern lässt auch den JAG PANZER rollen. Da hilft keine ´Warning´, das anschließende ´Pain´ ruft einem ins Gedächtnis zurück, warum QUEENSRYCHE anfangs und danach CRIMSON GLORY die Meister der geheimnisvollen Akustik-Atmosphären waren. Schluss mit lustig, es geht auch anders, wenn ´526´ mich an einer unheimlichen ´HALLOWS EVE´-Nacht den Rifftanz vollführen lässt.

Nach dem durch seinen fast episch-beschwörenden Spannungsaufbau fesselnden ´Not For You´ bin ich hochzufrieden und beende das Album an dieser Stelle in Zukunft, denn mit der Chris Isaak Coverversion ´Wicked Game´ haben TIMELESS HAUNT sich vielleicht, aber nicht ihren Fans einen Gefallen gemacht, zu nahe am Original (welches an sich schon für mich in keinster Weise zum dem überragenden eigenen Material passt) und damit zu kraftlos plätschert der Song an mir vorbei. Da hatte unsere Heulboje HIM damals schon alles und auch mehr dazu gesagt – er machte die Nummer zum ureigenen Song, hier funktioniert das im Gesamtkontext leider nicht. Naja, seht‘s als einen Kino-Abspann, der zwar nichts mit dem Film gemein hat, aber nach einem aufregenden Hörerlebnis eine entspannende Funktion übernimmt.

Also bleiben sechs phänomenale Songs plus Intro zum Schwelgen in kraftvollen Sphären einer Band, die mich seit letztem Wochenende schon im Schlaf heimsucht, es momentan als Einzige schafft, die Dauerrotation von WITHERFALL zu unterbrechen und von der ich in Zukunft noch einiges erwarte.

(ebenso wertvoll wie die EP)

Less Leßmeister

 

 

 

 

 

16.3.2021

 

TIMELESS HAUNT lieben es kurz und knapp. Erst veröffentlichen sie 2019 eine achtundzwanzigminütige EP namens ´Haunted Symphony´, dann soll es zwei Jahre später ein Album sein, das allein durch ein Intro plus eine Coverversion zum Outro eine einundvierzigminütige Jungfern-Debütreise bewerkstelligt.

TIMELESS HAUNT lieben es dabei immer noch sinfonisch, beinahe so prog-metallisch wie weiland SHADOW GALLERY. Sie lieben es, ihren Groove orientierten Heavy Metal, denke an METAL CHURCH und ARMORED SAINT, in ein nostalgisches Gewand zu kleiden, denke an die gute alte Zeit und es fließen die Freudentränen wie bei SAVATAGE.

TIMELESS HAUNT lieben das Geheimnisvolle und ziehen sich die Masken wie anno dazumal CRIMSON GLORY über das Gesicht, zumindest Sänger „Unknown Vocalist“ spielt den geheimnisvollen Maskenträger, der, wie sein Name bereits andeutet, unerkannt bleiben will. Und obgleich sich TIMELESS HAUNT aus fünf erfahrenen Musikveteranen der Szene Pennsylvanias zusammensetzen sollen, ist nur Schlagzeuger John Jesuele von FORGOTTEN LEGACY und BEYOND FALLEN international bekannt.

Soviel ist sicher: TIMELESS HAUNT sind weder so brillant wie SAVATAGE noch so kitschig wie TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. TIMELESS HAUNT sind weder so überirdisch wie PSYCHOTIC WALTZ noch so gesetzeslos wie ICED EARTH. TIMELESS HAUNT sind weder so neo-klassisch kraftvoll wie SYMPHONY X noch rufen sie derart göttlich zum Wochengang wie METAL CHURCH auf. Trotz bisheriger Anklänge an ALICE IN CHAINS und QUEENSRYCHE versuchen TIMELESS HAUNT ihr eigenes Glück und reihen sich in die Zeitschiene von METAL CHURCH zu BIG HEAT und STYGMA IV, zu aktuellen Vertretern wie JACOBS MOOR und VANISH ein.

Zum Donnerschlag steigt der Geist des Intros ´Geisterton´ im Fahrstuhl aus der Flasche. Erklingt das Klavier zu den prägnanten Riffs im umgehend einsteigenden ´Embrace The Haunt´, liegt erst der Anhänger von SHADOW GALLERY und sogleich der von SAVATAGE dem Quintett zu Füßen. Die Power-Akkorde riffen sich in das Kleinhirn, doch das Klavier macht den Gewinn aus. Der Glockenschlag ertönt abermals und der „Unknown Vocalist“ zeigt seine gefühlvollste Gesangsweise im Sinne der späten Achtziger-/frühen Neunzigerjahre, ehe er lachend das Rhythmusfeuer wieder zum Leben erweckt und sich Tommy „The Electric“ Eye an den Sechssaiten ergötzen kann. John Jesueles Schlagzeugspiel eröffnet sodann ´Dark For Life´, das aufgrund leicht wehender Klänge ein Versinken einfordert, aber in bekannter Rhythmus-Steigerung zum sinfonisch geschwängerten Höhepunkt gelangt. Gleichermaßen führt ´Sinful Girl´ diesen Schaukampf fort. Hier fasziniert zuerst das Klavier zum elegischen Gitarrenspiel, doch das Lied schwillt zu einer Power-Nummer mit High-Pitched-Voice und Shout-Gesang an.

Obwohl TIMELESS HAUNT in einem Song nie durchgehend an einer anderen Formation dingfest gemacht werden können, blitzen minütlich Parallelen auf. Ganz gefährliches Glatteis ist die Komposition ´Pain´, die zur Akustikgitarre in Sphären abtauchen will, die CRIMSON GLORY zustehen. Im Sinne des Classic Rock dürfen die Tastenklänge die nächste Machtübernahme des Power Metal im Namen von ´526´ unterstützen, mit wildem Schlagzeug und wildem Solieren im Mittelteil. Die frenetische Verfolgung endet schließlich vorzeitig im dunklen Ausgang ´Not For Me´, eine rhythmische Komposition für Liebhaber von VENI DOMINE.

Der wonnige Schmachtfetzen des Westens, ´Wicked Game´, führt als mildes Schlussstück in das Jahr 1990 zurück, als das Chris Isaak-Stück erst ein Jahr nach seiner Single-Veröffentlichung in David Lynchs „Wild at Heart“, in dem Laura Dern vor dem Gefängnis Nicolas Cage die Schlangenlederjacke überreicht, neue Weiten erklimmt und die Massen betört. Wahrhaftig genauso teuflisch verführerisch nach Art von TIMELESS HAUNT.

(8,25 Punkte)

Michael Haifl
 

www.timelesshaunt.com

www.facebook.com/timelesshaunt

timelesshaunt.bandcamp.com