PlattenkritikenPressfrisch

BAND OF SPICE – By The Corner Of Tomorrow

~ 2021 (Scarlet Records) – Stil: Rock ~


Mal ehrlich, was erwartet man von einer Band, bei der auf ihrem Promo-Foto der Schlagzeuger mit einem Shirt von RUSH bekleidet ist, der Sänger eines mit dem Konterfei von Charles Bukowski samt dazu passendem Spruch von diesem trägt und der dritte im Bunde so angezogen ist, als wäre er gerade im Begriff, direkt hinter Fidel und Che die Granma zu verlassen? Genau, ein mit feinen Gewürzen abgestimmtes (musikalisches) Menü, das rundherum mundet.

Kein Wunder also, dass der schwedische Küchenmeister Christian Sjöstrand, passenderweise auch „Spice“ genannt, diese Platte wie folgt beschreibt: “Ich hatte BLACK SABBATHs ´Heaven and Hell´ und Ozzy Osbournes ´Blizzard Of Ozz´ als Referenz für den Sound dieser Platte – gefiltert durch meine persönliche Note“.
Nun ja, ganz so weit würde ich nun doch nicht gehen, um den Sound der vorliegenden Scheibe zu beschreiben, aber wer sich auch nur ein ganz klein wenig in der Welt des Stoner Rock auskennt, für den ist „Spice“ und sein Sound keine unbekannte Größe. Seine Karriere begann bereits 1988 bei der Band AEON, die es aber lediglich auf drei Demos brachte und schnell wieder in der Versenkung verschwand. Richtig durchgestartet ist er dann aber mit den legendären SPIRITUAL BEGGARS, die er 1992 zusammen mit Michael Amott (ARCH ENEMY, CANDLEMASS, CARCASS, CARNAGE etc.) gründete, aber bereits 2001 auch wieder, dem Vernehmen nach in nicht ganz so tiefer Freundschaft, verließ. Nach einem gar nicht mal so kurzen Intermezzo bei der THE MUSHROOM RIVER BAND, immerhin von 1997 bis 2002 und damit fast die gesamte Lebensdauerdauer der Band lang, gründete er 2010 die BAND OF SPICE. Der Name mag zwar nicht sehr fantasievoll sein, trifft aber den Nagel auf den Kopf, denn wo „Spice“ drauf steht, ist auch „Spice“ drin. Schließlich hat er auch auf der aktuellen Scheibe alle Texte geschrieben und mit Ausnahme von ´Midnight Blood´, zu dessen Musik alle Bandmitglieder beigetragen haben, auch alle Songs komponiert.

Aber halt! Ganz so einfach ist es nun doch nicht, denn schließlich gab es bereits vorher die Band SPICE AND THE RJ BAND, die als direkter Vorläufer von der BAND OF SPICE angesehen werden kann. Und wenn wir uns schon mit der Genealogie der Bands von „Spice“ aufhalten, dann soll nicht verschwiegen werden, dass er 2004 und 2016 die Thrash Metal Kapellen KAYSER und MY REGIME mit aus der Taufe gehoben hat, bei denen er immer noch aktiv ist und mit denen er regelmäßig Alben herausbringt.  Ein echter Tausendsassa dieser „Spice“. („Spice“ erwähnte allerdings kürzlich nebenbei in einem Interview, dass man von KAYSER keine Musik mehr erwarten solle, womit er wohl zart deren Dahinscheiden angedeutet hat.)

Nun aber zurück zur BAND OF SPICE, die, wie wir jetzt wissen, eigentlich bereits 2007 in Värnamo als SPICE AND THE RJ BAND gegründet wurde, wobei RJ für die Initialen der Vornamen des Schlagzeugers Robert Hansson und des Bassisten Johann (der Nachname ist mir unbekannt) stammen. Nach Hinzunahme von Anders Linusson als zweiten Gitarristen hätte man zwar locker das RJ durch beispielsweise ein RJA ersetzen können, aber das war dann „Spice“ wohl doch etwas zu viel des Guten und er benannte dann die Band „par ordre du mufti“ in BAND OF SPICE um. Da weiß man ja auch gleich zweifelsfrei, wer der Chef ist. Übrigens spielte Robert Hansson bereits vorher mit „Spice“ bei der THE MUSHROOM RIVER BAND und ist unter dem Pseudonym Bob Ruben auch bei den anderen beiden Bands von „Spice“ KAYSER und MY REGIME aktiv. Da verwundert es nicht, dass Robert (oder Bob) neben „Spice“ die einzige Konstante in der mittlerweile (seit ihrer dritten Scheibe ´Shadows Remain´) zu einem Trio zusammengeschrumpften Kombo ist, zu der neben diesen beiden aktuell noch Basser Alexander Sekulovski zählt, der Eingeweihten bereits von der THE MUSHROOM RIVER BAND bekannt sein dürfte. „Spice“ verfügt eben über eine große (Musiker-)Familie aus der er schöpfen kann.

Die bunte Mischung aus Psychedelic, Stoner und (Retro-)Rock, die BAND OF SPICE spielt, spiegelt sich auch auf den Cover wieder, bei denen sich die der letzten beiden Alben in ihrer Bildkomposition sehr ähneln und voller Symbolik stecken. Diese Ähnlichkeit ist nicht weiter verwunderlich, da beide Arbeiten vom in Mailand ansässigen Luca „Solo Macello“ Martinotti stammen, der bereits eine Reihe von Bands mit seinen Artworks glücklich gemacht hat (siehe hier). Das zentral angeordneten Gesicht erinnert mich dabei stark an Sean Connery in seiner Verkörperung von Zed im Sci-Fi-Klassiker ZARDOZ aus dem Jahr 1974, in welchem die Welt in einer fernen Zukunft nur noch von den „Brutals“ und den „Eternals“ bevölkert wird. Vielleicht sind wir gar nicht mehr so weit davon entfernt. Auch die abgebildete Spirale weckt bei mir starke Assoziationen zur Serie „The Time Tunnel“ aus den 60ern, aber wahrscheinlich geht das alles zu weit…

Allerdings muss „Spice“ bei seiner musikalischen Einordnung der neuen Scheibe insofern recht gegeben werden, als sie nur noch sehr akzentuiert Elemente aus dem Psychedelic und Stoner Rock einsetzt.  So richtig psychedelisch wird es eigentlich nur beim ansonsten recht zackigen und riffgetriebenen ´Midnight Blood´, dessen Mittelteil mit einem Part überrascht, der irgendwo zwischen dem entsprechenden von ´Whole Lotta Love ´ und denen aus ´Alan’s Psychedelic Breakfast´ von PINK FLOYDs ´Atom Heart Mother´ anzusiedeln ist. Aus diesem Grunde habe ich diese Scheibe auch oben schlicht dem Genre „Rock“ zugeordnet, obwohl das die Musik der BAND OF SPICE, die die gesamte Bandbreite zwischen Hippiesounds à la THE MAMAS AND THE PAPAS und Iommischen Riffs einnimmt, natürlich nur unzureichend beschreibt.

 

 

Was für Kenner der Stimme von „Spice“ wenig überraschend sein wird ist, dass dieses unverwechselbare, rau und kratzig, um nicht zu sagen knarzig, klingende Organ die Songs natürlich dominiert. Allerdings kann man ihm nicht vorwerfen, eintönig zu agieren. Zwar beginnt das Album mit ´The Fading Spot´ so wie man es von „Spice“ und der Band erwartet, aber im weiteren Verlauf zeigt sich, dass er auch anders kann. Aber selbst der Opener bietet bereits eine Kostprobe dafür, denn nach einem fulminanten Beginn mit einem alles dominierenden Riff und der dann einsetzenden markanten Stimme von „Spice“, bietet der ruhig gehaltene Mittelteil sehr viel Gefühl, bevor ein Gitarrensolo das Ende des Stückes einleitet. Besser als mit diesem gelungenen Einstand, der als Inhaltsangabe für die nächsten Stücke herangezogen werden kann, ist die Musik auf diesem Album kaum zu beschreiben. Bereits der Titel des neuen Albums verdeutlicht den Grundton, oder besser das Leitmotiv der Scheibe und soll vermutlich deutlich machen, dass die Welt heutzutage an einem Scheideweg steht. Eine Textzeile wie „I have no intention to speak, cause I have no urge to lie“, die im Deutschen sehr schön mit „Wenn man keine Ahnung hat…einfach mal Klappe halten!“ übersetzt werden kann, richtet sich sicherlich nicht nur an die Politiker unserer Zeit, sondern vor allem an all die anonymen Hassprediger, die heutzutage die sozialen Medien überfluten. Ein Motiv, das im Stück ´Midnight Blood´ mit den Textzeilen „Let all the haters know, they will never bring us down“ wieder aufgegriffen wird.

Auch das aggressiv fiese ´Call Out Your Name´, bei dem der sehr deutlich vernehmbare knackige Bass das Bindeglied zwischen den sich miteinander duellierenden Schlagzeug und der Gitarre bildet, wartet mit einigen Tempowechseln auf. Den Kontrast zu diesen beiden eröffnenden Stücken bildet dann das kurze instrumentale ´Tehom´. Das Wort findet sich im Alten Testament wieder und bedeutet auf Hebräisch wörtlich die Tiefe oder der Abgrund, versinnbildlicht aber die große Tiefe des Urwassers der Schöpfung. Dementsprechend entfaltet es mit beschwörenden Gitarrenläufen eine hypnotische Wirkung, aus der man am Ende des Stückes brutal herausgeholt wird, damit man sich dann voll und ganz ´The Sharp Edge´ widmen kann, welches den Zuhörer gleich zu Beginn mit rockigen und zackig nach vorne treibenden Riffs über die scharfe Kante einer Klinge marschieren lässt. Kostprobe gefällig?

The man in the mirror
Dead to the bone
Down by the river
It is the end of the road

Aber auch ´The Sharp Edge´ bietet wieder überraschende Wendungen. In diesem Fall handelt sich um eine in dem Song eingebettete ruhige Bridge, in der die Percussion dem Song einen santanaesquen Grundrhythmus hinzufügt, bevor dieser dann von der Grundstruktur des Songs wieder einverleibt wird.

Und dann? Ja genau, wieder Abwechslung. Das Titelstück ist ein ruhiger und gefühlvoll gespielter Song, der im Vergleich zu seinem Vorgänger zwar etwas eindimensional daherkommt, was aber in diesem Fall genau richtig ist. Der Zuhörer erhält hier nämlich die Gelegenheit, seine Emotionen neu zu kalibrieren, etwas herunterzufahren und sich auf die verbleibenden Songs vorzubereiten. Zum Beispiel gleich als nächstes auf das groovend rockige ´Midnight Blood´ mit dem überraschenden, mir aber etwas zu lang geratenem, psychedelischen Zwischenspiel, auf das ich ja bereits weiter oben eingegangen bin. Das Stück endet übrigens mit dem Bukowski zugeschriebenen (aber unbestätigten) Zitat „Find what you love, and let it kill you“, das auf dem ebenfalls bereits erwähnten Shirt von „Spice“ prangt.

Somit sind wir auch schon bei ´Regulatina´ angekommen, welches melancholisch getragen eröffnet und sogleich mit einem zackigen, gleichzeitig aber auch dunkel und bedrohlich wirkenden Gitarrenriff weitergeführt wird. Die so heraufbeschworene düstere Stimmung wird aber mal wieder im Mittelteil durch sehr melodiös eingesetzte Gitarren abgefangen, bevor sich das Stück im Anschluss daran wieder seinem doomigen Hauptthema widmet. Das sich daran anschließende unspektakulär rockende ´Cold Flames´ hat einen wirklich netten Mitwipprhythmus und eignet sich perfekt als Begleitmusik für den Sonntags-Nachmittags-Tee. Ganz anders verhält es sich mit dem die Scheibe abschließenden ´Rewind The Winds´, welches nochmal einen Glanzpunkt setzt. In diesem Stück bettet „Spice“ seine Stimme gefühlvoll in träumerisch luftige und filigran gewobene Melodien ein, welche die Gedanken und Gefühle des Zuhörers durch ungenutzte Areale seines Gehirns mäandern lässt.

Fazit: Mit ´By The Corner Of Tomorrow´ liefert eine gereifte BAND OF SPICE ein sehr abwechslungsreiches Werk, welches tight gespielte und riffbetonte, aber auch melodisch verspielte Inhalte aufweist, in welchen „Spice“ sehr effektiv seine Stimme einzusetzen weiß. Nicht nur als alter Fan von „Spice“ und allem was er bisher gemacht hat, vergebe ich somit voller Freude

8 Punkte.

 

 

Das wie die beiden Vorgänger ebenfalls bei „Scarlet Records“ erscheinende Album wird es natürlich auf CD, aber auch in einer auf 300 Exemplare (davon 200 in Schwarz und 100 in transparentem Rot) limitierten Vinylauflage geben.

BAND OF SPICE sind:
Christian „Spice“ Sjöstrand – Gesang und Gitarre
Alexander Sekulovski – Bass
Robert Hansson aka Bob Ruben – Schlagzeug

 

https://www.facebook.com/BANDofSPICE

https://scarletrecords.it/product/band-of-spice-by-the-corner-of-tomorrow


(VÖ: 26.03.2021)