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SIMULACRUM – Genesis

~ 2021 (Frontiers Music s.r.l.) – Stil: Progressive Metal ~


Am Anfang war… tja, was war denn nun das Ei des Huhns? Spielt auch keine Rolle, 1985 wurde nicht nur mein inneres Spektrum durch eine „fortschrittliche“ Metalscheibe erweitert bzw. komplett auf den Kopf gestellt. Spätestens 1989 vereinten sich Tag und nie gewagter Traum und seither sind FATES WARNING und DREAM THEATER meine Teleskopschienen einer mittlerweile stark ausgeleierten Progressivschublade, die sich über die Jahre mit mehr oder weniger nie zuvor gehörten, unterschiedlichsten Schätzen von ADRAMELCH über LANFEAR oder IVANHOE bis hin zu SYMPHONY X füllte – um nur einige Wenige zu nennen, die für meinen kleinen Gedankengang hier eine Rolle spielen.

Ein gescheites, kraftvolles Progmetalalbum muss manchmal einfach von Beginn an wie ein donnernder Sturm über dich hinwegziehen, dich ein wenig einschüchtern, eine gewisse Nervosität verursachen und dich dann mitreißen mit einem oder gar zwei Sängern, die dir gekonnt die Hörmuscheln abreißen. Strike, SIMULACRUM.

Von Anfang an sind hier alle Trademarks auszumachen, die man mittlerweile kennt, liebt und nicht missen möchte, doch zu breakdurchsetzten Stakkato-und Doublebassgewittern mit virtuosen Key-und Stringniederschlägen fügen die seit rund zwanzig Jahren aktiven Finnen besonders in der zweiten Hälfte des Albums noch ihre ureigenen „Specials“ dazu. Das beginnt schon mit Olli Hakalas immer wieder auffälligen Bassspiel. Als einer der wenigen mir bekannten Metaller packt er den Chapman Stick aus und kann ihn dazu noch bedienen. Neben seinem Gründungsteam Nicholas “Solomon” Pulkkinen (Gitarre) und Christian “Chrism” Pulkkinen (Keyboards) finden sich auf dem dritten Longplayer Petri Mäkilä (Gitarre), Tatu Turunen (Schlagzeug) und das dynamische Sängerduo Niklas Broman und neuerdings Erik Kraemer.

 

 

´Like You, Like Me´ verlässt bereits an Startposition 4 mit seinem wunderbaren Aufbau die allseits bekannten Strukturen, bevor auf Platz 6 das titelgebende Kernstück des Werkes ´Genesis´ – bestehend aus doppelt so vielen Parts als das ´Home By The Sea´ der britischen Legende aus der Progrock-Schöpfungsgeschichte – andere Sphären auslotet. Der anspruchsvolle, Zeit- und Aufmerksamkeit beanspruchende Neunminüter ´Part 1 – The Celestial Architect´ wartet im entspannten Chillout-Zwischenpart mit jazzigem Helge Schneider-Xylophonsolo (!) auf, die total irre, instrumentale Vollbedienung von Flitzefingern, Stöcken, Tasten, Plektren als auch geschmeidigen Soundteppichen fährt ´Part 2 – Evolution Of Man´ ab, welches der Einfachheit halber auch „The Evolution Of Progrock & Metal“ hätte heißen können.

Das Klavier leitet über zu ´Part 3 – The Human Equation´ (nix da, kleiner Arjen Anthony, du bleibst heute mal zu Hause) und hierbei zeigt sich die Klasse des Gesangs zweier Stimmen in der phänomenalen Verschmelzung von SHADOW GALLERY und CROSBY, STILLS & NASH, sodass ich gerade noch einmal voller Wehmut in Erinnerungen an meine letztjährigen Überflieger LORD OF LIGHT schwelge. Sensationell! Das Piano verklingt, alle sind selig und wir kommen zum Grande Finale: ´Part 4 – End Of Entropy´ (nein, PAIN OF SALVATION – ihr dürft natürlich weitermachen). Elfeinhalb Minuten multiple Progressiv-O(h)rgasmen. Ohne Worte – fast ohne Gleichen.

Wer immer noch gerne sein „X“ auf dem Wahlschein bei Symphonien macht, die nicht nur abartige Musikalität, Emotionen und Melodien – sondern auch Tagträume vereinen, der braucht keinen Wahlomat.

Habe fertig. Abputzen. Und abermals gilt: Kiitos Suomi!

 

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