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EYEHATEGOD – A History Of Nomadic Behavior

~ 2021 (Century Media Records) – Stil: Sludge/Hardcore ~


Symbiose in Sludge. EYEHATEGOD und „Century Media Records“. Eine, auf ihre eigentümlich elitäre Art, Erfolgsgeschichte für sich. Kein Wunder, EYEHATEGOD sind keine Copycats, musikalisch alleinstehend – sie vereinen den Swing und Swagger der US-Südstaaten mit der Brutalität des 1980er-Hardcores. War man beim ersten Comeback 2014 noch fremd gegangen und bei Phil Anselmos „Housecore Records“ untergekommen, ist es fürs wütendere zweite Comeback mit ´A History Of Nomadic Behavior´ wieder Zeit für alte Liebe und bewährte Vertriebswege. „Mit „Century Media“. Da, wo alles begann.

 

Second Coming, again

Zweite Wiederauferstehung deshalb, weil ´A History Of Nomadic Behavior´ das wiederum erste Album der Band seit sieben Jahren ist. Es fällt in eine weltweit tragisch einende Pandemie-Phase, in der übellaunig Feedback-durchzogener Sludge-Hardcore, kurz: vertonter Nihilismus, wohl noch wohltuender wirkt als ohnehin. EYEHATEGOD enttäuschen nicht. Gitarrist Jimmy Bower, der noch ein weiteres Künstlerleben mit jenem Anselmo als DOWN hat, sowie Sänger Mike IX Williams, der gerade eine neue Leber erhalten hat, stehen seit Gründung 1988 für gallig-giftige, schmallippige Soundtracks zum Untergang. Auch Album Nummer sechs behandelt traurige Themen wie Arbeitslosigkeit, Depression und Neid, Kernkriterien kranker Gesellschaften – und ist der Soundtrack der so genannten alten Welt im Wandel und Umbruch.

 

„Die Sitte ist nur Schein des Sittlichen und Zeichen vom Zerfall“ (Lao-Tse)

Dass unseren sozio-kulturellen Verfall seit den frühen 1990ern niemand so treffend auf den Punkt bringt wie EYEHATEGOD mit ihren fiebrig-fiesen Ausrufezeichen ´In The Name Of Suffering´ (1990), ´Take As Needed For Pain´ (1993) und ´Dopesick´ (1996), das ist bekannt. Dass diese vom Leben allgemein und Alkoholmissbrauch insbesondere mehr als Gezeichneten echt nochmals ein „bold Statement“ setzen, das überrascht allerdings.

Und nichts anderes als beachtenswert ist ´A History Of Nomadic Behavior´. 2014 zum Quartett geschrumpft, was das damals selbstbetitelte Comeback ´EyeHateGod´ trockener und kompakter als die Vorwerke klingen ließ, arbeiten sich EYEHATEGOD aktuell genauso fokussiert durch ihre schon vor Jahrzehnten selbst etablierten Hardcore- und Sludge-Muster. Auch bei den Variationen 2021 sind die früher so berüchtigten Feedback-Schleifen geringer geworden – gleich gut blieben die Riffs. Es groovt, geifert und grient aus den Lautsprechern. Die Akkorde sitzen. Gnadenlos wie gemein. Dazu gibt’s feinere Lines, getränkt in der schwülen Blues-Tradition des Südens. Amps speak louder than words.

Auch ein nicht mehr saufender, nur noch bisweilen kiffender Mike IX Williams hat nichts an Biss und Brutalität verloren; er keift und kollert wie ein angeschossener Straßenköter mit seit Tagen eiternden Wunden in der Flanke. No rest for the wicked and wounded.

Im Gesamteindruck: Wie LYNYRD SKYNYRD nach einer einwöchigen Sauf- und Rauftour ohne viel Schlaf; ungestüm, ungeduscht und unglücklich morgens um vier mit CROWBAR und BLACK FLAG in einem dreckigen Hostelbett, um doch noch was Körperliches zu erleben …

Produziert haben ´A History Of Nomadic Behavior´ alte Bekannte der Band: Sanford Parker (YOB, VOIVOD) und James Whitten (THOU, HIGH ON FIRE).

(8 Punkte)


(VÖ: 12.03.2021)