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BLACKMORE’S NIGHT – Nature’s Light

~ 2021 (earMUSIC/Edel) – Stil: Renaissance/Medieval Rock ~


Entschuldigt. Verzeihet vielmals, darf ich Euch stören, Euch zum elften Male in die Welt von BLACKMORE’S NIGHT, in die mittelalterlichen und von der Renaissance erfüllten Klänge von Candice Night und Ritchie Blackmore entführen?

Fühlst Du Dich gerädert? Dann hast Du Schwein gehabt. BLACKMORE’S NIGHT tragen die Sonne in Herz und Seele. Sie machen nicht Feuer unter dem Allerwertesten, sondern entzünden eines fürs Leben. Es ist eine höfische Musik, die in alle Landstriche hinausgetragen werden muss.

Wir sitzen mit Candice und Ritchie am heimischen Kamin, Wein und Met fließen in Strömen, das Feuer knistert und das traditionelle, italienische Lied ´Once Upon December´, ursprünglich ´Fuggi, Fuggi, Fuggi´, wird von Candice vorgetragen. Kennengelernt hatten es BLACKMORE’S NIGHT durch den Minnesänger Owain Phyfe (NEW WORLD RENAISSANCE BAND). Die Eine hat das Tamburin in der Hand, der Andere die Akustikgitarre. Die Nacht wird lang.

Am nächsten Morgen fangen alle recht früh bereits an zu tanzen, selbst die noch nicht zwitschernden Vögel, als das ebenso traditionelle ´Going To The Faire´ von Tielman Susato aus dem 16. Jahrhundert im Hof des Schlosses von Candice und Ritchie erschallt. Die Natur weht durch jeden Ton und die Kinder von Candice und Ritchie, Autumn und Rory, singen sogar am Ende mit, wenn das ganze Volk im Schlosshof lebhaft mittanzt.

Obendrein haben BLACKMORE’S NIGHT natürlich viele Eigenkompositionen in ihrem Repertoire und für Heute vorbereitet – verraten sie uns auf einem ausgedehnten Morgenspaziergang. ´Feather In The Wind´ etwa entstand auf der Mandola. Ritchie stimmt dabei diese Olé-Melodie an und Candice singt von den liebsten Menschen, die sie in den vergangenen Jahren verloren hat und deren Seele an den verschiedensten Orten verblüffender Weise Federn in ihr Leben pusten. Sind es die „Ahahahaaaa“-Gesänge oder die aufblühende Geige, dass hierbei an CITYs ´Am Fenster´ gedacht werden muss? Seelen und Melodien wandern schließlich.

Zupft der Lautenspieler an seinen Saiten und erschallt ´The Twisted Oak´, werden die Erinnerungen an Bonnie und ´Lost In France´ wach. Die Grundmelodie entstammt jedoch einem Spieler von DES GEYERS SCHWARZER HAUFEN und lässt das vereinte Mannsvolk und Weibsvolk mit großen Augen am Marktplatz von fernen Ländern träumen. Dabei ist der Titel von einem Baum abgeleitet, der am Eingang des Waldes von Candice und Ritchie steht, hinter ihrem Schloss, und dessen Ast sich um die Rinde wie eine Weinrebe aus Holz schlängelt. Der Song selbst erzählt von der Schönheit und den Geheimnissen des Waldes.

Vom Eintreffen des Königs auf dem Platze kündigt ´Nature’s Light´, vorgetragen wie auf einem Jahrmarkt, und besitzt eben eine solche Melodie und die Stimmung eines Renaissance-Marktes. Diese zeremonielle Schöngeisterei erweckt echte weihnachtliche Atmosphäre. Vielleicht will das versammelte Volk zum Ende der Melodiefolge jedes Mal gar „On Christmas Eve“ mitsingen?

Das zusammen gerufene Mannsvolk und Weibsvolk verlangt heute aber unbedingt – wie bei jedem Auftritt von BLACKMORE’S NIGHT – nach ´Wish You Were Here´. Der Song ist bereits nach dem Debüt und den ´Winter Carols´ zum dritten Mal auf einem Werk von BLACKMORE’S NIGHT zugegen, diesmal mit erweiterter Instrumentierung und großartiger Gesangsdarbietung. Vielleicht wird somit auch er – wie einst ´Smoke On The Water´ – bei seiner dritten Veröffentlichung zum Welthit?

Selbst überraschte Melodic Rocker fallen heuer bei ´Four Winds´, einer balladesken Folk-Komposition, auf die Knie des Pflastersteinplatzes. Traumhaft in die Wolken mit Candice schwebend, in Gedanken bei allen musikalischen Schönheiten hängend, von Maggie Reilly bis Lana Lane, erzählt Candice in nur drei Versen von zwei unterschiedlichen Wesen, von ihren zwei Freundinnen. Die eine ist eher ein Waldmensch, die andere eher ein Wassermensch. In dieselbe Richtung stößt das abschließende Lied ´Second Element´, ein Liebeslied zum Element Wasser, das dereinst von Sarah Brightman gesungen wurde und in der hiesigen Version als melodischer Poprock mit einem glänzenden Ritchie Blackmore-Solo erstrahlt.

Solistisch kann Ritchie ohnehin auf den beiden Instrumentals – ´Darker Shade Of Black´ und ´Der Letzte Musketier´ – brillieren. Ersteres klingt sehr nach ´A Whiter Shade Of Pale´, da es ebenso auf Johann Sebastian Bach und dessen Vorliebe für absteigende Riffs basiert. Also kein weißer Schatten einer Blässe, sondern vielmehr ein dunkler Schatten von Schwarz. Das weitere Instrumental ist eine Huldigung an die beiden anderen Musiker mit denen Ritchie Blackmore 1964 in Deutschland unter dem Namen DIE DREI MUSKETIERE gespielt hat und die mittlerweile verstorben sind. Wie Ritchie heutzutage, als Musketier verkleidet, spielten sie sechs Shows ohne jemals in irgendeiner Form berühmt zu werden. Nun ist Ritchie der letzte noch lebende dieser drei Musketiere. Im Rückblick waren es für ihn wohl die schönsten Zeiten.

Mannsvolk und Weibsvolk stehen gerührt im Schlosshof. Die Turmuhr schlägt sehr sacht. Aus den schlichten Häusern der Umgebung singen Meisen, Lerchen und Drosseln, derweil die Pfauen auf dem Pflasterplatz des Schlosses ein Rad nach dem anderen schlagen. Zwischen all den Leuten stehend sagt Anselm zu Coletta: „Von diesen Spielleuten werden wir noch unseren Kindern berichten. Das kannst Du Dir hinter die Ohren schreiben.“ Dabei zieht er ihr, als kleine Hilfe zur Erinnerung, noch an den Ohren. Denn wichtige Geschehnisse merken sich Weib oder Kerl seit Jahrhunderten traditionell in Verbindung mit kleinen Schmerzen ausgesprochen gut.

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Pic: Copyright earMUSIC
Credit Michael Keel
(VÖ: 12.03.2021)