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EVERGREY – Escape Of The Phoenix

~ 2021 (AFM Records) – Stil: Melodic Power Metal ~


Die rivalisierenden Dörfchen Villarriba und Villabajo existieren auch in Skandinavien. Während die Bewohner vom südlicher in Dänemark gelegenen, kleineren, im Wandel begriffenen Örtchen PYRAMAZE mit kommerzieller Experimentierfreudigkeit aufwarten, scheint das Credo der höher im Norden alteingesessenen, fast schon städtisch-entwickelten, schwedischen EVERGREY-Ureinwohner zu lauten: Ich mach mein Ding, egal, was die Andern labern.

So wie unser Udo es lebt oder ähnlich könnte der Slogan der artverwandten Traditionscombo sein und passend dazu ertönt der stiltypische Opener ´Forever Outsider´. Wenige Bands schleudern ihre Trademarks seit all den Jahren (das Longplayer-Debüt erschien 1998) als verlässliche Bank in dieser ungebrochenen Klasse vom ersten bis zum letzten Song ihrer Alben raus. Was zwar nicht innovativ ist, aber in Zeiten des stetigen Wandels bedeutet Beständigkeit für manchen Fan eben das, was auf der Tanzkarte erwartet wird und damit läuft schonmal nichts falsch.

 

 

Melodischer, kraftvoller Stakkatoriff-Metal mit wunderschönen, elegischen Gitarrensoli, der oft doublebassig nach vorne rausballert, sich jedoch auch in nachdenklichen, balladesken Momenten wohlfühlt (´Stories´, ´In Absence Of Sun´, ´You From You´) und somit vorzüglich den Hörgenuss mit einem nicht-metalaffinen Partner ermöglicht. Das ganze Paket mit der sehnsuchtsvollen, ausdrucksstarken Stimme von Tom S. Englund mit einem der höchsten charismatischen Wiedererkennungswerte der Branche, ohne die EVERGREY definitiv nicht EVERGREY wäre.

Besonders ins Ohr fressen sich mir diesmal die unaufhaltsam vorwärts rollende Walze ´Dandelion Cipher´ mit dezentem Elektroeinsatz, das mächtige, gefühlvolle ´The Beholder´, welches mit Keyboards und durch unseren Theaterträumer James LaBrie als Gast auf OOMPH!-Hit-Ebene gehievt wird, ´Eternal Nocturnal´ (siehe Video unten) mit seinem treibend-stampfenden Refrain, der Fetzer von Titeltrack ´Escape Of The Phoenix´, der brutal starke Riffbrecher ´Leaden Saint´ und das hymnische ´Run´.

Der Fan ist hoch zufrieden, der multikulturelle Vielhörer muss heutzutage selbst wissen, wie viele EVERGREY Alben er in der Sammlung braucht. Sowohl für Anhänger der Band als auch für Neueinsteiger ein absolut repräsentatives Album der Discografie. Wer sich berufen fühlt, nach der letzten Albentrilogie seit 2014 noch Qualitätsunterscheide zu bemerken, werfe den ersten Stein.

 

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Bandpic: Patric Ullaeus,
Cover: Giannis Nakos