MeilensteineVergessene Juwelen

MOTÖRHEAD – Another Perfect Day

 ~ 1983 (Bronze) – Stil: Motörhead ~


Jetzt, wo letzte Woche der wackere Brian „Robbo“ Robertson, das ehemalige „Baby of the Band“ bei THIN LIZZY auch schon mit 65 Jahren das Rentenalter erreicht hat (allerdings hat er eigentlich nach der hier besprochenen Platte noch zwei ganze Langspielplatten veröffentlicht und ist seit 1987 schon mehr oder weniger in Dauerrente und trinkt seinen schottischen Whisky oder was auch immer als wackerer Heimtrinker zuhause), musste ich einfach mal dieses Album besprechen und lobpreisen. Es ist jetzt nicht das völlig unbekannte runde Stück, aber (nicht nur bei MOTÖRHEAD-Supportern) hoffnungslos unterbewertet und deshalb passt es sicher irgendwie in eine der beliebten Rubriken.

Ich liebe dieses Album! Das liegt natürlich erst einmal daran, dass ich die wackeren MOTÖRHEAD sowieso unheimlich gerne mag, seit sich im Jahr 1981 das Live-Gewitter ´No Sleep `Til Hammersmith´ zum ersten Mal in mein Gehör fräste.

Aber natürlich liebe ich ´Another Perfect Day´ auch besonders, weil die Platte mit dem oben genannten Brian „Robbo“ Robertson, einem meiner liebsten Gitarrengötter (an manchen Tagen sogar meinem liebsten Gitarrengott), aufgenommen wurde. Der war bei ´Another Perfect Day´ auch noch in einer grandiosen Verfassung. Den destruktiven Abgang von THIN LIZZY und die nicht weniger destruktiven, aber auch sehr kreativen WILD HORSES-Jahre hatte er gut überstanden und stand nach dem ebenfalls stark unterbewerteten ´Iron Fist´ als Nachfolger von Fast Eddie Clarke in den Startlöchern. Mit kurzen roten Haaren und bunten Jogginghosen oder knappen Adidas-Sporthosen raubte er dem durchschnittlichen beinharten, schwarz gekleideten MOTÖRHEAD-Supporter den letzten Nerv.

Lemmy, „Philthy Animal“ Taylor und Robbo, konnte das jemals funktionieren? Live sehr begrenzt, wie ich beim „Monsters of Rock“ in Kaiserlautern 1983 feststellen musste. Ich war natürlich wegen der vorletzten Show (leider aller Zeiten) von THIN LIZZY dabei. Bei Robbo (in rosa Hose) und MOTÖRHEAD blieben fast alle MOTÖRHEAD-Supporter sitzen und ehrlich gesagt, habe ich fast kein Lied erkannt. Das hat mich damals gewundert und ich dachte, es wäre wegen dem (damals traditionell und legendär) miesen Live-Sound von MOTÖRHEAD. Heute weiß ich, dass ich kein Lied gekannt habe, weil ich ´Another Perfect Day´ noch nicht besaß und der dickköpfige Robbo keinen Bock hatte, den „alten Schrott“ von Fast Eddie Clarke zu spielen. Oder wenn, dann nur ausgesuchte Songs. Schade! Es gibt nämlich ein paar ordentliche Live-Aufnahmen, wie insbesondere in der Deluxe-Edition dieses Albums, wo Robbo zeigt, dass er Titel wie ´Iron Horse´ mit eigenem Akzent spielen kann, ohne dass der ursprüngliche Charakter dabei verlorengeht. Aber Robbo ist eben Robbo und da fanden sogar Lemmy und Philthy ihren Meister in puncto Ignoranz und Dickköpfigkeit.

 

 

Egal, im Studio funktionierte das Trio genial. Wie immer bei MOTÖRHEAD kommt man sofort zur Sache. ´Back At The Funny Farm´ hätte auch aus der Fast Eddie-Ära stammen können, wie auch ´Shine´ das zweite Stück. Mit ´Dancing On Your Grave´ und später ´Tales Of Glory´ setzt Robbo mit seiner eher melodischen Spielweise gekonnte Akzente. Spätestens das geniale Titellied und ´Marching Off To War´ machen deutlich, dass die ekstatische Wah-Wah-Gitarre von Robbo und der Gesang von Lemmy und Phils Trommelgewitter hier wie aus einem Guss klingen. Klar ist alles etwas melodischer und „technischer“, aber auch irgendwie tiefgründiger und sonst so düster und herrlich nihilistisch wie immer. Auch die restlichen Songs wie das kraftraubende ´One Track Mind´ oder der brachiale Rausschmeißer ´Die You Bastard´ (weder Robbo noch Fast Eddie gewidmet) sind Klassiker.

Schade, dass diese Liaison so schnell ihr Ende fand, aber drei Dickköpfe sind mindestens einer zu viel und Lemmy und Robbo zogen die Reißleine und MOTÖRHEAD mauserten sich zum Quartett. Robbo zog zu Frankie Miller weiter und dann ins Home Office. So ist mit ´Another Perfect Day´ aber zumindest einer der (zugegeben vielen) Höhepunkte der MOTÖRHEAD-Geschichte entstanden, den ich immer wieder gerne höre. Denn ich liebe dieses Album. Lemmy tat das im Übrigen auch.