MeilensteineVergessene Juwelen

WISHBONE ASH – Number The Brave

~ 1981 (MCA) – Stil: Classic Hard Rock ~


Manche Bands wie die einmaligen THIN LIZZY sind (zu Recht) derzeit ziemlich angesagt, andere Bands gelten irgendwie als verstaubt oder sind kaum mehr richtig bekannt.

Dazu gehören sicher WISHBONE ASH (zu Unrecht). Die Miterfinder des „Double Lead Guitar“ Sounds. Aufrechte Kämpfer des klassischen, melodischen Hard Rocks. Wenn noch von ihnen die Rede ist, dann meist von ihrer dritten Veröffentlichung: ´Argus´ (zu Recht). ´Argus´ gehört auch zu den Glanzpunkten der 70er Rock-Jahre. Aber WISHBONE ASH sind mehr als ´Argus´. Alle Alben ab ihrem großartigen gleichnamigen Debüt 1970 bis zum 1981 Album ´Number The Brave´ sind sehr gute Rockalben mit nur wenigen Durchhängern (´Locked In´). Eigentlich war die musikalische Erfolgsgeschichte (für mich) erst dann vorbei, als Gründungsmitglied Martin Turner die Band verließ (1980 nach dem starken ´Just Testing´-Album). Martin war der beste Sänger der Band (wenn auch Andy Powell eine ganz ähnliche Stimmlage hatte/hat). Außerdem war er ein sehr origineller und offensiver Bassist (Hörprobe ´Sometime World´ auf ´Argus´). Mit dem Heavy Rock von ´Twin Barrels Burning´ verließ man 1982 den bewährten Weg (trotz eines wackeren Trevor Bolder am Bass, ich sah die Band damals auch zum ersten und einzigen Mal live) und seit dem schwachen ´Raw To The Bone´ sind die Veröffentlichungen der Band für mich passé (wohl zu Recht). Martin Turner kehrte zwar mit Gründungsmitglied Ted Turner in den 80er Jahren noch einmal zurück, aber das Flair war weg.

Jetzt aber zu ´Number The Brave´. ´Number The Brave´ ist wahrscheinlich eine der unterbewertetsten Veröffentlichungen der Rock-Geschichte. Und das erste Album ohne den starken Martin Turner. Warum ich das Album dann vorstelle? Weil es für mich nach ´Argus´ das interessanteste WISHBONE ASH-Album ist. Ersatz für Martin Turner war mit John Wetton schnell gefunden, der mit KING CRIMSON und ´Red´ Rockgeschichte geschrieben hatte und über URIAH HEEP und UK zu WISHBONE ASH stieß (und wieder schnell verschwand und dann mit ASIA steinreich wurde). Natürlich ein großartiger Ersatz für Martin Turner als Sänger und Bassist. Allerdings kam er gesanglich auf ´Number The Brave´ gar nicht oft zum Zuge (den Rest übernahmen Andy Powell und Laurie Wisefield).

´Number The Brave´ hat fast nur überragende Titel, mit dem schlichten ´Where Is The Love´ und dem etwas deplazierten Coversong ´Get Ready´ gibt es nur zweimal Durchschnitt. Auf der ersten Seite das starke ´Loaded´, dann schließlich mit dem Übersong ´Underground´ (was für eine Melodie und Stimmung) und dem luftigen, lockeren ´Open Road´ schon zwei Klassiker des melodischen Hardrock. Auf der zweiten Seite dann zum Abschluss vier Hammersongs. Das melancholische ´Rainstorm´, das dynamische und harte Wetton-Stück ´That’s That´, das extrem coole ´Rollercoaster´ und schließlich der 110%ige WISHBONE ASH-Song ´Number The Brave´, der noch einmal alle Trademarks von WISHBONE ASH vereint, die die Band so wertvoll mach(t)en, auch wenn das immer weniger Menschen wissen (zu Unrecht): Eine geniale Doppel-Lead-Gitarrenarbeit, nur durch THIN LIZZY damals in den Schatten gestellt. Tolle, charismatische Vocals. Starke Songs mit Pathos und hochwertigen Melodien, eine klare Produktion (hier Nigel Gray, der auch THE POLICE und SIOUXSIE AND THE BANSHEES und ´Power Of The Hunter´ von TANK produzierte) und stets unverwechselbares gruppendynamisches Zusammenspiel.

Warum dieses Album nur wenig Aufmerksamkeit bekam? Nun, WISHBONE ASH galten schon 1981 als alte Fürze, das Album war weder New Wave noch Heavy Metal (auch THIN LIZZY waren 1981 mit ´Renegade´ auf dem kommerziellen Tiefpunkt und UFO rissen mit dem starken ´The Wild, The Willing And The Innocent´ auch kommerziell nicht viel). Die Zeit der 70er Hard Rock-Bands nahte sich dem Ende, die NWoBHM mit IRON MAIDEN und SAXON war schon durchgestartet, die ganz Harten waren in den Startlöchern. Nicht nur im Rückblick aber ein wunderschönes Album, ein fast unbekannter Diamant.