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THE NOTWIST – Vertigo Days

~ 2021 (Morr Music) – Stil: Post Rock/Electronica/Ambient ~


Die deutsche Indie Rock-Band THE NOTWIST hatte nun schon seit 2015 kein Album mit neuem Material veröffentlicht. Dabei hatten die Weilheimer um die beiden Brüder Micha und Markus Acher über mehr als drei Jahrzehnte hinweg die Grenzen von Electronica und Post Rock immer wieder auf eindrucksvolle Weise verschoben, mit einer eigenwilligen Annäherung an den Jazz und der Hinzunahme von Soundscapes aus den verschiedensten Richtungen.

Die 14 Tracks auf `Vertigo Days` fungieren erneut als kunterbunte Rausch-Nuggets und es gibt darauf, wie gewohnt, zahlreiche treibende Rhythmen, schöne Atmosphären und auch hin und wieder abrasive Klänge. Der Sound von THE NOTWIST anno 2021 verfügt über eine vertraute, aber insbesondere auch aktualisierte und verfeinerte Klangpalette, von leichtem Kammer-Barock bis hin zu einem Hauch von Tropicália in frischen neuen Kombinationen.

Es klirrt, zischt und knallt mit menschlichen Stimmen, klappernden Synthesizern und stilisierten Wiederholungen. Die einzelnen Instrumente sind oft leicht verstimmt und das Tempo wird mal verlangsamt, mal beschleunigt, so dass man nie sicher sein kann, wohin sich der Song gerade entwickelt. Die Song-Texte wirken zwar teilweise leicht absurd, implizieren jedoch, dass die gegenwärtige Realität nur eine Illusion ist.

Die Mitwirkung von zahlreichen Gastmusikern verleiht dem Album eine weitere, den Gesamtsound revitalisierende Note. Da sind einerseits die japanische Blaskapelle ZAYAENDE und die Künstlerin Saya vom Nippon-Popduo TENNISCOATS. Der amerikanische Multiinstrumentalist Ben LaMar Gay, die Jazz-Klarinettistin Angel Bat Dawid und die argentinische Sängerin/Komponistin Juana Molina verleihen dem Album einen zusätzlichen unverwechselbaren Charakter. Molinas Mitwirkung bei `Au Sur` etwa treibt den Song auf faszinierende Weise an, auch wenn sich das Tempo der anderen Musiker nicht wesentlich zu ändern scheint.

Die Ambitionen, Erweiterungen und Kooperationen auf `Vertigo Days` zahlen sich größtenteils aus und opfern dabei ein stückweit den thematischen Zusammenhalt für die Belohnung einer größeren Vielfalt an Klang. Eine solide Arbeit, die ihre musikalischen Verbindungen aus den gebrochenen, globalen Barrieren knüpft.

(7,5 Punkte)

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