MeilensteineVergessene Juwelen

POPOL VUH – Hosianna Mantra

~ 1972 (Pilz) – Stil: Cosmic Space Rock ~


Diese Band kann mit keiner anderen Band verglichen werden, weil sie von Anfang an einen eigenen Stil kreiert hat, der sich mit der Zeit immer mehr verfeinert und weiterentwickelt hat. POPOL VUH sind eine meiner Lieblingsbands. Da ich mich auch sehr für Filme interessier(t)e, habe ich die Band auch über die Filme von Werner Herzog kennengelernt. Und wer einmal „Aguirre – Der Zorn Gottes“ mit der Musik von POPOL VUH gesehen hat, als sich der menschgewordene Hass „Don Lope de Aguirre“ (Klaus Kinski) mit seiner Eroberer-Truppe durch den Urwald in den sicheren Untergang begibt, wird die Bilder in Verbindung mit der Musik niemals vergessen. ´Aguirre´ ist sicher der stärkste Soundtrack von POPOL VUH. Aber auch alle anderen Platten (und ich habe alle anderen Platten) sind bis auf einige dem Zeitgeist etwas huldigende Spätwerke grundsätzlich empfehlenswert. Man sollte aber musikalisch schon aufgeschlossen sein und die gedanklichen musikalischen Schubladen verriegeln, auch sollte man keine Songs mit Refrain und klaren Strukturen erwarten.

POPOL VUH ist vor allem Florian Fricke. Seine Persönlichkeit und sein Klavierspiel hat die Band geprägt. Mit seinem Tod 2001 ist auch die Band gestorben. Mit der elektronischen ´Affenstunde´ legten Florian Fricke und POPOL VUH 1970 los. Fricke war der erste deutsche Musiker, der einen Moog-Synthesizer besaß und spätestens nach der zweiten Platte ´In den Gärten Pharaohs´ (mit der zwanzigminütigen Orgel-Orgie ´Vuh´) verlor er sein Interesse am Moog und verkaufte das Instrument an den späteren Elektropapst Klaus Schulze.

´Hosianna Mantra´ ist sicher mit ´Aguirre´, ´Einsjäger Und Siebenjäger´ oder ´Letzte Tage – Letzte Nächte´ die stärkste Platte von POPOL VUH und eine der schönsten und geheimnisvollsten Platten der Rock-Geschichte. Neben Florian Frickes Klavierspiel wurden POPOL VUH auch immer von den wechselnden talentierten Mitmusikern/innen geprägt. Das sind hier Djong Yun mit ihrem exaltierten großartigen Sopran und das exzellente Gitarrenspiel vom Stuttgarter Conny Veit. Conny Veit ist ein ganz besonderer Gitarrist und er hat mit seiner Band GILA (Krautrock-)Geschichte geschrieben. Und die GILA-Platte ´Bury My Heart At Wounded Knee´ von 1973 war mein ursprünglicher Zugang zu POPUL VUH. Dieses Meisterwerk befasste sich mit der gnadenlosen Vernichtung der letzten stolzen Indianer in den USA nach dem gleichnamigen Buch von Dee Brown. Neben Sängerin Sabine Merbach (damalige Lebensgefährtin von Conny Veit, leider später durch Alkoholmissbrauch früh gestorben, Conny Veit schied irgendwann freiwillig aus dem Leben) waren auch Florian Fricke und Multiinstrumentalist Daniel Fichelscher, eine weitere POPOL VUH-Größe, am Meisterwerk ´Bury My Heart…´ beteiligt.

Aber wir sind ja bei ´Hosianna Mantra´. Der Gitarrenstil von Conny Veit ist unverkennbar und einmalig und ist ein wichtiger Pluspunkt der Platte. Schon auf dem Opener ´Ah!´ gibt es ein großartiges Zusammenspiel von Klavier und Gitarre. Auf ´Kyrie´ schaltet sich dann die Sängerin Dyong Yun mit ihrem glockenklaren, wunderschönen Gesang ein. Der zehnminütige Titelsong ist dann der Höhenpunkt. Die zweite Seite unter dem Obertitel ´Das 5. Buch Mose´ kann die erste Seite in der Qualität nicht ganz erreichen, hat mit ´Segnung´ und ´Nicht Hoch im Himmel´ aber zwei weitere wunderschöne Songs. Auch der CD-Bonus ´Maria (Ave Maria)´ ist großartig.

Ich sehe jetzt schon die Satan- und Black Metal-Fraktion mit der Hufe scharen und die Hörner schütteln? Verdammt, ist das „Jesus-Musik“? Will der Depp uns jetzt missionieren? Wie der Kinski in ´Aguirre´ die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner? Hilfe, Streetclip geht im religiösen Wahn unter! Gemach, gemach. Ob POPOL VUH religiöse Musik ist, weiß ich nicht, ist mir auch völlig egal. Es ist auf jeden Fall spirituelle Musik. Bewusstseinserweiternd. Wunderschön. Geheimnisvoll. Zeitlos. Das passt alles. Manchmal wurden POPOL VUH als Vorläufer esoterischer Musik oder von „Weltmusik“ gesehen. „Esoterisch“ hat für mich einen eher negativen Beigeschmack im Zusammenhang mit Musik. Klingt nach Fahrstuhl- oder Hintergrundmusik. „Weltmusik“ mag ich nicht, weder als Begriff noch an sich. Das beides ist POPOL VUH nicht! Florian Fricke nannte es „Cosmic Space Rock“. Amen! Eigentlich hilft nur in den POPOL VUH‘schen Kosmos selbst einzutauchen. In diese Parallelwelt voller Schönheit, Katharsis und Geist! Dafür sind ´Hosianna Mantra´ oder ´Aguirre´ ein empfehlenswerter Anfang. Aber Vorsicht! Beinharte Metaller und Satansjünger könnten bleibende psychische Schäden davontragen!