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CULPRIT – First Offense

~ 1980/2021 (Lost Realm Records) – Stil: Heavy Metal ~


Bevor Seattle, Washington, in den Neunzigerjahren zum Nabel der Musikwelt und des Grunge wurde, zeugten Bands wie THE ACCÜSED, OVERLORD, Q5 oder FORCED ENTRY in den Achtzigerjahren bereits vom echten Stahl. Zu den Heavy Metal-Bands der ersten Stunde aus Seattle müssen jedoch CULPRIT gerechnet werden.

Die jungen Musiker der aufkeimenden Szene hörten zu jener Zeit Bands wie RUSH, DEEP PURPLE, SCORPIONS und JUDAS PRIEST. Bassist Scott Earl, Schlagzeuger Bud Burrill und Gitarrist John DeVol spielten unter dem Bandnamen OPRHEUS „Heavy Metal“ als diese Stilbeschreibung noch gar nicht en vogue war. Da sie anfangs keinen Sänger hatten, begeisterten sie nur auf Partys im Freien. Mit einem Sänger konnten sie schließlich auch in Clubs auftreten. Bei einem dieser Live-Auftritte trafen sie auf die Gruppe AMETHYST, bei der Sänger Jeff L’Heureux und Gitarrist Kjartan Kristoffersen agierten. Die Herrschaften taten, was von echten Männern getan werden musste, sie schlossen sich zusammen und gründeten CULPRIT.

Wenige Monate nach der Formierung enterten CULRPIT bereits das Heimstudio eines Bekannten („Giant Step“) und nahmen die später massenweise gebootlegten ´The Original Demos´ auf. Abermals kurze Zeit später suchte das Magazin „Guitar Player“ landesweit nach Heavy Metal-Formationen. Kjartan Kristoffersen meldete sich im Namen der Band und so durften sie 1981 als Auserwählte in einem Studio („Crow Recording Studio“) den Song ´Players´ aufnehmen, der auf dem Sampler ´US Metal II´ von „Shrapnel Records“ landen sollte. CULPRIT waren nicht nur die erste Heavy Metal-Band aus Seattle, die Eigenkompositionen spielte und sogar Werbung für ihre Shows machte, sondern auch die erste mit einem Plattenvertrag.

1982 gingen CULPRIT zum dritten Mal ins Studio, um mit Mike Varney ihr Debüt ´Guilty As Charged´ für „Shrapnel“ aufzunehmen. Fortan lief ihr Song ´Ambush´ beinahe ein Jahr lang auf Rotation und so gewannen CULPRIT 1983 einen Preis von KZOK, der größten Rockstation der Stadt, für die „beste lokale Band“. Zudem spielten sie an der Küste entlang als Co-Headliner mit METALLICA und Lita Ford. Doch 1984 trennten sich CULPRIT erst einmal für über anderthalb Dekaden, weil sie keinen besseren Plattenvertrag bekommen konnten und ohne ein Management keine Zukunft für sich sahen.

„Lost Realm Records“ haben sich nun den Demos von CULPRIT auf CD und LP (lim. Deluxe-Edition, 500 x CD, 300 x LP) angenommen, die bislang offiziell nie in dieser Form veröffentlicht wurden. Wir dürfen die ersten vier Songs aus den Geburtsstunden des Heavy Metal – im Jahre 1980 – in Seattle, aus den ´The Original Demos´ vernehmen, außerdem vier Demos aus dem Jahre 1983 sowie die 1981er Song-Aufnahme für den Sampler ´US Metal II´.

Ohne Polizeisirene startet der Song ´Guilty As Charged´ in der 1980er Demo-Version. Der warme Sound der Siebzigerjahre beim Übergang zum Heavy Metal erschallt hier aus den Boxen. Dass die Rhythmusfraktion mit Bassist Scott Earl RUSH-Verehrer war, ist dem Lied anzuhören. Vielleicht muss dieser Song gar als Urknall all des Prog Metal angesehen werden, der sich später mit IRON MAIDEN in FATES WARNING und darauf im Nachgang zu QUEENSRYCHE entlud. Es ist ebenso einfach unglaublich aufregend, bereits die 1980er Fassung von ´Ice In The Back´ anzuhören. Dieser Druck und die gleichzeitige Filigranität aus Schlagzeug und Bass ist beinahe außerirdisch. Allein ´Same To You´ und ´Players´ ist es im kurz rauschenden Sound anzuhören, dass es sich um Demo-Aufnahmen handelt. Hier kreuzt sich der Heavy Metal mit dem drückenden Gebaren der späten LED ZEPPELIN und im Falle von ´Players´ in einer US Metal-Halbballade, die am Ende RUSH-like explodiert.

CULPRIT haben nicht nur den Heavy Metal auf der Landkarte von Seattle platziert, sondern ihn mit diesen Liedern zum Leben erweckt. Alle vier Demo-Songs wurden natürlich später erneut für die Debüt-LP aufgenommen. Dass CULPRIT nach dem Erscheinen ihres 1983er Debüts ´Guilty As Charged´ noch einige Eisen im Feuer hatten, beweisen die vier Songs der Demo-Aufnahmen aus dem gleichen Jahr in derselben Urbesetzung. ´Metal Heart´ und das hymnische ´Out Of Control´, das den Kollegen aus ihrer Heimatstadt Q5 auch gut zu Gesicht gestanden hätte, waren nochmals Sternstunden, denen die leicht glamig hardrockenden ´White Lies´ und ´Wild Highway´ kaum nachstanden.

´First Offense´ von „Lost Realm Records“ enthält folglich neben vier Songs des 1980er Demos auch die vier Songs aus 1983 sowie den Song ´Players´ am Ende nochmals in seiner Sampler-Version. Und obwohl es sich nur um Demo-Aufnahmen handelt, herrscht hier allzeit Klassiker-Alarm.

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(VÖ: 25.01.2021)