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STEVE EARLE & THE DUKES – J. T.

~ 2021 (New West Records/PIAS-Rough Trade) – Stil: (Alternative) Country ~


Steve Earle ist einer dieser Musiker über dessen Namen ich immer wieder mal gestolpert bin, den ich aber richtig bewusst nicht wahrgenommen habe. Na ja, Country wirkt erst einmal auf mich nicht sonderlich anziehend. Alternativer linksliberaler Country klingt schon sympathischer. In den USA hat sich Steve Earle mit seinen DUKES einigen Erfolg erarbeitet. Jede Menge Drogengeschichten und Waffenbesitz haben ihn aber immer wieder zurückgeworfen und mit dem Gesetz in Konflikt gebracht. Für den hervorragenden Film von Tim Robbins „Dead Man Walking“ mit Susan Sarandon und Sean Penn hat er den starken Titel ´Ellis Unit One´ für den Soundtrack beigesteuert (mehr Erfolg hatte Bruce Springsteen mit dem Titelsong) und unterstützte damit die starke Botschaft des Films gegen die Todesstrafe. Der Film hat mich damals sehr beeindruckt.

Den Republikanern wurde Steve Earles Engagement schnell ein Dorn im Auge, das bringt ihm weitere Pluspunkte bei mir ein. Aber hier ist ja seine Musik zu beurteilen. Steve Earle hat drei Söhne. Der älteste Justin Townes Earle, selbst Songwriter und Musiker auf den Spuren seines Vaters, ist am 20.08.2020 verstorben. An einer Überdosis von „versehentlich kombinierten Substanzen“. Leider scheint er nicht nur das musikalische Talent seines Vaters geerbt zu haben.

Steve Earle hat ihm dieses Album gewidmet und es handelt sich bei zehn der elf Songs um Lieder seines Sohns. ´Last Words´ zu Schluss hat Steve für seinen Sohn geschrieben. Die Erlöse sollen dessen Familie – Frau und dreijähriger Tochter – zugutekommen. Schon vor drei Jahren hat Steve Earle seinem Weggefährten, Freund und Mentor Guy Clarke das Album ´Guy´ gewidmet, als dieser starb. War auf dem Cover dieses Albums ein Vogel, so sind auf ´J.T.´ dem 2021 erscheinenden Album für seinen Sohn zwei Vögel zu finden. Das Album wird am 4. Januar 2021, dem Tag, an dem Justin 39 Jahre alt geworden wäre, digital veröffentlicht. Analog später.

Ich finde das Album von Steve Earle ziemlich gut und zwar nicht aus Mitleid wegen dessen Schicksalsschlägen. Es ist wirklich ziemlich überzeugend. Am Anfang bei den ersten beiden Songs schlägt mir der Country-Flair noch etwas auf den Magen. Viel Gefidel, Geklampfe und Country-Chöre. Spätestens ab dem eher rockigen ´Maria´ und ´Far Away In Another Town´ tritt aber eine Tiefgründigkeit und Rauheit zutage, die sehr authentisch und überzeugend klingt. ´Far Away..´ wäre vielleicht sogar bei den Südstaaten-Helden LYNYRD SKYNYRD als Ballade in der Tradition von ´Tuesday’s Gone´ durchgegangen. Viel Schmerz, aber auch viel Kraft. Die Stimme von Steve Earle ist sehr schön und steht in der großen Songwriter-Tradition. Die große Lebenserfahrung wird spürbar. Da höre ich dann gerne zu, ohne mich als dröger Country-Supporter fühlen zu müssen.

Weitere Highlights sind das besinnliche und müde ´Turn Out My Lights´ und das lebendige ´Champagne Corolla´. Auf dem längeren ´The Saint Of Lost Causes´ wird es dann richtig hochklassig. Das ist ein wirklich ganz starker Song, der sofort berührt, der den Country-Rahmen endgültig sprengt und den ich gerne gleich in die Wiederholungsschleife sende. Auch der Abschluss ´Last Words´, der von Steve selbst geschriebene Song, ist sehr intim und emotional.

In den besten Momenten also klassischer rauer „Outlaw-Country“, in kleineren Strecken dann doch in Klischees verhaftet. Aber auf jeden Fall mehr Willie Nelson, Townes Van Zandt und Waylon Jennings als dröger Mainstream-Country. Für den Winter-(Country)-Blues durchaus empfehlenswert.

(7,5 Punkte)


(VÖ: 4.01.2021)