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NEORITE – Temple Of The New

2019 (This Charming Man Records) – Stil: Alternative/Doom-Metal


Tatort Münster. Schon über ein Jährchen her, doch was ist schon Zeit in der Welt der riffenden Gitarren, knarzenden Bässe, donnernden Drums und croonenden Stimmen? Bevor die Jungs nächstes Jahr durchstarten, muss ich noch schnell loswerden, wie geil das Debüt war. Verschiedene Stile werden hier zu einem heavy Brocken kombiniert und beiläufig gezeigt, dass in den Neunzigern nicht alles schlecht war, was manchen Meinungen zufolge den wahren Metal vergiftet oder vertrieben hat. Quatsch mit Soße übrigens – wie man anno 2020 endlich wieder sanft rückblickend weiß.

Ein kräftiges Synthesizer-Intro wiegt mich sicher in den Armen eines TANGERINE DREAM, doch weit gefehlt, ´In Circles´ lässt mich auf altmetallische SABBATH-Art sludgen und stonen, auf dass ich mir gerade das kleine Rollbesteck holen möchte, da reißt mich auch schon urplötzlich ´Neology Of Enlightenment´ in die schwärzeste SATYRICON-Hölle, nur um im gleichen Song Proto-Metal als auch epische Gitarrenhymnen und ein Solo in bester Ur-METALLICA-Tradition heraufzubeschwören. Zwischen Grunge und TYPE O NEGATIVE schließt dieser kurzweilige Achtminüter mit wunderschönen Akustikgitarren in KING DIAMOND‘scher Gewitteratmosphäre. Schön knarzig wird abermals der Grunge-Ära gehuldigt, doch versöhnt man sich dabei entgegen der von vielen Metallern ungeliebten Genre-Historie mit dem ursprünglichen Riff-Heavy Metal und die Welt ist wieder in Ordnung.

 

 

´Emergence´ nennt sich der daraus resultierende Ohrwurm und zeigt, was für ein Händchen NEORITE für Songwriting und große Melodien haben. Die weltweiten Chapters der BLACK LABEL SOCIETY dürften hier ebenfalls Spalier stehen. Düsterer und beschwörender, mit mächtig viel Atmosphäre doomt sich ´One Breath Life´ durch die digitalen Gedärme meiner wiedergebenden Elektronik-Hardware. Wieder ein Refrain, für den sich der bierernste Grunger hätte enterben lassen, gefolgt von stimmungsvollem Solo. Eine schönere Reminiszenz an Peter Steele und TYPE O NEGATIVE wie das abschließende ´Whitewash The Black´ habe ich in letzter Zeit nicht gehört – mächtig, langsam, tief und hart.

Wer immer noch sauer auf die Seattle-Welle aus den 90ern ist, sollte den Handschlag zum Metal, den NEORITE hier feiern, gehört haben. Musik mit Spirit ohne Scheuklappen für das Hier und Jetzt, ohne irgendwie modern zu klingen mit Ausflügen dahin, wo es dunkel ist und trotzdem Spaß macht. In leicht geänderter Besetzung wurde dieses Jahr der Nachfolger aufgenommen und sollte nach Genuss dieser Scheibe bei euch auf der Warteliste stehen.

 

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