PlattenkritikenPressfrisch

SIGUR RÓS – Odin’s Raven Magic

~ 2020 (Krunk/Warner Classics / ADA) – Stil: Nordic Orchestra Rock ~


2002 verfassten SIGUR RÓS mit Hilmar Örn Hilmarsson (MÖK TRIO), Steindór Andersen (berühmt für seinen Rímur-Gesang), Maria Huld Markan Sigfúsdóttir (AMIINA) und Páll Guðmundsson (ein Meister des Idiophon) eine Orchesterfassung des isländischen Gedichtes „Hrafnagaldr Óðins“, deren Uraufführung am 24. Mai 2002 beim „Reykjavík Arts Festival“ stattfand.

Das Gedicht aus der Edda mit dem Titel „Odins Rabenmagie“ thematisiert nicht die zwei Raben des Gottes, sondern ein Festmahl der Götter bei dem über das Ende von allem, der Menschen als auch der Götter spekuliert wird. Anfangs wurde dieses Gedicht als Fälschung angesehen, gehört aber seit 2002 wieder offiziell zu der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Edda und stellt eine apokalyptische Warnung dar, die sich mühelos auf die Gegenwart übertragen lässt.

´Odin’s Raven Magic´ von SIGUR RÓS geriet in Vergessenheit, weil es im Anschluss nur noch vereinzelt und hernach nie wieder aufgeführt wurde. Der finalen Veröffentlichung liegt eine Live-Aufnahme aus der Pariser La Grande Halle de la Villette zugrunde, mit dem Schola Cantorum von Reykjavík und L’Orchestre des Laureats du Conservatoire National de Paris.

Die 70-minütige Partitur ist selbstredend ein Orchesterstück, dem sich die Isländer SIGUR RÓS als Gruppe unterordnen. Der schwermütige ´Prologus´ macht dabei keine Ausnahme. Odins Raben, Hugin und Munin, fliegen jeden Tag über Asgård und Midgård, um ihrem Herrn alles über die Welt der Götter und der Menschen zu erzählen. ´Alföður Orkar´ gleicht dem flehenden Gesang eines Priesters, bevor der sakrale Chorgesang hinzustößt. Zum Hochgesang des Chores schimmert ´Dvergmál´ wie eine Mischung aus Sufjan Stevens und eine von Glöckchen ummantelte Festmusik. Den Zwergen schwinden die Kräfte, ebenso wie zum Jahresausklang der Natur. Es singen in ´Stendur Æva´ sowohl Sänger Jónsi als auch Steindór Andersen und natürlich der Chor. Der Gesang von Jónsi hebt das Stück gewohnt in die Sphären der isländisch leuchtenden Übernatürlichkeit. Zur Lösung aller Probleme werden die Raben unterdessen zum Orakel in die Unterwelt geschickt. Die Blasinstrumente begleiten ´Áss Hinn Hvíti´, der Glöckchen-Schlag treibt hingegen den Gesang in ´Hvert Stefnir´ voran und löst sich beizeiten im Bombast auf. Derweil die Raben ohne Antwort wieder zurückfliegen, feiern die Götter in der Freude über noch keine schlechte Botschaft nichtsahnend ein Fest. Streich- und Blasinstrumente in ´Spár Eða Spakmál´ heben die Musik nochmals empor, ehe der Gesang der beiden Sänger zum Verzaubern ansetzt. Die Schwere kehrt in ´Dagrenning´ zurück und dennoch schwillt die Komposition zum Finale an. Applaus. Applaus der Zuschauer.

Das Ende? Jedes Ende ist ein neuer Anfang! Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – für SIGUR RÓS als auch die gesamte Menschheit.

(7 Punkte)

https://www.facebook.com/sigurros