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ANCHORITE – Further From Eternity

~ 2020 (GMR Music) – Stil: Epic Doom ~


Das kleine südlich von Sizilien recht einsam im Mittelmeer gelegene Malta hat zwar seit dem Mittelalter etwas an geopolitischer Bedeutung verloren, aber zumindest für den Doom-Metal hatte und hat diese Insel nach wie vor einen hohen Stellenwert. Nicht nur die bereits 1991 gegründete Epic-Doom-Band FORSAKEN, die ich neben CANDLEMASS und SOLITUDE AETURNUS zu den Top-Ten-Bands dieses Genres zähle, sondern auch das von ihrem Bassisten Albert Bell 2009 ins Leben gerufene „Malta Doom Metal Fest“, welches 2018 sein zehnjähriges Bestehen feierte und sich einen in der Szene untadeligen Ruf erarbeite hat, trägt dazu bei.

Wenn also deren, mit einer Epic-Doom-Stimme vor dem Herrn gesegneter Sänger Leo Stivala im Jahr 2018 bei besagtem Festival auf den dort ebenfalls weilenden Schweden Peter Svensson trifft und beide der Meinung sind, dass es mit ihnen musikalisch etwas werden könnte, dann lohnt es sich höchstwahrscheinlich, ein Ohr zu riskieren. Schließlich handelt es sich bei Peter Svensson nicht um irgendeinen Anfänger, sondern um einen sehr umtriebigen Musiker, der als Bassist von VOID MOON und ehemals GOATESS bereits reichlich Erfahrung im Doom-Sektor gesammelt hat, sich aber auch bei CULT OF THE FOX und insbesondere bei den Kanadiern ASSASSIN’S BLADE in einer schnelleren Spielart des Metal austobt.

Vermutlich wurde es Leo auf Malta zu langweilig, denn er ist alles andere als ein Anachoret (engl. Anchorite) oder hochdeutsch, ein Einsiedler. Neben seiner Band FORSAKEN, die ja eher sporadisch eine Platte herausbringt, in den fast dreißig Jahren ihrer  Existenz gerade mal fünf Alben, zwei EPs, eine Split und zwei Demos, hat er sich in den Jahren zwischen 2006 und 2013 auch bei den Athenern REFLECTION als Sänger verdingt, wo er immerhin ein Album eingesungen hat. Aber auch sonst kann man ihn regelmäßig auf den einschlägigen Doom-Festivals treffen, wo er stets ein offenes Ohr für seine Fans hat.

Nachdem nun die Bedeutung des Bandnamens geklärt ist, wenden wir uns wieder ANCHORITE zu, für die ja noch mit Gitarre und Schlagzeug zwei wichtige Komponenten fehlen, damit von einer vollwertigen Band gesprochen werden kann. Bei der Wahl des Gitarristen entschied man sich nicht für den Erstbesten, sondern testete mehrere aus, bevor die Wahl auf den Dänen Martin Jepsen Andersen fiel, der seit 2012 in der Heavy Metal Band MERIDIAN die Saiten zupft. Die Auswahl des Schlagzeugers erfolgte vermutlich etwas schneller, denn komplettiert wird das Quartett durch Marcus Rosenkvist, einem Kollegen von Peter in all den Bands, in denen dieser noch aktiv ist.

´Further From Eternity´ beginnt so, wie ich es erwartet und erhofft hatte, nämlich mit einer schleppend dahinfließenden und knarzenden Gitarre. Mit Leos einsetzendem Gesang wird dann endgültig klar, dass es sich tatsächlich um den erhofften epischen Doom handelt, den Leo hier voller Inbrunst zelebriert. Zwar ist die beim Refrain eingesetzte Double Bass zunächst etwas irritierend, aber insgesamt bietet das Stück die prägnanten Riffs und harmonischen Gitarrenmelodien, die ich mir erwünscht hatte. ´The Blood Of The Anchorite´ ist ein gelungener Opener.

Beim folgenden ´Of Dark Destinies´ wird es dann vollends episch und man möchte unwillkürlich voller Pathos die Brust anschwellen lassen und die geballten Fäuste in den Himmel recken. Die düstere Atmosphäre dieses Stückes wird perfekt vom Backgroundchor unterstützt und die akzentuiert eingesetzten Leadgitarrenparts sorgen immer wieder für die notwendige Abwechslung und Auflockerung. Auch das folgende ´Like A River Through The Snow´ weiß zu gefallen und entwickelt sich nach einem ruhigen Beginn zu einem dynamischen Stück, was allerdings bei weitem nicht so dynamisch wie das nachfolgende ´Alone With The Horrors´ ausfällt, welches von Beginn an als flottes Uptempostück daherkommt. Mit Epic Doom hat das nicht mehr allzu viel zu tun, eher noch mit Horror Metal. Aber so richtig kann mich das Stück leider dennoch nicht überzeugen.

Und dann folgt ´Valhalla Awaits´. Natürlich ist es eine wundervolle Geste, dem unvergesslichen Mark Shelton einen Song zu widmen und dazu zwei seiner ehemaligen Weggefährten als Gastmusiker einzuladen. Und sowohl der von 1984 bis 1990 und nochmals von 1994 bis 2000 als Schlagzeuger bei MANILLA ROAD agierenden Randy ´Thrasher´ Foxe als auch Bryan Patrick, der dort die letzten 20 Jahre zunächst zur Unterstützung von Mark und später als hauptamtlicher Sänger agierte, machen ihre Sache sicherlich gut, aber hätte man sich dafür nicht einen anderen Song aussuchen können? Nicht nur, dass die kompositorischen Inhalte von ´Valhalla Awaits´ meiner Meinung nach nicht einmal in der Lage gewesen wären die Hälfte dieses Songs, dann immerhin auch noch gute fünf Minuten, interessant zu gestalten, er ist mir auch einfach zu kitschig ausgefallen und wird somit meiner Meinung nach auch nicht dem Menschen gerecht, den ich in meinem Leben mehrfach die Ehre hatte, persönlich zu treffen. Mehr will ich zu diesem mit ruhigen Tönen einer Akustikgitarre beginnenden, sich dann aber nicht wirklich weiterentwickelnden Song auch nicht sagen.

Als nächster Song bietet ´Ebbing Tide´ dann kompositorisch wieder etwas mehr, zieht einem aber, wie man so schön sagt, auch nicht gerade die Wurst vom Teller. Mit ´Dragons´ scheint die Scheibe wieder die Kurve zu bekommen und das Stück punktet zunächst mit einem einprägsamen Riff und gefälliger Gitarrenarbeit, fällt aber in der zweiten Hälfte leicht ab. Das abschließende Titelstück sorgt dann aber wieder für einen einigermaßen versöhnlichen Abschluss, so dass man in Summe von einem gutklassigen Album sprechen kann, bei welchem allerdings zwischen den einzelnen Stücken durchaus eine Spannbreite von bis zu zwei Bewertungspunkten liegen.

(7 Punkte)

 

Anchorite sind:
Leo Stivala – Gesang
Martin Jepsen Andersen – Gitarren
Peter Svensson – Bass
Marcus Rosenkvist – Schlagzeug

https://www.facebook.com/anchoritedoom/


(VÖ: 20.11.2020)