PlattenkritikenPressfrisch

YAWNING MAN – Live At Giant Rock

~ 2020 (Heavy Psych Sounds Records) – Stil: Instrumental Psychedelic Desert Rock ~


Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich zum ersten Mal von einer Bucket-Liste gehört habe, also einer Liste mit Dingen, die man getan haben möchte, bevor man den Löffel abgibt. Aus diesem Grund ist diese Liste im deutschen Sprachraum auch als Löffelliste bekannt. Nun liegt es in der Natur einer solchen Liste, dass sie schneller wächst, als man sie abarbeiten kann. Man weiß ganz genau, dass man niemals in der Lage sein wird, all diese schönen Dinge zu Lebzeiten umzusetzen. Aber was zählt ist ja die Hoffnung und die Vorfreude darauf, es vielleicht doch noch zu schaffen…

Ein Eintrag in meiner (imaginären) Löffelliste beinhaltet schon seit seeeehr langer Zeit, einem Generatorkonzert in der kalifornischen Wüste beizuwohnen. Als glühender Verehrer von KYUSS (siehe auch hier), die bereits in ihren frühen Jahren durch die von ihnen in der Wüste vor Palm Desert durchgeführten Generator-Parties einige Berühmtheit erlangten, habe ich seit den frühen 90ern stets das Bild eines Konzertes in der untergehenden Sonne inmitten der kalifornischen Wüste vor meinem geistigen Auge, sobald meine Ohren irgendwelche Töne einer Desert Rock-Band auffangen. Tatsache ist aber, was auch Brant Bjork später bestätigt hat, dass diese Art von Gratishappenings in der Wüste bereits lange bevor KYUSS auf diese Idee kam, von YAWNING MAN durchgeführt worden sind. Mit viel Bier und anderen Mittelchen wurde unter Vollmond und vor manchmal bis zu 500 Personen bis zum Morgengrauen gejammt. Was für ein Erlebnis!

Obwohl YAWNING MAN bereits 1986 von Gary Arce (Gitarre), Alfredo Hernández (Schlagzeug) sowie den Cousins Larry (Bass) und Mario Lalli (Gitarre), in La Quinta, einer südöstlich von Palm Desert gelegenen Kleinstadt gegründet wurde, dauerte es gute 20 Jahre, bis endlich im Jahr 2006 ihr Debüt erschien. In der Zwischenzeit war naturgemäß viel passiert und YAWNING MAN zeitweilig sogar auf Eis gelegt worden, als die beiden Lallis zusammen mit dem 18-jährigen Dino Von Lalli (Marios Sohn) und Tony Tornay am Schlagzeug, die nach wie vor recht erfolgreiche Band FATSO JETSON gründeten. Auch Schlagzeuger Hernández war nicht untätig und zunächst bei KYUSS, später bei QUEENS OF THE STONE AGE untergekommen. Im Jahr 2002 fand man zwar wieder zusammen, ist aber seit 2015 nur noch als Trio unterwegs, bei welchem neben Gary Acre und Mario Lalli (nun am Bass), Bill Stinson am Schlagzeug sitzt. Tatsächlich hat man es seitdem immerhin auf eine Live-Aufnahme und drei Studioalben gebracht.

Nun also das zweite Live-Album innerhalb von fünf Jahren…aber halt…wir leben doch im Zeitalter der Pandemie! Im eigentlichen Sinne des Wortes handelt es sich bei ´Live At Giant Rock´ zwar in der Tat um ein Live-Album, aber eben um eines ohne Zuschauerbeteiligung.

In den frühen Morgenstunden des 18. Mai 2020 zogen YAWNING MAN in die Mojave-Wüste, um in einer leeren, aber dennoch besonderen Kulisse, nicht nur Songs für eine Veröffentlichung aufzunehmen, sondern den gesamten Auftritt auch zu filmen – ähnlich wie dies PINK FLOYD bereits fast 50 Jahre zuvor für ihren Musikfilm ´Live At Pompeii´ getan hatten. Da YAWNING MAN dafür allerdings keine über 2000 Jahre alte antike Stätte zur Verfügung stand, entschieden sie sich dafür, ihr Konzert am ´Giant Rock´ abzuhalten. Ähnlich wie das Amphitheater bei PINK FLOYD, verfügt dieses aber ebenfalls über eine ausgesprochen bewegte und interessante Vergangenheit und durchaus auch über eine besondere Ausstrahlung.

Und noch etwas ist bei diesem Live-Album anders als bei einer klassischen Live-Scheibe. Auf diesem Album befinden sich nämlich durchweg bisher unveröffentlichte Stücke, was ja unter diesen Umständen auch ziemlich logisch ist. Alles andere wäre schließlich lediglich ein Best-of-Album gewesen. In Summe komme ich daher nicht umhin, dieses Werk als weiteres Studioalbum von YAWNING MAN zu deklarieren, denn nichts deutet beim Hören darauf hin, auch nicht die Produktion, dass es sich um etwas anderes handeln könnte.

Und dennoch…auch ohne es gewusst haben zu müssen, dieses Sonnenuntergangsfeeling (in diesem Fall wohl korrekter Sonnenaufgangsfeeling) in der Mojawe-Wüste ist stets präsent. Die Musik fließt dahin, lullt ein, lässt die Gedanken auf ihren Melodien dahinfliegen, den Geist in Tagträume versinken und alles um einen herum vergessen…auch ohne Drogen. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass sie genauso sein wird…die Generatorparty.

Alle fünf Stücke (darunter ein CD-Bonustrack), keines unter siebeneinhalb Minuten lang, kommen durchweg ohne Gesang aus, was den Jam-Charakter dieser Scheibe noch verstärkt. Aber YAWNING MAN geraten auf diesem Album niemals auch nur in die Nähe der Gefahr, dass es langweilig oder gar monoton werden könnte. Eine Gefahr, die bei reinen Instrumentalscheiben ja immer besteht. YAWNING MAN haben aber eine 35-jährige Erfahrung mit Instrumentalmusik, denn ähnlich wie von KARMA TO BURN, gibt es von ihnen nur wenige Stücke aus den Anfangszeiten der Band, bei denen Bassist Mario Lalli seine Stimme zum Einsatz bringt.

Wer auf atmosphärisch dichten psychedelischen Wüstenrock mit einem melancholischen Grundtenor steht und sich gerne von sanften, aber tiefgründigen Melodien in andere Sphären versetzen lassen möchte, der sollte nun wissen, was er am 30. Oktober zu tun hat.

YAWNING MAN ´Live At Giant Rock´ erscheint als CD-Digipak, als reguläre LP in schwarzem und als limitierte LP in gelbem Vinyl sowie ebenfalls als limitierte LP mit einem unterschiedlichen Covermotiv in blau-weißem Vinyl. Darüber hinaus wird die Aufzeichnung des Albums als DVD erhältlich sein.

 

YAWNING MAN sind:
Gary Arce – Gitarre
Mario Lalli – Bass
Bill Stinson – Schlagzeug

https://www.facebook.com/yawningmanofficial

http://yawningman.com


(VÖ: 30.10.2020)