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GAZPACHO – Fireworker

~ 2020 (KSCOPE) – Stil: Epic Artrock ~


Gänzlich unerheblich, ob GAZPACHO innerhalb der Felder des Rock dem Artrock oder dem New Artrock, dem Postrock oder Postpop zugerechnet werden, oder in diesen Tagen gar als die Könige des atmosphärischen und affektiven Rock angepriesen werden, GAZPACHO sind nicht nur der einäugige König unter den Blinden, sondern der wunderschöne, junge Prinz mit Krone, Lanze und Schwert, der das Zepter abermals fest in der Hand hält.

Mittelmäßigkeit war noch nie die Stärke der Norweger. Unter den bisherigen zehn Studioalben befinden sich viele Ausnahmewerke. Ein strahlendes nennt sich ´Tick Tock´. Zu dieser Brillanz knüpfen GAZPACHO 2020 an, auf den Spuren der Sonderschicht von ´Night´ (2007) und ´Missa Atropos´ (2010), der Sonderlingsstellung eines ´Tick Tock´ (2009) und ´Soyuz´ (2018) sowie den theoretischen und theologischen Sondersendungen eines ´Demon´ (2014) und ´Molok´ (2015).

 

 

Mit allem Drum und Dran untersucht ´Fireworker´ dieses Besondere in jedem Menschen, diesen zweiten Instinkt, der uns ein rettendes, aufrichtendes, gerechtes Bewusstsein, ein zweites Bewusstsein schenkt. Nenne es den „Fireworker“, den „Lizard“ oder „Space Cowboy“, aber es ist vorhanden, und versucht, deinem Geist seinen Willen aufzudrücken. Solange wir ihm nützlich sind, leben wir weiter, wenn nicht, werden wir fallen gelassen und sterben. Neues Leben wartet bereits, gelobt oder getadelt zu werden, um das Spiel weiterzuspinnen. Das Spiel des Lebens? Das Vergnügen eines höheren Wesens?

 

 

Der ´Space Cowboy´ segelt fast zwanzig Minuten lang über die A-Seite des Doppel-Vinyls: Regen, zerreißende Atmosphäre, Klavier. Die Hintergrundgeräusche nehmen ab, Schlagzeug und Band erscheinen vollständig im Bild, Streicher zerreißen es. Atmosphäre, Atmosphäre. Chorgesang und sägende Gitarre. Klavier und sanfter Gesang. Chor. Dramatik. Bei all der überquellenden Stimmung zieht leichte Elektronik ein. Der Chor drängt gen Himmel, der Gesang nimmt den Fehdehandschuh auf. Das ist Progressive Rock in Vollendung: Emotionen und Dynamiken, die keinerlei endloser Wiederholungen bedürfen.

Die Seite B wird von der Klavierballade ´Hourglass´ eröffnet: Klavier und Stimme drängen, ebenfalls mit Chor-Einsatz, immer weiter zum Höhepunkt. Einen orientalischen Ansatz bietet der ´Fireworker´ zu Beginn im Beat, Streicher zum Refrain. Freudentöne überraschen gleichfalls neben knarzenden Gitarren. Aufwallend im Ergebnis, sanft entgleitend im Abgang. Tick und Tock im Klang, puffend im Beat, zeigt sich ´Antique´ bei Klavier und Gesang-Präsenz. Das ist Schönheit im Detail.

Da die D-Seite allein zum Anschauen ge-etched ist, bildet ´Sapien´ auf der Seite C den einsamen und finalen Höhepunkt auf einer Länge von 15 Minuten: Hell leuchtend, schimmernder Beat. Sentimentaler Gesang. Schauspielerische Szenen erschallen mehrmals im Hintergrund zur Musik. Sanfte Keyboards. Ein unendliches Schweben mit Gitarre und Tasten durch die Wolken. Das sind GAZPACHO.

´Fireworker´ steht in seiner Summe für intensive und opulente Klangwelten, ein Feuerwerk der Emotionen.

(9 Punkte)