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DON’T SLEEP – Turn The Tide

~ 2020 (Mission Two Entertainment) – Stil: Hardcore ~


Was hat Dave Smalley nicht alles Gutes für uns getan, vor allem mit DAG NASTY? Diese Musik steht wohl für immer und ewig für gefühlsgetriebenen Punk. Für das, was später unter der Marke Emo deklariert und leider demontiert wurde. Wer alt genug ist, um bei Dischord Records Ende der 1980er, Anfang der 90er die bitter nötige Abwechslung von maskulinen Hardcore- und Metal-Plattitüden gefunden zu haben, schuldet Smalley ewigen, aufrichtigen Dank fürs Verheiraten von Härte und Emotion zu Zeiten von Reagan und dem ersten Bush.

DOWN BY LAW waren dann in den 1990ern Smalleys Versuch, vom mit MTV und Begleitbands wie OFFSPRING überzuckerten Pop-Punk-Kuchen möglichst große Stücke abzubekommen; das war Smalley nicht immer gelungen – aber nie unter Niveau. Zwischendrin war er mit viel Herzblut und ein wenig konservativer Hingabe Lehrender der Politik sowie Soziologie, aufgrund so genannter neoliberaler Ansichten nicht immer beliebt bei der Szene-Polizei hüben wie drüben. Doch Männern wie Smalley fehlt im Otto-Normal-Betrieb schnell was. Sei es Anerkennung – seien es Blut, Schweiß und Tränen des Punker-Daseins. Auf alle Fälle ist Smalley wieder da. Mit DON’T SLEEP. Und mit einem Motherfucker von einem Album.

DAG NASTY with bigger balls?

Anders als Brian McTernan, der kürzlich mit BE WELL ebenfalls, aber eher melancholisch und leidgeprüft, zurückkehrte, stehen Smalley und DON’T SLEEP für Punches – und melodische Härte. Der Fuß immer in Nähe des Gaspedals: bratende Gitarren, dazu bissige, teils selbstironische Lyrics. Der Grammy-nominierte Produzent Carson Slovak gab ´Turn The Tide´ einen derartigen Druck, dass es auch Metal-Fans gefallen könnte. Ich würde nicht so weit gehen, DONT SLEEP als DAG NASTY mit dicken Eiern zu bezeichnen – eher als Punk von Männern im Herbst ihrer Karriere, die ohne Fesseln und mit viel Wut im Bauch nochmals ein Statement setzen wollen.

Und eines steht fest, diese Herren wissen, wie ein Powerchord geschoben werden muss, um dir dieses Gänsehaut-Feeling zu geben, als würdest du bei Sommerwetter die Dorfstraße entlang skaten – und wärst völlig frei. Sünden, Stress, Sorgen: alles hinter dir. Vor dir: eine andere Welt, auch schwierig, aber liebenswerter.

Übrigens: Als die Produktion im Kasten war, hat besagter McTernan – er kann es nicht lassen, wenn was wirklich gut ist – das Engineering übernommen. Geholfen hat ihm Walter Schreifels, den ihr unter anderem von den GORILLA BISCUITS und QUICKSAND kennt. Kein Kindergarten – hehres Handwerk!

(8 Punkte)