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MAUD THE MOTH – Orphnē

~ 2020 (Música Máxica/Nooirax Producciones/La Rubia Producciones) – Stil: Dark Avantgarde Chamber Jazz ~


Ja, hat definitiv was wildes, wolfiges von ANNA VON HAUSSWOLFF oder CHELSEA WOLFE, hinzu kommen noch eruptive Momente von ANNEKE VAN GIERSBERGEN und TORI AMOS, doch in einem komplett anderen künstlerischen Kontext. Das Piano und Streicher mit leichtem Schlagwerk und Bass bleiben nicht alleine mit der wunderschönen, prägnanten Stimme der Amaya López-Carromero, die auch orientalisch, elbisch, mystisch, engelsgleich, witchcraftig und alles andere kann – nein, wenn es richtig episch wird, reicht die akustische Grundleinwand nicht aus und man beschwört soundtrackhaften Bombast herauf.

Oh ja, DEAD CAN DANCE tanzen bisweilen auch mit, besonders aber der klassische Avantgardismus einer MILA MAR oder DIAMANDA GALAS ebenfalls. Man sollte aber auch ein gewisses Faible übrig haben für geordnetes Chaos, die Unberechenbarkeit einer KRISTEEN YOUNG – wenn auch ohne jegliche Pop/Rockstrukturen und zuweilen ein wenig stressresistent sein. Doch wer sich heutzutage noch die Zeit nimmt und Geduld für Ungewohntes hat, dem wird sich die pure Anmut und Schönheit dieses Werkes erschließen.

 

 

Schon ´Ecdysis´ zieht im versteckten Walzertakt alle Register mit geheimnisvollen Melodielinien und zeigt, was euch erwartet. Doch bei allem Avantgardismus steht das Lied im Vordergrund, obwohl sich die Instrumente austoben dürfen, bis MAUD THE MOTH zum glorreichen Finale davonflattert. Beeindruckend, wunderschön, einzigartig. Durchschreitet ihr die ´Mirror Door´, eröffnet sich eine magische Welt der spannungsgeladenen Abgeschiedenheit im Reich der Stimme. Traumhaft. Über ´The Stairwell´ folgt ihr den Lämmern in aller Kürze zu ´The Abattoir´, wo euch keine blutige Szenerie erwartet, sondern das Zusammenspiel von Streichern, Klavier, Schlagzeug und dieses süchtig machenden Gesanges. Selten wurde mit Musik derart schillernde Bilder erschaffen.

 

 

Bei ´Finisterrae´ überfliegt Amaya filmreif die fast jazzigen Schlagzeug-Streicher- und Pianostrukturen mit ihrem engelsgleichen Sirenengesang und fesselt mit tiefgehendem Wohlklang, ´As Above So Below´ erweckt gar den Anschein eines Klageliedes mit dieser fabelhaften Bandbreite der Tonleiter und tiefen Kraft, mit welcher der beschwörende Gesang verzaubert. Ebenfalls ein wenig jazzig auch das mit dem mittlerweile liebgewonnene Instrumentarium an Streichern und Klavier unterlegte, jedoch rhythmischere ´Mormo And The Well´, dessen herzschlagartiger Bassbeat die Anlage zum Beben bringt und das sich zu einem Epos unglaublicher Strahlkraft ausweitet. Nach experimentellem Beginn bricht ´Epoxy Bonds´ auf in eine wunderschöne Ballade und hinterlässt euch mit dem sicheren Gefühl, eben ein Meisterwerk in seiner Gesamtheit erlebt zu haben, dass niemals enden möge. Dafür gibt’s Tonträger und angemessene Abspielgeräte.

Für Experimentierfreunde, die ihren Horizont an Sangesgöttinnen abseits der normalen Songstrukturen stets erweitern wollen und auch Bands wie CHAOSTAR vertragen, ist dieses überirdische Werk einfach unverzichtbar. Seele baumeln lassen und genießen. Genial.

 

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