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RÜCKWATER – Supernova

~ 2020 (Inverse Records) – Stil: Alternative Stoner Rock ~


Ich wundere mich immer wieder darüber, was so alles als Stoner Rock deklariert wird. In diesem Fall scheint die Band aber schuldlos daran zu sein, denn sie selber bezeichnen ihre Musik als Alternative Stoner Rock, was doch um einiges näher an der Wahrheit liegt. Schaut man sich dann auch noch ihre Haupteinflüsse/Inspirationsquellen an…ich zitiere: „DOWN, CORROSION OF CONFORMITY, QUEENS OF THE STONE AGE, CLUTCH, NIRVANA, SOUNDGARDEN, ALICE IN CHAINS, BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN, PANTERA“, dann erhält man für die nach dem ersten Hören von ´Supernova ´ eingetretene Verwunderung eine nachvollziehbare Erklärung, denn nicht wenige der Stücke haben, zumindest in meinen Ohren, einen ausgesprochen starken Grunge-Einschlag.

Jedenfalls war ich, der beim Titel ´Supernova´ den angekündigten wummernden Stoner Rock erwartet hatte, gegen den nur die von der Plutonium-Rockband DISASTER AREA (nein, keine der Bands aus dieser Galaxie) gespielte Musik anstinken kann, mit jedem weiteren Song der mir aus den Boxen entgegenschallte mehr und mehr verwundert. Warum das so war, erkläre ich euch nun in chronologischer Reihenfolge…

´Rat In A Jar´ geht mit einem schon fast poppig zu nennenden, schrammeligen Riff locker flockig los und weist gleich auf eine Besonderheit bei RÜCKWATER hin, denn das Trio gönnt sich gleich zwei Leadsänger, die jedoch ihre Stimmen zumeist deutlich unterschiedlich einsetzen. Allerdings hält sich Bassist Jussi Vehman, der ansonsten über eine formidable dreckige, tiefe und raue Stimme verfügt, bei ´Rat In The Jar´ merklich zurück und passt sich der weicheren Stimme des Gitarristen Markku MacKone an, was natürlich zu dieser Art Song perfekt passt. Das ´Rat In The Jar´ als erste Singleauskopplung auserwählt wurde, verwundert nicht, rockt und grooved er doch ganz ordentlich mit einem eingängigen Riff los und verfügt mit seiner frechen und unbekümmerten Art über die Airplay-Qualitäten, die ihn auf jeder Studentenparty zum Hit machen könnten. Auf mich wirkt der Song allerdings etwas aus der Zeit gefallen, denn er hätte in dieser Form auch in der ersten Hälfte der 90er aufgenommen sein können. Aber wahrscheinlich sagen sich die Jungs von RÜCKWATER, dass gute Musik zeitlos ist, womit sie ja per se Recht haben.

Völlig anders stellt sich die Sache bei ´Cruel Thing´ dar, dessen doomiges Anfangsriff mich an PENTAGRAM denken lässt und ich mich erstmal darüber vergewissern musste, keinen Sampler in Händen zu halten. Und dann…ja dann gibt es tatsächlich Stoner Rock, oder eigentlich sogar Stoner Metal. Jussi kratzt jetzt alles aus den Tiefen seines Rachens heraus und man muss feststellen, dass auch dieser Titel ordentlich grooved und rockt. Und wieder kann man gut nachvollziehen, wieso die Wahl für die zweite Singleauskopplung auf dieses Stück gefallen und dafür ein Videoclip angefertigt worden ist. Für mich in der Tat das stärkste Stück der Scheibe.

Und dann kommt ´Supernova´, aber nach einer Supernova klingt das nicht so recht. In meinen Ohren passt die gesangliche Tonlage und erst recht der mir etwas zu cheesy dargebotene Refrain weder zur durchaus flotten Instrumentierung noch zum gewaltigen Titel, der dem Album seinen Namen gibt.

Beim Midtempostück ´Once More With Feeling´ zeigt dann Markku, dass er auch hart kann und setzt diesem an sich weichen und melodischen Stück, das über eine leichte Southern-Schlagseite verfügt, eine wohltuende raue Härte entgegen. Kann man sich anhören…

´Broken Stone´ ist das wohl ungewöhnlichste Stück auf dieser Scheibe, bei welchem das Tempo noch weiter gedrosselt wird. Es beginnt gefühlvoll mit leicht verzerrter Stimme, die dann in einen natürlichen Gesang übergeht, der bei diesem Stück wie die Faust aufs Auge passt. Im weiteren Verlauf nimmt das Stück noch etwas Fahrt auf, verbleibt aber in eher ruhigen Fahrwassern und erinnert mich mit seinem melancholisch traurig verträumten Grundtenor stellenweise sogar an TOOL. Eindeutig der zweite Anspieltipp.

´Foreplay´ wiederum liegt irgendwo zwischen ALICE IN CHAINS und den PINK FLOYD aus der Syd Barrett-Ära und lässt nur an einigen wenigen Stellen den Heavy Rock aus der Gitarre sprechen. Es verfügt zwar über den Vibe einiger 60er-Jahre-Bands, plätschert aber vielleicht gerade deshalb insgesamt etwas dahin…wie eben viele der rauchschwadeninduzierten Songs aus jener Zeit.

Auch ´Blindfold´ plätschert im Anschluss daran in diesem Stil weiter dahin und das folgende ´Paragon Of Bullshit´ kann sich nicht so recht entscheiden. Bei diesem Song wird teilweise hasserfüllt in das Mikro gebrüllt und dazwischen einschmeichelnd gesäuselt. Ja, was denn nun, möchte man da am liebsten Fragen?! (OK, mir stehen die Texte nicht zur Verfügung. Vielleicht würde dadurch die Absicht dahinter deutlich werden.) ´Rocket Fuel´ ist aufgrund seiner von der Gitarre vorgegebenen Hookline, des catchy Refrains und eines kurzen melodischen Gitarrensolos zwar ganz nett, aber auch nicht wirklich zwingend und zum Abschluss lässt 3/1 die Scheibe, trotzdem es gegen Ende die Geschwindigkeit ordentlich anzieht und schon fast punkig wird, ja genau…gemächlich ausplätschern.

 

 

In Summe also mehr Alternative als Stoner….

Es befinden sich zwar immer mal Momente, ganz besonders ausgeprägt in ´Cruel Thing´, die die Kernelemente des Stoner Rock, nämlich einen mächtig groovenden, riff- und basslastigen Sound mit scheppernden Drums enthalten, aber eben nicht durchgängig und vollumfänglich. (Letzteres gilt allerdings nicht für das Schlagzeug, welches von Markkus Bruder Jarno kraftvoll bedient wird, denn es scheppert was das Zeug hält und erfüllt somit dieses Kernelement voll und ganz.)

Und genau da liegt mein Hauptproblem mit diesem Debüt der drei Jungs aus Tampere in Finnland, die ja seit 2010 unterwegs sind und mit ´So Far Out´ (2011), ´What`s In The Box´ (2013) und ´Bonehead´ (2016) bereits drei EPs herausgebracht haben und auch über entsprechende Bühnenerfahrung verfügen. Möchten sie mit RÜCKWATER eigentlich Grunge spielen, trauen sich aber nicht, da die Musik aus der Mode geraten ist? Oder doch lieber Stoner Rock, haben darin aber auch kein so rechtes Vertrauen, weil sich in diesem Genre Heerschaaren von Bands tummeln, die alle doch ziemlich ähnlich klingen und es einem dadurch auch nicht einfacher gemacht wird, sich aus der breiten Masse hervorzuheben? So, oder so! Für irgendetwas werden sie sich langfristig entscheiden müssen, sonst sehe ich das mit einer stetig wachsenden Fangemeinde eher pessimistisch. Aber vielleicht ist ihnen eine definierte Zielgruppe auch egal und sie wollen nur die Musik machen, die Ihnen Spaß macht. Das äußere Erscheinungsbild der drei Musiker deutet auf selbstbewusste Sturköpfe hin, denen es hauptsächlich um letzteres geht und was sie mit folgenden Zeilen ja auch irgendwie selbst bestätigen:

The masterpiece is called ´So Far Out…´. It was a huge review success… Well, it would’ve been if we had sent it to somewhere. But we don’t give a fuck!

Dann also weiter so! Aber vielleicht erfolgt da ja doch noch eine Weiterentwicklung. Wer weiß?!

(6,5 Punkte)

 

https://www.facebook.com/ruckwater
https://ruckwater.bandcamp.com

Rückwater sind:
Jussi Vehman – Bass und Gesang
Markku „Make“ MacKone – Gitarre und Gesang
Jarno „Jappe“ MacKone – Schlagzeug


Photo: Timka Seppänen / Solid Photo
(VÖ: 23.07.2020)