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CENTRE EL MUUSA – Centre El Muusa

~ 2020 (Sulatron) – Stil: Psychedelic/Spacerock~


Estnischer Psychedelicrock? Gut, warum nicht. Aus den baltischen Regionen habe ich noch nicht allzuviel, mein Bewusstsein erweiternde Musik zu hören bekommen. Also lassen wir uns darauf ein und treiben davon.

Das Plattencover mit dem Zöpfe tragenden Mädchen in der überschäumenden Badewanne hat was von den späten 60ern. Weiße Kacheln, ein irgendwie karges Ambiente, Mutters gutes altes Badezimmer an einem lauschigen Samstagabend 1969, kurz vor der Tagesschau. Zu einem entspannten Bad gereicht auch die entspannte Musik der Esten. Vibraphon, Mellotron, Rockinstrumente, ein schönes Wabern, Aufwallen, An- und Abschwellen, die Stimmung ist friedvoll, leicht entrückt, es ist ab einem gewissen Zeitpunkt mehr Klangmalerei als Melodieführung, aber genau das ist so betörend schön. Das passt zu verkifften Momenten an regnerischen Nachmittagen, zu Sonnenuntergängen an exponierten Plätzen mit Blick auf die Bay Area, zur brütenden Atmosphäre der kalifornischen Wüste.

Sie können aber auch bleischwer und zerrig, wenn sie wollen, braten Dir dann einen brodelnden Wüstenblues in die von der Sonne verbrannte Seele, welcher Dich auf den Trip Deines Lebens schicken will. Das klingt nicht wesentlich moderner als ihre 60s Acid Pop-Variante, vielleicht nach einer Horde verrückter Amis im Rausch von Kaktussäften, die vor einer Horde wilder Biker mit alten Stahlhelmen die Amps rauchen lassen. Auch hier erscheint die Musik wieder mehr als skizzenhafter Grundriss eines Songs mit viel Freiraum für ausgedehnte Improvisationen, denn als bis ins Detail ausgearbeitete Komposition. Da wird dann schon mal über sieben Minuten Spielzeit die Spacerockkeule geschwungen, dass sogar dem guten Dave Brock von HAWKWIND Angst und Bange würde.

Andererorts schlendert die Band lässig mit den Söhnen von Predigern über verstaubte Kleinstadtstraßen und durch Parkanlagen, wo sich die zugedröhnten Hippies zu Hunderten tummeln. Aber alles ist schön, friedvoll, erfüllt mit Liebe und der normalen Tristesse der Spießerwelt entrückt. Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt.
Eigentlich gibt es genügend Instrumentalplatten aus dem psychedelischen Spacerockbereich, aber zwischen einer Unzahl an richtungslos dahinplätschernden Werken sind so manche Juwelen versteckt und Dave von „Sulatron“ hat ein gutes Händchen, sie auch zu finden und zu veröffentlichen. CENTRE EL MUUSA sind ein solches Juwel, weil sie bei aller freiformatigen Spielweise immer wieder eine gewisse Vertrautheit vermittelnde Melodiebögen in ihre Klangmonolithen einbauen.

Dem aktuellen FREAK VALLEY- und DESERT FEST-Besucher wird solch ein Sound ebenso munden, wie den wagemutigeren 60s und 70s Freaks, die sich noch gut an solche Zusammenkünfte erinnern können, bei denen die Sinne mit Pillen, Pappen, Säften und Pilzen aus all ihren Ketten befreit wurden.

Ein kleines Highlight für mich ist ´Ain’t Got Enough Mojo´, wo auch ohne LSD-Einfluss überall kleine blaue Raumschiffe um mich herum starten und mich umschwirren wie Kolibris, während ich in die Tiefe der Galaxie gezogen werde. Entsprechend ist man hier dann auch eher bei gewissen kosmischen Kurieren angelangt, die einen von den Klippen über der Bay Area ins Weltraumzentrum Houston verschleppen und von dort aus in die endlosen Weiten abfliegen.

Ich finde die Truppe echt gut, aber ich warne alle Popmusikfreunde davor, sich unvorbereitet darauf einzulassen. Vergesst Songs im eigentlichen Sinne und vergesst schnöde Oberflächlichkeit, das hier ist ein Klangtrip zu den Antipoden Deiner Bewusstheit. Amen!!

(8,5 Punkte)

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