MeilensteineVergessene Juwelen

WHIPLASH – Cult Of One

~ 1996 (Massacre Records) ~


Eine völlig unterbewertete Platte. Das mag daran liegen, dass WHIPLASH insbesondere mit den ersten beiden Alben ´Power And Pain´ und ´Ticket To Mayhem´ als Powertrio für rauen und speedigen Thrash geschätzt wurden – das auch völlig zurecht (zumindest ´Power And Pain´ wurde zum Klassiker, aber auch Songs des Zweitwerks wie ´The Burning Of Atlanta´). Schon mit dem dritten Album ´Insult To Injury´ hatte man einen Sänger als viertes Mitglied gewonnen, ging dann aber getrennte Wege.

Nach sieben Jahren Pause startete man 1996 neu als Fünfer-Truppe mit dem eher gesanglich „modern“ ausgerichteten jungen Rob Gonzo als Sänger und Warren Conditi als zweitem Gitarristen. ´Cult Of One´ erweiterte das Spektrum um melodische Power Metal-Elemente und leichte Prog-Anleihen. Es gab noch die (deutlich verlangsamten) Thrash-Einflüsse wie beim Opener ´Such Is The Will´ oder dem zweiten Titel ´No One’s Idol´.

Für mich war das ein sehr starkes Album. Lieder voll gesunder Härte, eine glasklare Produktion und große Dynamik. Was letztendlich aber heraussticht, sind zwei lange Titel: Das achtminütige ´Heavenaut´, das den (tatsächlichen) Verlust eines Menschen beschreibt und das neunminütige ´Cult Of One´ – beides melancholische Meisterwerke, die einen nicht mehr so schnell loslassen und – die in meiner Erinnerung –  auch live hervorragend funktionierten, trotz Länge und einer gewissen Komplexität im Aufbau. Wunderschöne Songs, bei denen auch Rob Gonzos Gesang von hoher Qualität ist und nicht – wie bei den harten Titeln – zu sehr dem (damaligen) Zeitgeist huldigt.

Die alten Thrash-Liebhaber wollten dem aber nicht so folgen und so ging die starke Veröffentlichung schnell unter. Das nächste Album ´Sit Stand Kneel Prey´ war auch noch eher differenziert, wenn auch nicht so stark im Songwriting. Warren Conditi hatte zusätzlich zur Gitarre für den schon wieder verschwundenen Rob Gonzo den Gesang übernommen. Mit ´Thrashback´ kehrten die drei Ur-Tonys (ja alle hießen irgendwie Tony) als Power-Trio dann 1998 lieber wieder zu ihren Wurzeln zurück. Schön für die Fans der ersten Stunde. Die zweite Auflösung folgte aber schnell und unglücklicherweise starb 2002 leider Bassist Tony Bono an einem Herzinfarkt mit 38 Jahren. Eine Band mit viel Pech trotz großem musikalischen Vermögen irgendwie und mit ständigen Line-up-Wechseln.

´Cult Of One´ ist aber eine dieser Perlen, die zum falschen Zeitpunkt die falsche Zielgruppe erreichte. Es ist und bleibt eine völlig überzeugende Mischung aus Kraft und Gefühl mit zwei einsamen Höhepunkten. Schnell auf dem Ramschtisch „zuschlagen“!