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MOSES SUMNEY – Græ

~ 2020 (Jagjaguwar) – Stil: Soul/Artpop ~


Isolation comes from ‚insula‘ which means island“ – sind die ersten, eher rezitierten Worte auf Moses Sumneys neuestem Meisterwerk. Und eben in dieser Isolation, auf der einsamen Insel, will der Kalifornier mit Eltern aus Ghana nicht mehr leben (´Insula´), isoliert in seiner Haut und seiner Musik. Vielfalt ist für alle da.

Fünfmal machen auf seinem Doppelalbum ´Græ´ kleine Spoken Word-Vorträge aus seinem Herzen keine Mördergrube. Schließlich besteht er sogar auf sein Recht, multiple“ zu sein (´Also Also Also And And And´).

Mit ´Græ´, dessen erster Teil bereits vorab digital und schließlich auch mit beiden Teilen physisch erschien, bricht er alle Grenzen eines R&B-Musikers, der er partout nicht sein will, auf. „And I thought, that’s exactly what I’ve been my whole life I’ve been islanded“ (´And So I Come To Isolation´). Doch jetzt verlässt er seine Isolation.

Bereits Moses Sumneys 2017er Full-Length-Debüt ´Aromanticism´ wurde allerorts aufgrund seiner alternativen Variante zu Jazz und Siebzigerjahre Soul gefeiert. Das weit über sechzig-minütige ´Græ´ krönt sein bisheriges Schaffen. Moses Sumney ist die Avantgarde des Jazz und Soul, ist der Artpop-Künstler des Jahres.

 

 

Im brodelnden ´Insula´ zu Beginn und im richtig dramatisch-bösen ´Virile´ im weiteren Verlauf, über das Gebären vorgelebter, stupider Männlichkeit, hören wir THUNDERCAT am Bass; Harfe und Cello setzen die Bedrohungslage. Ein mächtiger Bass und das Klavierspiel von Moses setzen in ´Cut Me´, seinem Tribut an seine verehrteste Sängerin aller Zeiten, Aretha Franklin, die Akzente. Die Chor-Gesangsarrangement sind ohnehin, neben dem herausragenden Falsetto des Meisters, eine der großen Stärken dieses Werkes. Ein Experiment mit dem Sampling einiger Gesangszeilen von Jill Scotts ´Cross My Mind´ in ´Jill/Jack´ fügt sich nahtlos ein und wenn ein weitere Gaststar, Tom Gallo, die Akustikgitarre auspackt (´Polly`), leitet dies eine weitaus ruhigere zweite Albumhälfte ein. Orchestrale Kompositionsarrangements und elektronische Soundästhetik erschaffen eine neue Stilistik zwischen Pop, Kammerrock und Ambient.

 

 

Ein reichhaltiges Sortiment an menschlichen Problemen verarbeitet Moses Sumney in seinen 20 Kompositionen: das Ende einer Beziehung (´Lucky Me´), unerwiderte Liebessehnsucht (´In Bloom´) und der Ausblick auf dieses Fortbestehen in der Zukunft (´Me In 20 Years´), zwanghafte Nachahmung in Echopraxie, der Hinweis auf den sowjetischen Kosmonauten Yuri Gagarin (´Gagarin´), die unterschiedlichen Ansichten („Am I just your Friday dick?“) zwischen einer monogamen und einer polygamen Person (´Polly´) sowie pure Zeitverschwendung an Menschen, die es nicht wert sind (´Bystanders´) und so weiter und so fort. Denn wer ist schon zufrieden? „Dissatisfaction seems like the natural byproduct of identification“ (´Boxes´).

Bless me.“ Bless each other, egal welches Geschlecht, ganz gleich welche Hautfarbe ihr besitzt.

(9 Punkte)

https://mosessumney.bandcamp.com/album/gr-2

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