Lebensverlängernde WerkeMeilensteine

RIOT – Thundersteel

~ 1988 (Epic) – Stil: Heavy Metal ~


Mitte der Achtzigerjahre hatten RIOT bereits zwei Sänger verschlissen. Guy Speranza konnte seine religiöse Lebenseinstellung nicht in Einklang mit der Band bringen (und starb bereits 2003 tragischer Weise an Bauchspeicheldrüsenkrebs), sein Nachfolger Rhett Forrester war in jeder Hinsicht unberechenbar (und wurde 1994 mit nur 37 Jahren bei einem Raubüberfall in seinem Auto erschossen).

Nach dem 1983er Werk ´Born In America´ zog Mastermind Mark Reale (der 2012 aufgrund von Komplikationen mit seinem Leiden Morbus Crohn für immer diese Erde verlassen sollte) die Reißleine und erst einmal von New York nach Texas. Zwischendurch ging er mit ehemaligen SA SLAYER-Musikern, Don Van Stavern (der bald zu RIOT – bis zum heutigen Tage – gehören sollte), Steve Cooper und Dave McClain (der später bei MACHINE HEAD auftauchen wird), das kurzlebige Projekt NARITA an, ehe er in Los Angeles versuchte, RIOT wieder auf die Beine zu hieven. Kurzfristig sang sogar Harry „The Tyrant“ Conklin (JAG PANZER) in der Band, trank jedoch bereits am zweiten Abend zu viel.

Schließlich gingen Mark Reale und Bassist Don Van Stavern nach New York, um nochmals mit ´Born In America´-Produzent Steve Loeb zusammenzuarbeiten. Als Schlagzeuger kam Mark Edwards (STEELER) hinzu, der jedoch schnell durch Bobby Jarzombek (vorher bei JUGGERNAUT, später bei FATES WARNING, HALFORD, ICED EARTH) ersetzt wurde, da jener mit LION wohl eine lukrativere Chance im Musik-Business sah. Der Studiomanager hatte jedoch den besten Riecher und schlug Tony Moore als Sänger vor, der zuvor nur als Bass-Spieler in Bands aktiv war.

 

 

Mit einer vollständig runderneuerten Formation, Gitarrist Mark Reale war das letzte verbliebene RIOT-Mitglied, ging es ins Studio, um ´Thundersteel´ einzuspielen. Das sechste RIOT-Album wurde im Januar 1988 in den „Greene St. Recording“-Studios, New York City, von Steve Loeb im Verbund mit Rod Hui und Mark Reale produziert. Ein Song des kurzen NARITA-Projekts, von deren Drei-Song-Demo (´Thundersteel´, ´Liar´, ´The Feeling Is Gone´), wurde sogar zum Opener erkoren.

In diesen Tagen des Donners anno 1988 entstand eines der ganz großen Werke des US Power Metal: ´Thundersteel´. Es verfügt über eine wunderbare Mischung aus Power und Speed Metal in allzeit melodischer Ausprägung. Das Werk besitzt zudem eine ausgewogen natürliche Produktion, die die Extraklasse ihres Gitarristen als auch ihres Wundersängers mitsamt einer nie still stehenden, schnellen und schlicht wilden Rhythmus-Gruppe offen zu Gehör trägt.

´Thundersteel´ ist ein Album, das süchtig macht. Das ist der große Unterschied, den Songs und Darbietung liefern. Dieses Album drei Jahrzehnte später zu hören ist wie eine Heimkehr, zu besseren Tagen und, ja, auch zu besserer Heavy Metal-Musik. Und im Gegensatz zum 2018er RIOT V-Werk ´Armor Of Light´ fußt die melodische Herangehensweise des Jahres 1988 zwar auch schon auf europäischen Werten, wird jedoch niemals einen Moment lang kitschig. Denn diese Kompositionen verfügen über die natürliche Schwere und Dunkelheit des Heavy Metal. Die Kompositionen weisen einfach ein weiteres wichtiges Merkmal auf, sie werden nie langweilig und klingen niemals altbacken.

Obwohl der Titelsong und Opener der einzige wahrhaftige Speed-Song ist, durchzieht das Werk eine bahnbrechende Energie und Tatkraft, die erst nach dem letzten Song, wenn der Arm des Plattenspielers zurückfährt, abrupt endet. Der Grundstein für diese fast unmenschliche Steigerung zu den Vorgängern wurde aber bereits zu Zeiten von ´Rock City´ (1977) und ´Fire Down Under´ (1981) gelegt.

 

 

Der von Mark Reale und Bassist Don Van Stavern komponierte Opener ´Thundersteel´ ist die Bombe mit der so viele Alben gerne eine explosionsartige Begrüßung aussprechen würden, doch nur wenige es tatsächlich tun, etwa JUDAS PRIESTs ´Painkiller´ oder ACCEPTs ´Restless And Wild´: ein Song wie ein Wirbelwind, immer an der Grenze zum hysterischen Überschlag, und ein fulminantes Schlagzeug, bei dessen rasender Erscheinung bereits die Bläser aus dem Höllensturm des Album-Nachfolgers ´The Privilege Of Power´ im Ohr widerhallen, kreisende Gitarren und ein Shredding Solo von Mark Reale. Der Van Stavern-Song ´Fight Or Fall´ ist anschließend nicht minder gut. Er kennt keine Kompromisse, setzt dieses Maschinenfeuer-artige Schlagzeug ein und übermannt mit dieser fantastischen Gesangsstimme, wenn der Background den Titel shoutet. Die Live-Mitsinghymne par excellence.

Die Moore-Reale-Van Stavern-Kompositionen ´Flight Of The Warrior´ und ´On Wings Of Eagles´, jenes mit seinen irrwitzigen Gitarren-Soli, haben auch eines dieser großartigen Reale-Riffs und werden vom Schlagzeug unbarmherzig zur Geschwindigkeit angetrieben. Der vorletzte Song ´Run For Your Life´ baut auf demselben Ritus dieses Werkes auf. Klassikeralarm schreit fortwährend irgendwer aus irgendeiner Himmelsrichtung. Aus dieser Quelle haben HAMMERFALL den Geist ihrer Erscheinung anno 1997 gezogen.

Tony Moore kann im Laufe des Werkes die Bangerschaft mit seinem Falsett-Gesang allesamt mitreißen, allerbesten US Metal-Gesang abliefern sowie im klassischen Heavy Metal in der Tradition des bluesbetonten Hardrock glänzen. Denn auch bei ´Sign Of The Crimson Storm´, im Sinne von DEEP PURPLE und RAINBOW aufspielend, ist er bei dieser mittel-schnellen Komposition, derer es in den Neunzigerjahren noch anderweitig viele geben sollte, der richtige Mann an der richtigen Stelle. Ganz in seinem Element feuert Tony noch Marks Gitarren-Solo an. Ganz auf der Blaupause eines ´Johnny’s Back´ sollten RIOT später, sozusagen in den vergangenen zehn Jahren bis zur Gegenwart agieren. Ohne unüberwindlich aufdringlich zu sein, besitzt der Song eine unwahrscheinliche Anziehungskraft. Dazu gehört ebenfalls dieses balladeske, dennoch extravagante und geradezu magische ´Bloodstreets´. Den Schlusspunkt setzt über knapp neun Minuten ´Buried Alive (Tell Tale Heart)´. Bereits das Harmony-Solo der ersten Minuten ist schon für mächtig Gänsehaut gut, während die restlichen Minuten in Dauerekstase durch die Doom-Dungeons des Hauses RIOT führen.

´Thundersteel´ bietet alles: Speed Metal (´Thundersteel´, ´Flight Of The Warrior´), Power Metal (´Fight Or Fall´, ´On Wings Of Eagles´), klassischen Traditions-Metal (´Sign Of The Crimson Storm´), Heavy Rock (´Johnny’s Back´), balladeske (´Bloodstreets´) und epische Lieder (´Buried Alive (Tell Tale Heart)´). Mehr geht nicht – auf diesem Klassiker-Niveau.

Danke, Johnny! Thank you, Mark, danke RIOT!

 

 

Bandmitglieder:

Tony Moore – Gesang
Mark Reale – Gitarre
Don Van Stavern – Bass
Bobby Jarzombek – Drums