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HAKEN – Virus

~ 2020 (InsideOutMusic) – Stil: Modern Prog Metal ~


Ob dieser ´Virus´ mancherorts nur wie ein laues Lüftchen über seine Hörer hereinbrechen wird, müssen erst viele Hördurchgänge und die kommenden Monate zeigen. Die Rede ist selbstredend von dem allerneusten Scheibchen der einstigen UK-Hopefuls HAKEN. Mit Freude erinnert sich noch jede Frau und jeder Mann an den Meilenstein, den modernen Klassiker ´The Mountain´ (2013). Bei diesem Werk stimmte einfach alles. Doch dann kam ein unterkühltes ´Affinity´ (2016), und sein drei Jahrzehnte alter Zeitgeist, sowie anschließend die milde Wiedergutmachung in Form von ´Vector´ (2018).

Der 2020er ´Virus´ will an ´Vector´ anknüpfen und findet dazu sogar eindringliche Momente. Im fünfteiligen Übersong ´Messiah Complex´ stellen HAKEN nicht nur echte Verbindungen zum Vorgänger, sondern auch zu ´The Mountain´ her. In den über 16 Minuten tönen HAKEN beinahe wie zu ihren besten Zeiten, bringen aber gleichzeitig ihre aktuelle Heavyness mit ein. Die wenigen Refrains sind beim Genuss zum Versinken und haben echten Wohlfühl-Charakter für die Seele parat. Dessen ungeachtet fahren sie in dem Monumentalstück und seinen längeren Instrumentalpassagen ein gehöriges, djentiges Riffgewitter auf, das in einem Abschnitt jedoch Videospiel-artig Überhand gewinnt. Andere Formationen überschreiten dabei oftmals die Schwelle und werden zur Karikatur ihrer selbst. HAKEN halten sich dahingehend gerade noch zurück. Sie zeigen zudem einen ordentlichen Spaß am Musizieren, der auf den anderen, vorangestellten Liedern des Albums bisweilen nicht dermaßen spürbar ist.

… Your victor cries “Hail to the King!” …

´Prosthetic´ steht als erster Song im Fadenkreuz des zu Beginn des Albums aufgefahrenen Rhythmus-Gewitters. HAKEN versuchen sich in demselben Spiel, das zuletzt CALIGULA’S HORSE leicht zum Verhängnis wurde. Beide Bands nehmen sich der Härte sowie der Milde an, benötigen aber für ihre heavy Wutausbrüche keinen Core. Im Kontrast zu CALIGULA’S HORSE, die sich aktuell etwas zu sanftmütig zeigen, übertreiben es HAKEN womöglich mit der Härte. Somit geht Sänger Ross Jennings oftmals in Deckung und kann nur noch eine schöne Bridge als Refrain verkaufen. Selbst hier tauchen in den klassisch schwingenden HAKEN-Melodienfolgen die Querverweise zu DREAM THEATER auf. Die annähernd durchgehende Instrumental-Schlacht versucht jedoch dem Altbewährten zu entkommen und lässt einfach immer mal wieder allein die Bridge zu Wort kommen. Im Anschluss ist ´Invasion´ nicht mehr ganz so brutal, sondern wählt den Pfad aus den Klängen eines Thom Yorke/RADIOHEAD hin zu dunklen MESHUGGAH-Riffs. Selbst hier kann sich der Chorus nicht in voller Blüte entfalten. Der echte Longtrack des Werkes, ´Carousel´, nimmt sich auf über zehn Minuten der Mischung aus zart und hart mit einem Ambient-Abschnitt sowie Solo-Shredding an. Es ist der Versuch, alte Qualitäten in den Bandsound der Gegenwart zu transferieren. Etwas klassischer, aber dafür auch vorhersehbarer erscheint ´The Strain´. In der Art wie ´Canary Yellow´ soft schwingend den ersten Teilbereich abschließt, beendet ´Only Stars´ restlos zurückgenommen sowie in aller Kürze – zum Abkühlen nach ´Messiah Complex´ – die ´Virus´-Show.

HAKEN befinden sich seit Jahren in einer Übergangsphase, ohne irgendwo hieb- und stichfest anzukommen. Selbstredend ist, insbesondere im progressiven Sektor eine stetige Weiterentwicklung offenen Ohres zu begrüßen, gleichwohl müssen die Lieder den Hörer allzeit mitnehmen und – weitaus besser – mitreißen. Trotz all der hinreißenden Geschwindigkeit und proggigen Hektik, ist dies zu Zeiten des ´Virus´ nicht gegeben. Modern Metal-Liebhaber, denen mehr an brachialer Atmosphäre gelegen ist, könnten sich hier anstecken lassen. Die Zeit des klassischen Virus scheint vorbei.

(7,5 Punkte)

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