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MEKONG DELTA – Tales Of A Future Past

~ 2020 (Butler Records) – Stil: Progressive Metal ~


 

MEKONG DELTA ist eine Band, die bereits gegen Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre mit Alben wie etwa `The Music Of Erich Zann´, `The Principle Of Doubt´ oder `Kaleidoscope´ eine fette Duftmarke in der deutschen Progressive Metal-Szene hinterlassen und auch durch die Kollaboration mit SIREN-Vokalist Doug Lee auf sich aufmerksam machen konnte. Hier gaben sich in der Vergangenheit noch viele weitere prominente Namen wie Uli Kusch (HELLOWEEN, HOLY MOSES, GAMMA RAY etc.), Schlagzeugtier Jörg Michael (unter anderem STRATOVARIUS) oder der LIVING DEATH-Gitarrist Reiner Kelch, meist aber unter einem Pseudonym, die Klinke in die Hand, um nur ein paar wenige zu nennen.

Doch trotz toller Veröffentlichungen, hochkarätigen Instrumentalisten und sehr starken Songs, hauptverantwortlich hierfür allen voran natürlich Mainman und Bandgründer Ralf Hubert, fand ich die Truppe seinerzeit persönlich zwar immer sehr gut, doch, wenn ich mich recht erinnere, zu einhundert Prozent konnten mich MEKONG DELTA eigentlich nie überzeugen (muss die früheren Werke unbedingt mal wieder rotieren lassen). Dafür war mir das Material meistens doch zu sehr vertrackt und verspielt, und ließ meiner Ansicht nach viel zu oft eine klare Linie vermissen.

Musikalisch hat sich über die letzten Jahre absolut nichts verändert bei MEKONG DELTA, und so lautet die Marschroute auch 2020 progressiver, sehr technischer, teils auch „thrashiger“ Metal mit einer großen Liebe zur Klassik. Kompositorisch hat es hingegen Herr Hubert diesmal auch geschafft, seinen Liedern nachvollziehbarere und eingängigere Strukturen und somit mehr Leben zu verpassen und mit „echten“ Refrains zu schmücken. Packend vor allen Dingen einmal mehr die herausragende Instrumentierung, speziell bei den Instrumentalnummern, wo die Band ihr ganzes Können eindrucksvoll unter Beweis stellt. Für echte Gourmets!!

Die Wunderwaffe hinterm Mikrofon hört auf den Namen Martin LeMar, dessen kräftiger und fetter Gesang mittlerweile fester Bestandteil der Truppe ist und die einzelnen Stücke auch perfekt veredelt. Aber auch wenn heutzutage vieles leichter verdaulich und flüssiger klingt, braucht man natürlich dennoch zig Durchgänge, um die volle und ganze Pracht von `Tales Of A Future Past´ in seiner Gänze erfassen und verstehen zu können, denn selbstverständlich lauten bei MEKONG DELTA die Zauberwörter nach wie vor: Komplexität, Vielfalt und Abwechslungsreichtum – also nix, zum kurz mal nebenbei Hören. Ein wirklich gelungenes und sehr geiles Album!

(8,25 Punkte)

Armin Schäfer­

 

 

 

MEKONG DELTA sind eines dieser Gespenster, die in der Szene immer wieder einen Fußabdruck hinterlassen, aber nie konsequent zu fassen sind. Viel zu schnell ist ihre Erscheinung in den vergangenen Jahren wieder von der Bildfläche verschwunden, viel zu wenig Menschen nahmen Notiz von ihr und nur eine geringe Anzahl kann sich im Nachhinein an diese erinnern. Dabei sind MEKONG DELTA aus der Geschichte absolut nicht mehr wegzudenken, die vielen Einträge sind ihnen nicht mehr zu nehmen, jene, die sie seit 1985 auf ihre unnachahmliche Art und Weise eingeritzt haben. Der Titel ´The Music Of Erich Zann´ (1988) sollte zumindest jedem gebildeten Metal-Fan mehrfach in den Ohren geklingelt haben. Mit den berühmten ´Pictures At An Exhibition´ (1997) von Modest Petrowitsch Mussorgski war jedoch der gemeine Headbanger, trotz aufflammender Prog Metal-Epoche, restlos überfordert. Zehn Jahre später wurde es mit ´Lurking Fear´ ebenfalls sinfonisch und erst der ´Wanderer On The Edge Of Time´ (2010) hatte zumindest nur noch Interludien zwischen göttlichen Songs anzubieten. Nach den 2012er Re-Recordings eines ´Intersections´ war es schließlich 2014 wieder an der Zeit für einen Meilenstein namens ´In A Mirror Darkly´.

2020 liegt endlich ´Tales Of A Future Past´ vor uns. Das Coverartwork von David Demaret, inspiriert von H. P. Lovecrafts „At The Mountains Of Madness“ aus dem Jahre 1931, springt uns in die Augen. Denn hinter den Bergen des Wahnsinns verbirgt sich die Expedition eines Geologen in die Antarktis, die nicht nur seltsame Wesen aus anderen Welten zum Vorschein kommen lässt, sondern in diesen Bergen eine äußerst lebendige Stadt des Schreckens offenbart.

Die musikalische Spannung wird mit dem kurzen Instrumental ´Landscape 1 – Into The Void´ sogleich zielsicher aufgebaut, ehe ´Mental Entropy´ einen hektischen Midtempo-Tech-Thrash auf die Bühne zaubert, der sich als äußerst manisch erweist. Währenddessen ist es eine harte Entscheidung, sich entweder auf die virtuosen Instrumentaldarbietungen oder die herausstechenden Gesangsarrangements einzuschießen. Allein ANACRUSIS und VOIVOD können in ihren eigenen Welten derart kompositorisch sowie atmosphärisch mithalten. ´A Colony Of Liar Men´ bietet mit seinen Arrangements direkt hernach noch eine Steigerung. Feinsinnig im choralen als auch shoutenden Gesang brilliert hier Sänger Martin LeMar. Das Instrumental ´Landscape 2 – Waste Land´, natürlich eine Eigenkomposition, drückt die orchestrale Seite der Formation in den Vordergrund, wenngleich der Gitarre in Ergänzung etwas Raum geschenkt wird.

Das Quartett schwenkt mit ´Mindeater´ flugs wieder auf die hektisch-metallische Schiene und zeigt seine Einzigartigkeit auf, obwohl auch COMMUNIC-Anhänger hier, und in ´The Hollow Men´ sogar solche von WATCHTOWER reinhören sollten. Denen wird sodann das nächste Instrumental ´Landscape 3 – Inharent´ um die Ohren gehämmert, hitzig und ebenso stimmungsvoll. Und schon beginnt das große Finale der verbliebenen 20 Minuten. Zuerst schwingt sich das sinfonisch angehauchte Groß-Epos ´When All Hope Is Gone´ auf fast zehn Minuten zum nächsten Highlight, bevor die Siebzigerjahre Ballade á la URIAH HEEP und Zeitgenossen ´A Farewell To Eternity´ zum Abschluss weist, den das Instrumental ´Landscape 4 – Pleasant Ground´ bietet, im Original als ´Sevilla´ von Isaac Albéniz bekannt.

MEKONG DELTA zeigen auch im 36. Jahr ihres Bestehens, wer die Edel-Prog-Metaller sind. Derzeit in der Besetzung: Ralf Hubert (Mastermind, Bass, Classic Guitar), Martin LeMar (Gesang), Peter Lake (Gitarrist) und Alex Landenburg (Schlagzeug).

(9 Punkte)

Michael Haifl

 

 

 

The Boys are back in Town! Das fantastische Cover visualisiert es bereits: Durch weite Schneewüsten gewandert, den Naturgewalten des Musicbiz getrotzt, führt die Reise nun endlich zum Ziel: Den Legionen von Fans, die für immer im MEKONG schwimmen wollen und niemals den Glauben aufgegeben haben, eine Tafel mit zehn neuen Geboten zu überreichen und sie einzuladen in den mystischen Tempel des DELTAs.

Lasst euch fallen ´Into The Void´, durchwandert vier elementare ´Landscapes´ und lauschet den ´Tales Of A Future Past´, die euch auf wunderbare, progressiv-thrashige Doublebass-Weise das Gehirn verbiegen (´Mindeater´) und gleichzeitig mit phänomenalen Melodien aus dem Power Metal-Paralleluniversum (´Mental Entropy´ & ´The Hollow Men´) besänftigen. Ich kann nur versuchen, jeden ehrlichen Musik-und Metalfreak von euch zum sofortigen, bedingungslosen Einzug in die mächtige ´Colony Of Liar Men´ zu überzeugen und stelle gerne hierfür die erforderlichen Reise- und Eingliederungspapiere aus.

Natürlich gibt es in dieser Gemeinschaft zum Feiern die wilden Tänze auf nackten Bergen (´Landscapes 3 & 4´ – ´Inharent´ & ´ Pleasant Ground´) – wer’s also traditionell hektisch mag, wird bestens versorgt und bekommt den vollen virtuos-instrumentalen Brainfuck. Aber dank dem vierten Einsatz von Martin Lemar ergießt sich daneben auch ein Fest der Melodien in eure Ohren.

Selbst für Custom-Progger findet sich fette metallische Power, die nachvollziehbar ist und ihr müsst keine Rock-Scientists mehr sein, um mit MEKONG DELTA 2020 warm zu werden. Auf der anderen Seite brauchen die jahrzehntelangen Fans auch keine Schweißausbrüche zu bekommen, denn weiterhin ist hier genau das drin, was vorne draufsteht: MEKONG DELTA.

Erlebt ein audiophiles Abenteuer inklusive Breitwand-Klassikarrangements, die die Muskeln spielen lassen wie einst der einzig wahre Conan auf Urlaubsreise durch vier verschiedenste Landschaften wie zum Beispiel das ´Waste Land´ der DIMMU BORGIR im fremden Orient zur Jahreszeit des permanenten Trommeldonners. Nur das Beste aus allen Welten.

Unglaublich, aber wahr: Auf ihrem neuen Longplayerpos zeigen die Mannen um Ralf Hubert so ganz nebenbei allen Bands auf den Spuren von BLIND GUARDIAN, wie man sich mit Monumentalepen in Mittelerde oder wo-auch-immer nicht verliert und eine kinoreife Vorstellung der großen Gefühle gibt.  ´When All Hope Is Gone´ ist nicht weniger als DAS musikalisches Gegenstück zu einer „Herr Der Ringe“-Trilogie auf einem songschreiberischen, spielerischen und soundtechnisch erhabenen Level, von dem die Fachwelt nur träumen kann wie einst unsere Vorfahren nach dem Kinoerlebnis des damals nicht zu übertreffenden „Ben Hur“.

Und dann kommt‘s ganz hart: Zart, ganz zart geben euch MEKONG DELTA mit ´A Farewell To Eternity´ eine Ballade (!) mit auf den Weg zum nächsten Date, egal ob euer(e) zukünftige(r) Er/Sie/Es mit Metal was am Hut hat oder nicht. Selbstverständlich auch dies in überragend. Meine stilvariantenreich geprüfte Karin als geschmackssicherer Qualitätsgeigerzähler springt darauf an wie einst auf ´June´ von SPOCKS BEARD und wenn man weiß, dass sie dieses Stück damals 24/7 (mehrfach täglich) abnudelte, dann spricht das Bände.

Das Grande Finale in der vierten und letzten Landschaft ´Pleasant Ground´ beweist erneut das unglaubliche Geschick des Meisters, die besten Klassikadaptionen zu liefern – in Auswahl und Durchführung.

Ich habe mir nun über Stunden, Tage und Wochen wieder einmal die gesamte Diskografie im Wechsel mit diesem Epos reinlaufen lassen und kann nur noch ebenso langen Applaus geben:

Ein absolutes Highlight der Bandhistorie – für Einsteiger eine umfassende Trademark- und neue Werkschau (now or never!), für den Fan ein weiterer Klassiker als Kirsche ganz oben auf der Diskografie. Es wird endgültig Zeit, dass man beim Namen MEKONG DELTA nicht mehr in erster Linie an’s Neundrachenflussdelta denkt, sondern an eine der innovativsten Metalbands des Planeten überhaupt.

(Muss ich’s echt noch sagen? Okay, in Worten: Zehn)

Less Leßmeister

 

 

 


(VÖ: 8.05.2020)