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ORANSSI PAZUZU – Mestarin Kynsi

~ 2020 (Nuclear Blast) – Stil: Psychedelic/Experimental/Black Metal ~


Als ich ORANSSI PAZUZU das erste Mal live und im Rahmen des „Roadburn Festivals“ 2017 erlebt habe, meinte ein Kollege im Publikum neben mir, die Finnen wären für viele die aktuell beste Black Metal Band überhaupt. Rund eine Stunde später war ich ebenfalls restlos davon überzeugt. Aber war das denn wirklich noch „Black Metal“?

Kaum einer anderen Band ist es jedenfalls in den letzten Jahren gelungen, Elemente anderer entfernter Genres derart erfolgreich zu integrieren: ob nun Space-Rock, Doom, Psychedelic mit Siebziger-Jahre-Touch, Progressive Metal oder eben immer noch gewisse Anteile an BM. Dabei wurde der Sound der fünf in Tampere beheimateten Extremmusiker stets von einer kalten, fast industriellen Atmosphäre und wogenden Diskrepanzen angetrieben, eingebunden in ein morbides, viszerales Korsett.

Mittlerweile signalisiert allenfalls der geronnene Gesang des Gitarristen und Frontmanns Juho Vanhanen, dass hier noch irgendwas in der Art von Metal passiert, denn das Album wird von einem prallen Bass und kaleidoskopischen Keyboardsounds dominiert, die wie ein psychotischer Wutanfall, völlig wild und farbenfroh drauflosstürmen. Eine einzige treibende Bewegung, die sich auf psychedelische Weise verwandelt, wirbelt und dabei fortwährend neue Stimmungen und Atmosphären erzeugt.

Denn die Soundmaschine ORANSSI PAZUZU ist weniger ein spezieller Klang als eine ganze Fülle an psychedelischen Klängen: dissonante, hornartige Synthesizer, beharrliche Schwingungen von kosmischer Qualität, Geigen-Phrasen, die schleppend hin- und her wackeln, Kaskaden an pulsierenden Frauenstimmen oder eine präzise schneidende Gitarre, die wie eine Kreissäge in verrostetes Blech eintaucht.

´Ilmestys´ eröffnet die Reise mit einem in Zyklen wirbelnden und wogenden Motiv, das durch das allmähliche Hinzufügen von Schichten an unheilvollen Drones, verbogenen Bassklängen, skurrilen Synth-Linien und dämonischen Vocals entsteht. Psychedelische Melodien und schwere Doom-Riffs brüten und explodieren – und treiben uns immer weiter hinein, in das dunkle, lysergische Universum von ORANSSI PAZUZU!

Das folgende ´Oikeamielisten Sali´ bietet ein unheimlich schwingendes Clean-Picking-Intro, gepaart mit Violinen, verdreht und verstimmt – wie bei einer Aufnahme, die bewusst verlangsamt wurde. Die Spannung wird auf verstörende Weise aufgebaut, bevor der Song mit brutalem, rohem Gesang und einem retro klingenden Prog-Akkord losstartet und in der Folge ekstatisch wie im Zickzack verläuft.

Lediglich ´Taivaan Portti´ verwendet noch einen steten Rock-Backbeat und es ist auch der einzige Song auf dem noch erkennbare Blastbeats zu vernehmen sind. Die Drums hämmern darauf pausenlos und bedrohlich vorwärts, allmählich überwältigt von einer Ekstase an Drones, die heranwachsen bis sie schließlich als heulende Obertöne wie Feuervorhänge vom Himmel fallen. Die manische Percussion und die ständig steigenden Synth-Texturen erzeugen dabei ein dunkles Crescendo, das vor Wahnsinn und Bosheit nur so tobt. Riffs werden mit unvorhersehbaren Beats erweitert und es werden noch weitere, konkurrierende Patterns hinzufügt. Die oszillierenden Muster bewegen sich in der Art eines unendlichen Moments, in dem sich alles so anfühlt, als könnte es vorwärts oder auch rückwärts fließen.

´Mestarin Kynsi´ ist ein einziges schwindelerregendes Rennen, prall gefüllt mit spannungsbildenden Abschnitten, unerwarteten Drehungen und Wendungen sowie einer robusten und bedrohlich-dröhnenden Wall Of Sound. Die Welt wird mit einer ungeheueren Intensität pulverisiert – und der Impuls treibt deutlich in Richtung Abgrund. Was noch bleibt, ist nichts weiter als die psychedelische Hölle.

(9,5 Punkte)

https://www.facebook.com/oranssipazuzuband/


(V.Ö.: 17.04.2020)