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KAYLETH – 2020 Back To Earth

~ 2020 (Argonauta Records) – Stil: Psychedelic Space Stoner Rock ~


Warum ausgerechnet Italien eine schier unerschöpfliche Anzahl von Stoner, Space und Desert Rock Bands hervorbringt, weiß wohl nur der Herrgott alleine. Ein Grund hierfür mag aber auch das nur knapp 30 km westlich von Genua in Arezano ansässigen Label „Argonauta Records“ sein, welches bereits Dutzende von Bands aus diesen Genres unter seine Fittiche genommen hat. Im Fall von KAYLETH stell sich die Frage nach Henne oder Ei aber nicht, denn die Ursprünge der 2005 in Verona gegründeten Band reichen ein paar Jahre weiter zurück, als das 2009 aus der Taufe gehobene Label.

KAYLETH sind also keine Neulinge mehr, haben es in dieser Zeit aber einschließlich des nun erscheinenden Albums ´2020 Back To Earth´ lediglich auf drei Longplayer gebracht, die allesamt bei „Argonauta Records“ erschienen sind. Allerdings wurden alle drei Alben erst nach 2015 veröffentlicht, was das soeben verwendete „lediglich“ relativiert. Dem ersten Longplayer waren die 2012 in Eigenregie herausgebrachte EP ´The Surviver´ sowie drei Demos zwischen 2006 und 2010 vorausgegangen. Eine Split-LP aus dem Jahr 2017 möchte ich der Vollständigkeit halber an dieser Stelle nicht unterschlagen.

Für Liebhaber der Science-Fiction-Kultur, wie ich es einer bin, sind KAYLETH ein wahrer Born der Freude. Zunächst einmal ist Kayleth der Name einer Figur aus dem Universum des für seine Science-Fiction-Geschichten weltberühmten Autors und Professors für Biochemie Isaac Asimov, der auch für seine Sachbücher bekannt ist und 1942 die drei Roboterregeln festgelegt hat. (KAYLETH ist ein Tyrann, der die friedfertigen Bewohner des Planeten Zyron mit seiner Androidenarmee versklavt, um an die Vorkommen des seltenen Minerals Chromazin zu gelangen. Computer-Nerds aus meinem Jahrgang könnten auch das gleichnamige für den Commodore 64 und ZX Spectrum erhältliche Spiel kennen.) Aber auch das Artwork der Cover spricht eine deutliche Sprache. Während dieses beim Vorgänger ´Colossus´ eine zweifelsohne beabsichtigte frappierende Ähnlichkeit mit dem Filmplakat zum 1956 in die Kinos gekommenen Film „Alarm im Weltall“ (im Original „Forbidden Planet“) hat, so versprüht das aktuelle Cover den Charme der Perry Rhodan-Hefte, die ich als Kind förmlich verschlungen habe.

 

 

Nun aber endlich zur Musik.

Jeder Ton der Musik und selbst der Vortrag des Sängers deuten auf das sonnendurchtränkte Kalifornien oder das wüstendurchzogene Nevada hin. Der Westen der USA…ja klar, aber aus Norditalien am Fuße der Alpen? KAYLETH huldigen ihren Einflüssen KYUSS, ORANGE GOBLIN, 7ZUMA7, SLEEP, DOZER, MONSTER MAGNET und Konsorten mit einer derartigen Hingabe, dass Liebhaber dieser Bands bedenkenlos zuschlagen können, denn die Songs von KAYLETH beinhalten das Beste von Space, Stoner und Psychedelic Rock. Schwere, raue und fuzzy Gitarrenriffs, hypnotische Rhythmen, tolle Melodien und einen klaren Gesang, der seinen Teil zum insgesamt perfekt harmonierenden Gesamtbild beiträgt. Aber KAYLETH bieten viel mehr. Sie würzen die Zutaten dieser drei Genres immer wieder mit kurzen musikalischen Eskapaden, die vor allem vom Keyboarder Michele Montanari hinzugefügt werden. Seine wabernden Synthesizerklänge durchziehen das Album wie ein feines Geäst, wirken dabei aber niemals aufdringlich oder aufgesetzt, sondern verbinden geschickt die musikalischen Extreme, welche vom BLACK SABBATH-mäßigem Riffing zur PINK FLOYDesken Experimentierfreude reichen. Die für dieses Genre relativ kurz gehaltenen Songs, der längste hat eine Laufzeit von 5:33 Minuten, transportieren eine positive Energie und lassen in keiner Sekunde Zweifel daran, mit wieviel Herzblut die fünf Musiker sich ihrer Passion hingeben. Hier sind keine kiffenden Jugendlichen am Werk, mit welchen ja das Genre des Stoner Rock gerne in Verbindung gebracht wird. Hier folgt jedes Lied einer Grundidee und wurde mit viel Liebe zum Detail komponiert, wobei aber auch immer genügend Freiraum für Neuerungen gelassen wurde. Folgen die ersten beiden Stücke ´Corrupted´ und ´Concrete´, wenngleich durch die bereits angesprochenen Synthesizerklänge und harmonische Gitarrensoli angereichert, noch einigermaßen den allgemeingültigen Rezepten mit treibenden Riffs und fuzzy Gitarre (am Ende von ´Concrete´ hebt diese sogar wah-wah-mäßig ab), so gibt es mit ´Lost In The Canyons´ die erste dicke Überraschung. Bereits das Eingangsriff überrascht mit einer besonderen Leichtigkeit, aber das dann im Mittelteil einsetzende Saxophon hat mich völlig verzaubert. Kein Scherz. Der Song wächst von Durchlauf zu Durchlauf und früher oder später ertappt man sich beim verträumten Mitsingen des Refrains. Ein mutiger, aber auch toller Song. Nach dem kurzen und straighten ´The Dawn Of Ressurrection´ beginnt ´Delta Pavonis´ (wieder mal ein Stern) hingegen mit einem knackigem Bass sowie 70er-Jahre Orgel-Flair und entwickelt sich dann zu einem in sich ruhenden und zu Tagträumen einladenden Song, in welchem auch ein von Massimo Dalla Valle gefühlvoll gespieltes und verspieltes Gitarrensolo zu vernehmen ist. Im nachfolgenden Stück ´By Your Side´, setzt dann wieder Keyboarder Michel Montanari im letzten Songdrittel den besonderen Akzent und bringt in das Stück Töne ein, die man noch aus guten 60er und 70er Krautrockzeiten kennt. Da kann man schon nostalgisch werden. Auch ´Electron´ und ´The Avalanche´ haben Ohrwurmcharakter und kombinieren in unnachahmlicher Weise treibende Riffs, harmonische Gitarrensoli und einen wabernden Synthesizerklangteppich zu einer Einheit, bei der über allem die perfekt dazu passende klare und melodiöse Stimme von Enrico Gastaldo thront. Der Song ´Sirens´ hingegen ist wiederum ganz anders konstruiert und beginnt mit einem schleppenden Rhythmus und fast schon klagendem Gesang. Ruhig, annähernd a capella setzt er diese Linie fort und das Stück überzeugt dann, wie schon oft, vollends mit einem gefühlvollen Gitarrenspiel. Das abschließende ´Cosmic Thunder MST 4 ´ eröffnet mit einem discomäßigem Rhythmus (die Melodie erinnert mich an ´Fred vom Jupiter´, aber da gehörige ich wohl zu den ganz wenigen weltweit) und bildet einen für dieses Album schon fast normalen außergewöhnlichen Abschluss, in welchem sogar kurzzeitig Pianoklänge zu vernehmen sind.

Mich hatten KAYLETH bereits währende des ersten Durchlaufs von ´2020 Back To Earth´ am Schlafittchen und der gute erste Eindruck verfestigte sich nicht nur von Durchlauf zu Durchlauf, sondern wurde durch immer wieder neu entdeckte Facetten sogar gesteigert. Ich kann Anhängern der angesprochenen Musikrichtungen dieses Album also nur wärmstens ans Herz legen!

Ein kleines Vermutströpfchen bleibt aber. Das Album wird es nicht auf Vinyl geben. Aber vielleicht ändern das ja „Argonauta Records“ noch irgendwann.

(8,5 Punkte)

 

KAYLETH sind:

Alessandro Zanetti          Bass
Daniele Pedrollo              Schlagzeug
Massimo Dalla Valle       Gitarren
Michele Montanari         Keyboards
Enrico Gastaldo               Gesang

www.facebook.com/KAYLETHBand/

http://www.kaylethstoner.bandcamp.com


(VÖ: 08.05.2020)