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Die CORONA-Tagebücher

Ein Corona-Virus bestimmt derzeit das Leben, den Tag jedes Einzelnen sowie die Nachrichten rund um den Globus. In unseren CORONA-Tagebüchern lassen wir Musiker oder Szene-Volk zu Wort kommen. Heute:

 

Thomas Thielen, Musiker, T

https://www.facebook.com/ThomasThielenT

 

Corona und ich. Als Musiker?

Nee. Für mich als Musiker ist das Virus eher nebensächlich, denn ich habe viele andere Einnahmequellen. Natürlich, meine Konzerte in Verviers und in Essen mussten verschoben werden, und auch die Zukunft ist unsicher. Sechs Monate Vorbereitung in Promo, Organisation, Proben, Monitoring-Programming, Sound-Programming, Lightshow-Programming und irgendwas-anderes-Programming sind erst mal größtenteils am Arsch. Sehr schade, und ja klar: ärgert mich.

Aber meine Güte, was ist das irrelevant. Wenn ich sehe, wie Markus Reuter, einer meiner großen Guitar-Heroes, auf Go-Fund-Me gekämpft hat, um für seine kleine Tochter weiterhin ein angemessenes Lebensumfeld bieten zu können; wie Veranstalter und Clubs gerade um ein Weiterleben ringen, wie Bands vor dem Nichts stehen – soll ICH mich da beklagen? No way.

Wohlstandsverwahrlosung und verwöhnte Wutbürger haben wir genug, finde ich. Not my cup of tea.

Ich sehe mich aber sehr genau um: Wer von meinen Kollegen agiert wie? Viele halten unglaublich gut zusammen, viel Solidarität und gegenseitige Hilfe sprießt. Das ist nicht weniger als göttlich großartig. Ist ethisch eigentlich klar, Boot, eins, alle, wir, und so weiter – aber wenn es umgesetzt wird, ist das nochmal eine andere Nummer. Grandios.

Da gibt es aber auch gar nicht mal so unberühmte deutsche Musiker, die jetzt jeden Bullshit von selbsternannten Experten mit Verharmlosungen bis Verschwörungsschwurbelei teilen: Darunter werden sie dann von drölfzig Kommentaren per Faktencheck-Link über Faktencheck-Link damit konfrontiert, dass sie, sagen wir, in Virologie und Epidemiologie, noch ein paar Semester dranhängen sollten, bevor sie fordern, dass „dieser Prof. Dr. [Generalsoberarztministergott h.c.] Bhakdi endlich mal gehört werden müsse!“ und so ein Kram, meistens mit deutlich mehr Ausrufezeichen, als ich bereit bin zu reproduzieren. Weil nicht Mainstream. Alle bezahlt, don’t trust experts (außer mir, ich bin ja Experte im Expertennichttrusten – merkt ihr selbst, oder?)

Was kommt dabei raus? „Ist halt meine Meinung“ ist die Standardantwort – äh, ja, Meinungsfreiheit deckt das ab. Aber nicht jede Meinung ist sinnvoll oder wertvoll. Wer aufgrund von „All you need is love“ meint, Jack the Ripper spielen zu dürfen, sollte deutlich mehr Zeit ins Training seiner Lesekompetenz investieren als ins Posten von Meinungen.

Don’t get me started: Meinungs-Bildung heißt so, weil man nicht zuerst eine Meinung hat und dann die Fakten so sortiert und selektiert, dass sie dazu passen. Man bildet sich und eine Meinung erst along the way, und wenn man das gerafft hat, dann merkt man: Meinungen können sich ändern, sogar die eigene (Wow! Houston, vergesst diese andere Sache!).

Anyway, ich bin gerade einerseits begeistert von der Solidarität in der Szene. Markus hatte sein Geld ziemlich schnell zusammen, „Das Rind“ in Rüsselsheim war innerhalb kürzester Zeit erstmal über den Berg, und auch für den „Colossaal“ sieht es ganz gut aus. Toll, Leute! Aber andererseits möchte ich denen, die jetzt immer noch, wo Italien am Boden liegt und weint, wo sich in den USA eine Sozial- und Gesundheitskatastrophe abzeichnet, wo vielerorts um Angehörige getrauert wird, wo gerade ältere Menschen in realer Angst leben (ja, ich kenne davon so ein paar) oder jüngere in Angst um ihre älteren Freunde und Verwandte…

… wer da jetzt immer noch solchen Bullshit vor sich hin rotzt, obwohl er mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass es Bullshit ist, den würde ich gern als Arschloch outen dürfen. Und ihm wünschen, dass er von der Solidarität innerhalb der Branche ausgeschlossen wird, weil er selbst ja sich als asozial, egozentrisch, selbstverliebt und – im wahrsten und schlimmsten Sinne des Wortes – idiotisch erwiesen hat: Er hat nur seine eigene (idion) Wahrheit im Sinn und das, was andere durchmachen oder draußen passiert, ist ihm egal.

Ich habe aber nicht den Arsch in der Hose, hier öffentlich zu machen, von wem ich das weiß. Schaut halt selbst nach und zieht eure Schlüsse draus. Ich sage dazu nur eins, und das in genau dem Höflichkeitsgrad, der mir angemessen erscheint:

Fuck you.