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DEF LEPPARD – The Early Years 1979-1981

~ 2020 (Mercury/Universal) – Stil: NWoBHM/Hard Rock ~


DEF LEPPARDs Anfänge als eines der Aushängeschilder der NWoBHM schienen der Band lange Jahre eher peinlich zu sein. Schon ab der ´Hysteria´-Phase wurde das Material der ersten beiden Alben mit Ausnahme der Ballade ´Bringin‘ On The Heartbreak´ fast komplett ignoriert. Ausgerechnet bei ihrer ersten Casino-Residenz in Las Vegas 2014 schien die Band ihren Frieden mit dem Frühwerk  zu schließen, indem Songs wie ´Rock Brigade´, ´Mirror Mirror´ und der obskuren B-Seite ´Good Morning Freedom´ endlich wieder live gespielt wurden. 2017 wurde die allererste Indie-EP für den „Record Store Day“ neu aufgelegt, und in der ´The Albums 1980-1987´-Box im Folgejahr endlich auch das Frühwerk inklusive einiger Raritäten piekfein remastert und in eine Reihe mit den kommerziellen Hits gestellt.

Mit ´The Early Years´ widmet sich nun ein komplettes, fünf CDs und ein Buch umfassendes Boxset im Detail der Phase, in der DEF LEPPARD mit IRON MAIDEN und SAXON an vorderster Front des „neuen“ Heavy-Metal-Hypes standen. Dass zwei der fünf enthaltenen CDs auf remasterte Ausgaben von ´On Through The Night´ und ´High’n’Dry´ entfallen, ist zwar irgendwo logisch, aber für Fans und Sammler natürlich nicht unbedingt der größte Kaufanreiz. Dafür haben es die anderen drei Scheiben fraglos in sich. Auch wenn Bootleg-Sammlern natürlich noch mehr Material aus der Phase von 1979-1981 bekannt ist, fasst ´The Early Years´ diese Jahre ohne Frage ziemlich perfekt zusammen.

 

 

Speziell das Livealbum ´When The Walls Came Tumbling Down´, mitgeschnitten 1980, zwei Wochen nach Erscheinen des Debütalbums, und brandneu gemixt, ist für alle NWoBHM- und Früh-LEPPARD-Fans ein unverzichtbares Sahneschnittchen. Wer nur ´Hysteria´ kennt, könnte eventuell von der Ausrichtung und der Rohheit des Materials etwas überrascht sein: musikalisch steht das nämlich alles eher in einer Reihe mit den ersten Alben von IRON MAIDEN oder DIAMOND HEAD als mit dem poppigen Glam-Hardrock späterer Alben. Imponierend, wie professionell eingespielt und tight die Jungs trotz ihres jugendlichen Alters – Joe Elliott (Gesang) war mit 20 der Bandopa, Rick Allen (Drums) bei seinem Einstieg gerade mal 15 Jahre alt! – schon damals agierten. Gleichzeitig erklärt das exzellent klingende Dokument auch die oft geäußerte Kritik an der Produktion von ´On Through The Night´: live ging die Band eben weit aggressiver zu Werke als auf dem von Tom Allom (JUDAS PRIEST) feingeschliffenen Studiowerk überhaupt zu erahnen ist. Der deutlich gesteigerte Härtegrad lässt gerade die auf dem Album scheinbar in zweiter Reihe stehenden Stücke wie ´Sorrow Is A Woman´ oder ´Satellite´ besonders glänzen, und die Gitarrenarbeit von Steve Clark und Pete Wills steht hinter der von Dave Murray und Dennis Stratton (IRON MAIDEN) mitnichten zurück. Neben dem kompletten, bis dahin von der Band auf Vinyl veröffentlichten Songmaterial gab’s bei der Show auch noch drei damals neue Songs zu hören: ´Lady Strange´ landete in sehr ähnlicher Fassung auf ´High’n’Dry´, ´When The Rain Falls´ wurde ebenfalls fürs Zweitwerk zu ´Let It Go´ umgestrickt, und ´Medicine Man´ eröffnete drei Jahre später als ´Rock! Rock! Till You Drop´ den Platinseller ´Pyromania´.

´Too Many Jitterbugs´ enthält sämtliche Non-Album-Tracks der Phase, von der ´Def Leppard E.P.´ über frühe, von Nick Tauber (THIN LIZZY, COCK SPARRER, MARILLION) produzierte Versionen inklusive der bislang offiziell unveröffentlichten ´Rock Brigade´/´Glad I’m Alive´-Single. Mit dem oben erwähnten ´Good Morning Freedom´ – einer der unwiderstehlichsten Ohrwürmer des DEF-LEPPARD-Kanons – gibt’s noch eine rare B-Seite aus den Debüt-Sessions, und diverse Edit- und Remix-Fassungen der ´High’n’Dry´-Phase runden den „All-in“-Rundumschlag für Komplettisten ab. Die fünfte Disc ´Raw´ enthält diverse BBC-Sessions, von denen der 28-minütige Mitschnitt vom Reading-Festival 1980 aus historischer Sicht sicher am interessantesten ist, wehte der Band doch schon damals wegen einer US-Tour der Vorwurf des „Ausverkaufs“ entgegen. Tja, die True-Metal-Polizei gab’s halt schon lange vor MANOWAR.

Abgerundet wird die Box im Ten-Inch-Format von einem gebundenen Büchlein, das Fotos, Presseausschnitte und Linernotes von Paul Elliott und den Bandmitgliedern enthält. Die fünf CDs kommen als Papersleeves in einem Triple-Gatefold-Schirm. Ob man nun unbedingt der Box selbst diese hässlichen Ringwear-Optik hätte verpassen müssen, bleibt höchst streitbar, aber letztlich für den musikalischen Gehalt egal. Schade nur, dass die vom semioffiziellen ´First Strike´-Bootleg bekannten Fassungen hier nicht auch noch vertreten sind, aber es ist davon auszugehen, dass die Rechtefrage für dieses Material nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist. Und naturgemäß gibt es innerhalb der fünf CDs auch so bereits viele Songs mehrfach zu hören. Der Gelegenheitsfan, der sich daran stören könnte, dürfte hier aber ehedem nicht die Zielgruppe sein: das hier ist für beinharte DEF LEPPARD-Fans und NWoBHM-Sammler gedacht.