Redebedarf

VANISH

~ Interview mit Gitarrist Ben Galster und Sänger Bastian Rose ~


Die deutschen Power Metaller VANISH waren vor Kurzem, gerade noch rechtzeitig vor der Coronakrise, auf kleiner Tournee und stellten gleichzeitig zu ihrem Bandjubiläum eine EP fertig (siehe hier). Zudem habe sie ihren Auftritt in Prag gerade im Netz uraufgeführt (siehe hier).

Wir haben sie eben, gerade noch rechtzeitig vor das Mikrofon bekommen, um ein kleines Schwätzchen zu halten.  

Ihr kommt gerade wieder von einer Tournee mit RAGE zurück. Welche Eindrücke habt ihr mitgenommen?

Ben: Unsere Heavy Metal-Klassenfahrt war von vorne bis hinten ein großartiges Erlebnis. Die Kameradschaft zwischen allen, die an dieser Tour beteiligt waren, war beispiellos. Die anderen Bands, die Crew, die Busfahrer, jeder war gut drauf und hat sich in den Dienst der Sache gestellt, das war ein tolles Gefühl.
Dazu kommen natürlich noch die vielen geilen Konzerte, die wir gespielt haben. Das Publikum war uns gegenüber überall sehr offen und wir hatten jeden Abend einen Mordsspaß.

Bastian: Ja, da kann ich Ben nur beipflichten. Es war sicherlich eine unglaublich harmonische Sache. Zeigt sich schon alleine daran, dass alle drei Bands die gleiche Backline, den gleichen Lichtmischer und Soundmann nutzten. Hast Du das schon einmal bei einer Band vom Kaliber „RAGE“ gehört? Das gibt’s eigentlich nie. Somit war das echt super. Es hat sicherlich geholfen, dass wir die Jungs von RAGE schon kennen und Lucky ja auch unser Booker ist.

Wie lange wart Ihr unterwegs?

Ben: Es waren 9 Tage mit 8 Konzerten.

Wie war es sonst, mit Peavey und RAGE on the Road?

Ben: Absolut großartig! Marcos und Lucky sind unglaublich coole und nette Typen. Und vor allem Lucky war super engagiert, diese Tour für jeden zu einem tollen Erlebnis zu machen. Peavy ist natürlich auch ein super Typ. Ich hab mich anfangs kaum getraut ihn anzusprechen, man will ja der Metal-Legende nicht auf die Nerven gehen. Wir haben dann aber alle zusammen die Erfahrung gemacht, dass er ein unglaublich entspannter und freundlicher Typ ist. Wir hatten dann noch ein paar wirklich lustige Gespräche im Bus.

Bastian: Es ist auch immer total interessant, wann coole Momente auf so einer Tour entstehen und man sich nach einem Konzert vor dem Load-In plötzlich in einer witzigen Miniparty wiederfindet. Manchmal gehen alle müde in den Bus und manchmal geht kurz noch die Post ab. In diesem Zusammenhang hat Peavy auch viel von seiner Präparatorkunst erzählt.

Irgendwelche lustigen Anekdoten?

Ben: Haufenweise! Zum Beispiel als der kranke Bassist von SERENITY von seinen Bandkollegen angewiesen wurde, beim Schlafen im Bus das Fenster zu öffnen, damit im Falle seines Ablebens wenigstens die Seele entweichen kann.

Oder die abenteuerliche Pannenserie mit unseren Bussen. Von den zwei Tourbussen, mit denen wir in Memmingen gestartet sind, ist nämlich kein einziger in Bochum angekommen.

Bastian: Da die Jungs von SERENITY auch absolute Progmetal-Kenner sind, haben wir im Bus oft alte Klassiker von SYMPHONY X gesungen, wie das auf so einer Ausfahrt halt so üblich ist. Auf so einer Tour erlebt man einiges: Menschen, die in Ohnmacht fallen, Schnee, Buspannen, Duschen an den merkwürdigsten Plätzen etc.

Jetzt seid Ihr wieder Zuhause. Immer noch im Fieber oder konzentriert Ihr Euch schon auf die nächsten Ereignisse?

Bastian: Durch die Corona-Sache werden wir wohl gezwungen sein, erstmal keine Gigs zu spielen. Wir hatten echt das größte Glück der Welt, kurz vor diesem Ausbruch, die Tour noch zu Ende gebracht zu haben. Wir schreiben somit kräftig am nächsten Album und haben auch schon 7-8 konkrete Songs, die wir nun noch verfeinern und arrangieren. Ben soll ja dem Album auch seinen Stempel aufdrücken und das wird er auch.

Ihr feiert dieses Jahr Euer 20-jähriges. Seid Ihr stolz auf die zwei Dekaden?

Ben: Ja klar! 😉

Ich bin ja erst seit ca. einem Jahr in der Band. Wobei ich sagen muss, wir kennen uns ja alle schon ewig und ich habe diese 20 Jahre fast komplett mitbekommen! Ich bin auf jeden Fall stolz auf die Jungs.

Bastian: Wir haben mit Bens alten Bands schon zu Beginn unserer VANISH-Zeit oft zusammengespielt. Ich bin vor allem ultra stolz auf die Zeit seit 2012, als wir richtig Gas gegeben haben und VANISH zu unserer Prio gemacht haben. Vorher dümpelte das oft neben anderen Bands, die einfach mehr Livepräsenz hatten, etwas herum. Somit würde ich eigentlich sagen, dass es uns erst so richtig seit 2013/2014 rum gibt. Der Startschuss war sicher die VÖ von ´Come To Wither´ als erster weltweiter Release.

 

 

Es war bestimmt nicht immer einfach…

Ben: Sicher. Diverse Besetzungswechsel und alle Jahre wieder die Suche nach mehreren neuen Proberäumen sind sicher eher wenig spaßig und kosten Zeit und Nerven.

Bastian: Deshalb haben wir nun eigentlich auch in der Band keinen Bock mehr auf Leute, die wir nicht kennen. Die letzten zwei Besetzungswechsel haben wir mit Leuten durchgezogen, die wir bereits gut kannten. Andi kam als Kumpel von FORENSICK und Ben jetzt als langjähriger Kumpel dazu. Es ist einfach unglaublich wichtig, dass die Chemie stimmt. Und wir haben uns überraschender Weise kein einziges Mal auf der Tour gefetzt. Das habe ich nicht erwartet. Haha.

Gab es auch mal schwierige Zeiten, in denen Ihr fast vor dem Aus standet?

Ben: Puh… Basti, gab es die?

Bastian: Als progressive Powermetal Band gibt es nur schwierige Zeiten, weil natürlich der Underground nicht so wirklich existiert. Du kannst eigentlich nur ordentlich besuchte Konzerte mit größeren Bands machen. Headliner Shows machen fernab der Heimat nur wenig Sinn. Auch sind natürlich die Plattenverkäufe nicht mehr das, was sie sind. Aber immer wenn wir den Weg auf die Bühne finden, geben wir alles und das kommt auch eigentlich immer gut an. Wir rocken halt! haha

Was empfindet Ihr über die Jahre hinweg immer als echte Highlights? Die Album-Veröffentlichungen?

Ben: Neues Material zu veröffentlichen und dann auf die Reaktionen zu warten ist natürlich aufregend. Aber das wichtigste und schönste sind sicher immer die Konzerte. Wenn, wie bei der letzten Tour, das Publikum voll dabei ist, das ist es, wofür es sich lohnt, immer am Ball zu bleiben.

Bastian: Die Tour ist sicherlich so ein Highlight, weil wir das ja so noch nie gemacht haben. Wir durften mal ein wenig Rockstar sein und das ist natürlich schon toll. Großartig ist es einfach, wenn Leute etwas gut finden, das Du Dir ausgedacht hast und wo Dein Herzblut drin steckt. Wenn also jemand jubelt, dann macht er das aus Überzeugung und nicht weil Du gerade einen seiner Lieblingssongs coverst. Das ist schon toll. Somit bin ich auf den künstlerischen Output natürlich besonders stolz. Das letzte Album ´The Insanity Abstract´ und die dazugehörige EP ´Altered Insanity´ sind einfach wirklich der Hammer.

Wo waren die Höhen und Tiefen?

Ben: Seit ich in der Band bin, habe ich eigentlich nur eine Höhe nach der Anderen erlebt. Festivalgigs bei Rock The Ring in der Schweiz etwa, dem Rock of Ages Open Air, oder jetzt eben die Tour.

Kann sich einer noch genauer an die Bandgründung erinnern oder ist das zu lange her?

Ben: Soweit ich weiß war da damals was mit einem Stern über einem Stall oder so…

Bastian: Haha, da waren wir beide nicht wirklich dabei, da ich auch erst danach dazu kam.

Findet Ihr, dass sich die Szene in all den Jahren verändert hat?

Ben: Jetzt mal unabhängig von meiner Erfahrung mit VANISH, ich mache ja auch schon seit über 20 Jahren Musik. In dieser Zeit hat sich die Szene enorm verändert. So um 2003 bis 2006 gab es noch unglaublich viele kleine Bands und überall fanden ständig Konzerte statt. Viele Bands von damals waren zwar furchtbar, aber es war eine unglaublich lebendige Szene und selbst auf dem Land wo ich wohne, war fast jedes Wochenende live Musik geboten.

Heute sind fast alle Bands, die man findet, wirklich talentiert, aber das allgemeine Interesse an Livemusik, ist vor allem bei der jüngeren Generation auf dem Tiefpunkt.

Bastian: Ich habe es vorher ja schon gesagt, der Markt ist hart umkämpft. Unser Wachstum gestaltet sich leider nicht wie bei Coronainfektionen exponentiell, sondern extrem zäh linear. Wir wachsen ganz langsam. Das macht zwar Spaß, aber ein kleiner Schub ist natürlich immer willkommen.

 

 

Zum Jubiläum habt Ihr auch ein kleines Scheibchen aufgenommen. Was war die Intention dahinter?

Ben: Wir wollten mit der neuen EP ´Altered Insanity´ den Fans zur Tour einfach nochmal ein paar Leckerlis zukommen lassen. Außerdem konnten wir das ´The Insanity Abstract´-Album, als es erschienen ist, leider nicht ideal promoten. Vielleicht entdeckt ja jetzt noch der Eine oder Andere das Album, der es bisher noch nicht kannte.

Bastian: So ein Album hat heutzutage leider an Halbwertszeit verloren, somit wollen wir, weil wir das Album extrem genial finden, wirklich den Fokus länger auf das Album legen. Da wir ja alle normale Jobs haben, können wir auch nie den 2-Jahreszyklus durchziehen. Dafür legen wir auch zu sehr Wert auf Qualität und wollen so wenig Fillersongs wie möglich auf die Platte packen. Nämlich keinen!

Wie seid Ihr an all die Gaststars gekommen: Alicja Mroczka, Tim „Ripper“ Owens und Ralf Scheepers?

Bastian: Wir wollten eine stimmige EP vorlegen, auch wenn es nur um einen kleinen Release ging. Wir sind von der Idee ausgegangen, dass wir mit dem Song ´We Become What We Are´ noch etwas anfangen wollen. Eine Single war uns zu wenig. Und als ich mal die Ripper/Priest Ballade ´Cathedral Spires´ gehört habe, dachte ich, man könnte den Ripper doch mal wieder eine Ballade singen lassen und er fand die Idee extrem geil.

Wie habt Ihr die Songs mit denen aufgenommen?

Ben: Wir haben uns in einer Hütte im Wald getroffen und während eines uralten Rituals einen Kassettenrecorder mitlaufen lassen.

Geil. Genau so liebe ich es. 🙂

Bastian: Dabei ist Ralf, unser Drummer, nackt mit Bongos um den Bauch um das Lagerfeuer gehüpft und hat mit Popcorn geworfen.

Ben: Nein Quatsch. Auch sowas ist in Zeiten der Digitalisierung zum Glück einfach. Wir haben den Gästen Instrumentalversionen und von Basti gesungene Versionen der Songs geschickt und jeder hat dann in seinem eigenen Umfeld aufgenommen.

Und dann verbeugt Ihr Euch mit dem Tribute vor Ronnie James Dio. Der Einfluss ist Eurem Sound aber nicht unbedingt anzuhören..?

Ben: Das war Bastis Idee. Und es war eine hervorragende Idee!

Bastian: Ich habe für mich damals, als Ronnie gestorben ist, abends diesen Song mal so mit dem Klavier aufgenommen und Philipp, unser Gitarrist und Producer, hat immer gesagt, das müssen wir nochmal richtig aufnehmen. Und jetzt nach zehn Jahren war es soweit. Der Einfluss von DIOs Musik ist vielleicht nicht so evident, aber als Sänger ist er mit Dickinson, Kiske sicherlich eines meiner Vorbilder.

Was haltet Ihr von den 3D-Hologramm-Tourneen von seinen Nachlass-Verwaltern?

Ben: Ich liebe Dio und konnte ihn zum Glück auf der letzten „Heaven & Hell“-Tour noch live sehen. Ich bin ehrlich gesagt nicht besonders scharf auf diese Hologrammshow.

Bastian: Ich habe noch keine Tour so gesehen. Allerdings finde ich den Gedanken, dass man das Hologramm oder die Videoaufnahme mit anderen Livesängern kombiniert schon irgendwie interessant. Aber nur einer Tonaufnahme zuhören finde ich dann auch wieder lahm.

Spielt Ihr eigentlich selbst gerne live?

Ben: Wie bereits gesagt, die Konzerte sind für mich das Highlight. Ich spiele in einer Band, um live spielen zu können.

Bastian: Absolut. Live zu spielen hat eine unglaubliche Energie und wenn Leute deine geschriebenen Melodien und Texte mitsingen ist das wohl mit das Größte, was es so gibt.

Gibt es dieses Jahr noch weitere Auftritte?

Ben: Geplant waren einige Gigs, aber vieles wurde schon abgesagt. Eigentlich freuen wir uns auf ein paar wirklich coole Festivals dieses Jahr.

Im Moment gilt es aber erst mal abzuwarten, wie die Coronakrise weitergeht. Darunter leidet die Szene gerade unheimlich. Hoffen wir einfach, dass der Spuk bald ein Ende hat und tun bis dahin unser Bestes, wenigstens nicht zur Verbreitung des Virus beizutragen.

Bastian: Allerdings wird es durch das Coronavirus sicherlich schneller Alben von allen tollen Bands geben, weil alle Musiker Zeit haben, Songs zu schreiben. Wir ebenso!

 

 

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