Livehaftig

FULLMETAL OSTHESSEN 2020

~ 6. – 8. März 2020, Niederjossa ~


Das neunte FULLMETAL OSTHESSEN öffnete frohen Mutes seine Pforten, derweil sich in Europa langsam das Coronavirus ausbreitete. In Niederjossa war jedoch noch genügend Zeit, sich in großer Gemeinschaft der wichtigsten Nebenbeschäftigung überhaupt hinzugeben, dem Hören, Huldigen und Anbeten des Heavy Metal.

Leider mussten zu Beginn die Absagen der Thrasher HAMMERSTROKE aus Bad Salzungen und CONTRADICTION aus Wuppertal hingenommen werden. Zumindest für die krankheitsbedingt verhinderten HELL PATRÖL aus Heidelberg kamen TORTUREBITCH neu aufs Billing.

 

Freitag

TORTUREBITCH

Dann ist es soweit, das FULL METAL OSTHESSEN beginnt. Als erstes versuchen TORTUREBITCH aus Mücke mit ihrem Sound die Bühne zu zerlegen. Von der Beschallung her gelingt ihnen das bereits prächtig. Die Jungs fahren einen Thrash Metal auf, dem die Grobheit des Punk nicht ungelegen kommt. Wenn alte SODOM sich mit MOTÖRHEAD vereinen, könnte es wie TORTUREBITCH klingen.

Hier regiert die grobe Kelle und zeigt Metal in purer Natur. Die rauen Vocals verleiten unterdessen jeden Besucher, nach einer kühlen Gerstenschale zu greifen, um die eigene Kehle nicht ebenfalls so trocken klingen zu lassen. Ob Bier oder Eppler, die Mucke mundet geschmacklich im Verbund.

https://www.facebook.com/tbthrash/

 

SURGICAL STRIKE

Im Anschluss besteigt ein heißes Eisen der hiesigen Thrash-Szene die Bühnenbretter: SURGICAL STRIKE aus dem Raum Hannover. Ihr kürzlich veröffentlichtes Album war bereits eine geschmackvolle Wohltat und ließ den Kopf in Dauerrotation einrasten, doch live on stage vermitteln die Herren erst richtig wie sie ihren Thrash Metal zelebrieren: laut, fett und unnachgiebig hart.

Danach schaute kein Strohhalm mehr aus einem, womöglich auf den Stehtischen abgestellten Cocktail heraus. Die Männer rasieren alles in ihrer Nähe ab. Der erste Höhepunkt des noch jungen Festival-Tages lässt die Hoffnung auf ein erfolgreiches FMO steigen.

https://www.facebook.com/surgicalstrikemetal/

 

ERADICATOR

Wer „seinen“ Thrash Metal womöglich einen Tick melodischer mag, steht bei ERADICATOR vor der Bühne an richtiger Stelle. Ganz im Sinne der Bay Area lassen sie ihren Sound durch den Raum und die Haare durch die Luft kreisen.

Sonniges Kalifornien-Wetter scheint selbstredend nicht aus den Kompositionen, schießen die Mannen doch auch im Sinne teutonischer Legenden ihre Riffs unters Volk.

https://www.facebook.com/EradicatorThrash/

 

RABID BITCH OF THE NORTH

Aufgrund der zwei Absagen ist bereits jetzt Showtime für den frisch gekürten Headliner: RABID BITCH OF THE NORTH. Und diese waren bereits frühzeitig angereist, um in der Umgebung einige epische Pics vor und hinter Gemäuern zu machen. „Trapped in 1799“ war ihr Lieblingsfoto hinter eisernen Stäben.

RABID BITCH OF THE NORTH lassen sich an diesem Abend jedoch nicht lange bitten, das Trio bringt die Meute zum Kochen, zum Bangen und zum Abfeiern. Die Iren rocken die Bühne als gäb’s kein Morgen mehr. Gerry, Joe und Chris sind gut drauf, um allen ihren kauzigen Heavy Metal vorzulegen. Coole Socken spielen einfach coole Mucke.

https://www.facebook.com/NWOBHMRBOTN/

(Mit bestem Dank für alle Freitag-Fotos an El Lobo von www.rockliveradio.de)

(Silvio Spagnolo/Michael Haifl)

 

Samstag

Zunächst sollte der Plan lauten: 2020 einen Gang runterschalten und die Zahl der Festivals reduzieren, was sich aber relativiert hat in Richtung Großveranstaltungen reduzieren und zugunsten kleinerer Festivals auf zu neuen Ufern. Nun also – nach Abwarten der durchschnittlichen Inkubationszeit mein letzter, virenfreier Konzertbericht … glücklicherweise dank der Gastgeber und Bands in gewohnt euphorischer Form.

Da die täglichen Begrüßungszeremonien (mal wieder) ganz ohne einschlägige Schokoriegel längere Zeit in Anspruch nimmt und ich somit lediglich den Schluss des Openers sehe, überlasse ich das Feld unserem lieben Markus Bohn, der so freundlich war, mir hier aus der Bredouille zu helfen:

WOLFSTAVAR

Nachdem WOLSTAVAR schon am 23.11.2019 beim FULL METAL OSTHESSEN Bandcontest im Juze Bad Hersfeld die Mengen begeistern konnte, gewannen sie den Opener Slot am FULL METAL OSTHESSEN Samstag. Als die Leipziger am frühen Samstagnachmittag die Bühne der heiligen Halle entern, sind schon erstaunlich viele Metalheads vor der Bühne und feiern direkt ein mitreißendes Set der jungen Wikinger ab. Es wird getanzt, gebangt und die Fäuste in die Luft gerissen!

Eine Mischung aus Power von AMON AMARTH gepaart mit Volkelementen und unvergesslichen Melodien hagelt über das Metalvolk ein. Mit Harfe, Schalmei und Dudelsack werden alle Anwesenden durch ein hochkarätiges Folkmetalprogramm getrieben, welches bei allen zu aufgerissenen Mündern und Schweiß in den Kutten führt. Auch das dosierte Corpsepainting der Band ist absolut angebracht und wirkt hier nie peinlich. WOLFSATVAR haben definitiv wieder neue Fans dazugewonnen und unterstreichen eindrucksvoll, dass Folkmetal durchaus „true“ ist und auch auf Festivals wie das FULL METAL OSTHESSEN gut passt!

(Markus Bohn)

(WOLFSTAVAR Fotos von MetalWerner)

https://www.facebook.com/Wolfstavar/

RADIANT

Mein lieber Schieber, mit der legendären „Captain Future“-Titelmelodie von Christian Bruhn als Intro bewirken RADIANT schon mal gespitzte Spockohren bei dem nicht geringen Nerdanteil (als Kompliment gemeint, liebe Devotchkas & Droogs), was nur durch ihren Auftritt selbst noch übertroffen werden kann. Mit erhöhtem Herzschlag stelle ich fest, dass hier am Mikro Herbie Langhans – einer meiner erklärten Lieblingsfronter aus heimischen Landen – agiert. Ein hochkarätiger Sänger, der unter anderem BEYOND THE BRIDGE, AVANTASIA live, VOODOO CIRCLE und auch die Griechen FIREWIND bereichert.

Der zweite Hingucker ist definitiv Bassist Markus Beck, der neben seiner überragenden Leistung an Instrument und in Sachen Stageacting dazu noch optisch an Peter Tägtgren erinnert. Mit ihrem schweinegeilen Hardrock, der fetten Powermetalnummer ´Liars´, der mitreißenden Partyhymne ´You Rock´ inklusive Mitsingpart bis hin zum stark gebrachten DIO-Cover ´Stand Up And Shout´, das die Menge schier zum Durchdrehen brachte, gibt die komplette Band RADIANT heute eine goldene Visitenkarte für alle gemischten Festivals und besonders das H.E.A.T. ab – greif zu, Eddy! – und hinterlassen sehr, sehr glückliche Hard & Heavyheads.

https://www.facebook.com/radiant.hardnheavy/

 

CROM

Da schmeckt das Bier vom Fass und passend dazu gibt es nun „Epik Metal vom Fass“, wie es unser Michael Hahn vortrefflich ausdrückt. Aber wahrlich nicht von der Stange, denn was Walter „CROM“ Grosse als Einzelkämpfer seit 2000 schmiedet, wird heute live erweckt, denn der Stahl ist nichts im Vergleich zu der Hand die ihn führt. Während andere Cimmerier sich dem Buche des MANOWAR verschrieben haben, spielen CROM die Musik, die eines CONAN würdig ist.

Die Macht des Fleisches wird gebührend heavy durch drei entschlossene Mannen zelebriert und das mit dem von Platte bekannten, hervorragenden melodischen Gesang. Ich habe noch nie zu ihm gebetet, doch sage ich euch: CROM stehen alleine gegen eine Armee von Klonen. Hilf‘ ihnen bei ihrer Rache … oder zum Teufel mit dir!

https://www.facebook.com/cromofficial/

 

STEEL SHOCK

Selten glänzte der Stahl zweimal in Folge so hell wie nun auch bei STEEL SHOCK, die mir mit dem höchsten Nietenaufkommen des Abends eines erneut klarmachten, was auch die ehemaligen Götter aus dem Land der frei gewählten Diktatur selbst schon festgestellt haben: Americans don’t own true Metal – its home is in Europe and this time NOT fucking Richard Wagner – this time it’s the netherlands!

Wahrer Heavy Metal zu Ehren des leider letzten Jahres verstorbenen VORTEX-Originales Martjo „Whirlewolf“ Brongers (R.I.P., brother) wird eindrucksvoll, kraftvoll und mitreißend geboten. Niemand braucht danach ein federlassendes „Original“, überbezahlte Fußballer gibt es genug. Fanfreundliche Preise für Merch inklusive. All Hail to STEEL SHOCK!

https://www.facebook.com/shockwaveofsteel/

 

TURBOKILL

Der ehemalige ALPHA TIGER-Frontmann und seine neue Mannschaft starten mit einem perfiden Trick: Anstatt sich nur mit einem Coversong zu verabschieden starteten sie mit HELLOWEENs ´I Want Out´ in feinster Darbietung, was – wenn man’s kann und ja, sie können es – natürlich die Stimmung und Laune bis zum Siedepunkt anheizt. Das eigene Material der Sachsen steht diesem Klassiker an Power und Melodien erfreulicherweise in nichts nach, sodass wir nun die nächste Vollbedienung allererster Kajüte erleben dürfen.

Schneller, härter, lauter auf einem technisch unglaublichen Niveau ist das Credo der Band und dazu Anspruch mit Eingängigkeit zu verbinden ist eine Kunst, die TURBOKILL aus dem FF beherrschen. Welcome to US Metal made in Germany. A big „Hellas“ to Greece – die ja bekanntermaßen ebenfalls einige sehr gute Vertreter dieser Stilrichtung vorzuweisen haben – the competition is on! Boah, als ob das nicht alles schon genug wäre, setzen diese brutalen Draufschicker uns zum Abschluss auch noch ´The Sentinel´ von Priest drauf, wie auch übrigens am Folgetag die Kanadier RIOT CITY in Mannheim. Superb.

https://www.facebook.com/TURBOKILLBand/

 

VELVET VIPER

Wer Jutta und die Jungs schon mal gesehen hat weiß, dass es nun feinsten Nibelungenstahl gibt und Jutta, die nach zahlreichen Band- und Musicalerfahrungen als auch Solowerken irgendwann Mitte der 80iger Jahre in den Zaubertrankkessel des Heavy Metal gefallen ist, liefert 2020 genauso wie ich sie 1988 in der Dortmunder Westfalenhalle erleben durfte, damals mit CRIMSON GLORY, QUEENSRYCHE und…und…und. Googelt, denn hier geht es um ihre Reinkarnation als VELVET VIPER.

Ihre Stimme schneidet Stahl, ihre Musik setzt sich aus Metal und Fantasie zusammen und sie lebt dafür zu spielen und für ihre Fans da zu sein. Ihre Art ist ihr Zauber und dieser übertrifft selbst den von Merlin himself. Aber auch die Metalwelt ist ungerecht, nur so ist es zu erklären, dass Jutta nie Auftritte auf den ganz großen Bühnen und den Erfolg von DORO – die 1988 übrigens ebenfalls aufspielte – feiern durfte.

Für uns als Fans ist es jedoch gut, dass somit dieser enge Kontakt zwischen unserer Tochter des fliegenden Holländers und ihren Anhängern genau so weiterbesteht. Mit dieser famosen Band sollte ihr Siegeszug bei den treuen Liebhabern heimischen Metals noch lange fortbestehen.

https://www.facebook.com/VelvetViper/

 

IRON KINGDOM

Immer, wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her … in diesem Falle handelte es sich um ein blendendes Leuchtfeuer des Heavy Metal aus Kanada, mit RIOT CITY und TRAVELER am nächsten Tag in Mannheim die dritte Band aus dem unbeugsamen, gallischen Land über den vereinigten Staaten des allmächtigen Volksretters.

Und auch wie die beiden Letztgenannten versprühen IRON KINGDOM ein Feuerwerk der Doppel-Leadgitarren, Power und Energie. Mehr Metal geht nicht. Das fanden die Anwesenden Banger(-innen) genauso und gaben einfach Alles. Die Band dankte dies mit einem fetten Auftritt und unbändiger Spielfreude.

Es macht sich schon eine starke Entwicklung bemerkbar vom ersten Album 2011 bis zum aktuellen Longplayer, der letztes Jahr erschienen ist und speziell Blickfang und Neuzugang Megan Merrick an der Gitarre ist schlichtweg eine Wucht (ihr wisst, ich bin Frauenbeauftragter bei SC?!) (oder dessen Vertreter? – Anm. d. Red.) und fügt sich perfekt in das Bandgefüge neben den Ur-Mitgliedern Leighton Holmes (Bass) und Bandgründer, Sänger und Gitarrist Chris Osterman ein. Die Zeichen stehen auf Sturm!

https://www.facebook.com/ironkingdom/

 

LION’S SHARE

Wie so oft bei einem Billing dieser Liga muss man dann im Publikum leider die ersten Ausfälle notieren, was dazu führt, dass gerade eine Band wie LIONS SHARE zu ihrem Comeback weitaus mehr Zuschauer verdient hätte, zumal Frontsau Nils Patrik Johansson (ASTRAL DOORS, WUTHERING HEIGHTS und auch Solo) natürlich besonders live ein Erlebnis ist.

Natürlich mit von der Party der unbestrittene Chef Lars „Chriss“ Christmansson, die Show übernimmt jedoch Bassist Andy Loos (glaube ich!?), der ultramotiviert das Restpublikum sympathisch antreibt. Neben den bekannten, starken Hard & Heavy Stücken aus dem DIO Universum wird sogar ein Powerknaller mit leichtem Thrash-Appeal abgefeuert. Man muss den Hut ziehen vor der Band, die weit mehr gibt, als eine öffentliche Probe mit paar Anwesenden, denn sie lassen sich nichts anmerken und ziehen die Show durch mit Herzblut und mächtig Bewegung auf der Bühne.

Dazu verbeugen sie sich vor der deutschen Rock-Kultur mit einer geilen Coverversion von den guten, alten ´Big City Nights´ unserer SCORPIONS. Die Ansage „We love Heavy Metal and we drink beer“ bricht das letzte Eis beim Publikum, falls es denn bei dieser audiophilen Hitze überhaupt noch welches gegeben hätte. Mein tiefster Respekt vor Stars, die alles geben, ungeachtet der mehr als halblehren Mini-Halle. You rock!

https://www.facebook.com/lionsshareband/

 

Nach diesem Abend sind weitere Worte überflüssig, wir fühlen uns geehrt, diesem, unserem vorerst drittletzten Konzert beigewohnt und mit fantastischen Bands und Fans gefeiert zu haben. Ergebenster Dank das gesamte Veranstalterteam, Organisation, Preise, Qualität – hier passt alles. Fazit: FULL METAL OSTHESSEN – zuhause bei Freunden.

 

EPILOG:

Es ist Tradition beim FMO, dass sonntags nach dem angebotenen Frühstück ein gemeinsamer Full Metal Rock-Gottesdienst stattfindet. Natürlich nichts für die gaaaaanz Bösen unter euch, aber die Ankündigung von Eric Clayton war Grund genug diesem ungewöhnlichen, gewissen Extra beizuwohnen. Alleine die Band vorher, die drei positive Heavy-Songs spielte, war schon die halbe Miete, aber was dann folgte, war nicht, was ich erwartet hätte.

Eric Clayton verkündete nicht etwa die frohe Botschaft auf überschwängliche Weise, wie ich es von typischen amerikanischen Church-Services gewohnt bin, sondern erzählte den Anwesenden in eigenen Worten seine komplette Biografie, die es in sich hat und von seiner zukünftigen Frau übersetzt wurde. Von seiner Kindheit mit gewalttätigem Kriegsveteranen-Vater über die Wiederentdeckung seines eigenen Glaubens, den Aufstieg mit SAVIOUR MACHINE und der folgende tiefe Fall in Drogen und Depression, bis hin zur Verfolgung als Staatsfeind Nummer eins.

Diese Erzählung war so intensiv, menschlich und berührend, dass ich irgendwann nicht mehr mitgezählt habe, wie oft mir die Augen Wasser gaben. Ein Ausblick auf das kommende Album mit zwei überragenden Songs von CD und ein persönliches Meet-And-Greet (kostenlos, ihr Cash-In-Looser, die ihr euch Künstler nennt und euch mittlerweile peinlichst prostituiert!) rundeten unseren Sonntagmorgen, der unvergesslich bleiben wird, ab. Und auch ohne Eric werden zwei offenherzige Atheisten nächstes Mal den Gottesdienst mitnehmen. Live and let live, respect, unite!

(Less Lessmeister)