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H.E.A.T – H.E.A.T II

~ 2020 (earMUSIC / EDEL) – Stil: Melodic Hardrock/Metal ~


H.E.A.T haben sich für ihren Nachfolger zu `Into The Great Unknown` recht lange Zeit gelassen. Ein Album, das gut war, aber nach dem überragenden `Tear Down The Walls` doch etwas zu verhalten klang. Diese kleine Kritik scheint man im Hause H.E.A.T vernommen zu haben, denn `H.E.A.T II` klingt im Vergleich zum Vorgänger geradezu überheavy. Warum man das Album allerdings `H.E.A.T II` nennt ist eine berechtigte Frage.

Die elf Tracks sind komplett von der Band selbst produziert worden, und hallo, das Ding knallt an allen Ecken und Kanten. Man paart die frühere, kommerzielle Heavyness mit der gewonnen Erfahrung der letzten drei Alben und heraus kommt sozusagen die perfekte Mischung aus beiden Welten. Krachender, unverkennbarer H.E.A.T-Gitarrensound, der grandiose Gesang von Erik Grönwall und dieses gravierende Gespür für geile Melodielinien, übermächtige Refrains sowie den Drang sich vom Rest des Melodic-Genres abzuheben, indem man alles andere als schnulzig klingt und nicht auf die Großen der Achtziger-AOR-Szene schaut.

Schon die beiden vorab veröffentlichten Songs ließen mehr als aufhorchen, gerade weil man sich doch von der verhaltenen Spielweise des Vorgängers löste. Dass aber das ganze Album auf diesem Level agieren würde, war nicht abzusehen. Ich kann mich an dem Album nicht satthören. Selbst die eingängigsten, kommerziellsten Tracks wie `Heaven Must Have Won An Angel`, `Come Clean` (was für ein Ohrwurm!) oder die flotte Ballade `Nothing To Say` nehmen einen umgehend mit. Überraschend ist eine fast schon schwere Nummer wie `We Are Gods`, das teils an kommerziellen Power Metal in manchen Teilen erinnert, aber dann mit entsprechenden H.E.A.T-Versatzstücken ausgestattet wurde, die eindeutig zeigen, wer hier abrockt. Grönwall singt dabei unfassbar vielseitig!

Die echten Highlights verbergen sich hinter Songtitel wie `Victory`, `One By One`, `Rise`, `Dangerous Ground`, `Rock Your Body` oder `Under The Gun`. Hier liefert man Nummern, die mit allen markanten Trademarks aus dem Hause H.E.A.T ausgestattet sind und doch hat man das Gefühl, die Band ist über ihren Schatten gesprungen und wollte ihr heaviestes Album liefern.

Sänger Erik Grönwall ist der unumstrittene Mittelpunkt auf diesem Album. Was er hier abliefert, macht sprachlos. Wie überhaupt das gesamte Album. Es ist gerade Januar und ich denke, dass dieses Jahr in diesem Genre nichts mehr nachkommen wird, was nur annähernd an die Qualität dieses Albums heranreicht.

(9 Punkte)

Jürgen Tschamler

 

 

Auch wenn der Albumtitel ´H.E.A.T II´ den unbedarften Hörer auf die falsche Fährte locken könnte, das 2020er Werk von H.E.A.T ist keinesfalls erst das zweite Album der Formation, sondern markiert einen amtlichen Neubeginn. Die Schweden haben ihr neuestes Werk selbst produziert, von Bassist Jona Tee und Gitarrist Dave Dalone höchstpersönlich, denn sie wollen im vierzehnten Jahr ihres Bestehens gleichzeitig zeitgemäß als auch traditionell nach sich selbst klingen. Das Ziel muss somit lauten, mit ihrem außergewöhnlichen Frontmann Erik Grönwall die Lücke zu schließen, die seit beinahe Jahrzehnten JOURNEY, FOREIGNER und WHITESNAKE hinterlassen haben.

Der große Durchbruch blieb H.E.A.T mit dem letzten Album `Into The Great Unknown` verwehrt, obwohl der Pop-Appeal den Zeitgeist hätte befriedigen können. Ihr bislang größter Hit musste in Skandinavien wohl weiterhin ´1000 Miles´ aus ihrer Teilnahme am „Eurovision Song Contest“ bleiben. Vielleicht können sie jedoch mit den aktuellen Single-Auskopplungen ´One By One´ und ´Rise´ daran anknüpfen. Der Opener ´Rock Your Body´ versucht zumindest nochmals – wie auf dem Vorgänger – die poppige Schlagseite von DEF LEPPARD miteinzubeziehen, wobei Erik Grönwall hier bereits wie einst David Coverdale vereinzelt ins Stöhnen gerät. Aus heiterem Himmel erscheint die Power-Nummer ´We Are Gods´, die wie WHITESNAKE auf Steroiden des Power Metal mundet, im Laufe des Werkes daher nicht. Spätestens mit dem Erklingen der Backgroundgesänge schallt ein ´Victory´, natürlich gleichermaßen aufgrund der Lyrics, gnadenlos wie True Metal im AOR-Gewand aus den Boxen.

Die Gitarren dürfen sowieso wieder ordentlich kreisen, gewähren gleichwohl zur Glückseligkeit aller Glitzerleibchenträger etwa in ´Dangerous Ground´ im Refrain den Keyboard-Melodien den Vortritt. Die Achtzigerjahre-Vorzeigenummer ´Come Clean´ findet dagegen, ebenso ein ´Adrenaline´, das Maß der Dosierung in der Mitte von Keyboardklängen und Gitarren. Auf diese Art und Weise könnten heutzutage SURVIVOR musizieren. ´Heaven Must Have Won An Angel´ wäre andererseits ohne Frage für JOURNEY in diesen Tagen von Belang, ´Under The Gun´ für die rastlos aktiven PRETTY MAIDS. Den Herzschmerz bemüht allein und selbstredend tadellos ´Nothing To Say´, da H.E.A.T über die gesamte Distanz nie ins tränenreiche Balladentum abdriften.

Sofern ´H.E.A.T II´ jetzt noch einen adäquaten Single-Hit abwirft, könnte es in dieser Dekade endlich mit dem Durchbruch von H.E.A.T klappen. Erst dann wäre es legitim, dass alle Anhänger zusammen „The heat is on the street“ singen. 😉

(8,5 Punkte)

Michael Haifl

(VÖ: 21.02.2020)