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LEONARD COHEN – Thanks For The Dance

~ 2019 (Columbia/Legacy) – Stil: Singer/Songwriter ~


Eigentlich drehten sich bereits die Runden des scheinbar letzten Tanzes zur Musik von Leonard Cohen, als dieser in der Nacht zum 7. November 2016 in Los Angeles verstarb, nur wenige Tage nach der Veröffentlichung seines vermeintlich letzten Werkes ´You Want It Darker´. Nichtsdestotrotz legt der Kanadier nach dem Tode eine ihm wahrlich gebührende Ehrenrunde ein.

Leonard Cohen sang die Lieder des Meisterwerkes ´You Want It Darker´ einfach über ein auf dem Wohnzimmertisch stehendes Mikrofon ein und Sohn Adam Cohen nahm wohl in jenen Tagen noch weit mehr gesungene Lyrik des alten Meisters auf. Zudem erhielt er über den Tod hinaus Anweisungen, wie diese Songs zu klingen haben. Leonard Cohen arbeitete schlichtweg bis zum letzten Atemzug, den er mit 82 Jahren nahm. Die in diesen finalen Aufnahmesitzungen festgehaltenen Lieder, vervollständigte Adam Cohen posthum mit zahlreicher, internationaler Besetzung.

Die Musik komponierte überwiegend Adam Cohen, die des Titelsongs Cohens letzte und langjährige Lebensgefährtin Anjani Thomas, denn verheiratet war Leonard Cohen, dessen Liebschaft zu Suzanne Verdal einst im Song ´Suzanne´ oder zur Norwegerin Marianne Ihlen in den Song-Klassikern ´Bird On A Wire´ und ´So Long, Marianne´ mündete, nie. Die selbstredend ruhigen Kompositionen werden von den poetischen Versen Leonard Cohens getragen. Selbst Beck, Leslie Feist, Richard Reed Parry, Jennifer Warnes und Damien Rice unterstützten unter anderen Adam Cohen bei der Fertigstellung dieses Werkes, das daher zum großen Teil ihm zugerechnet werden muss, schließlich hat Cohens Sohn die blank gesungenen Verse erst zu Liedern erweckt.

In Songs wie ´Happens To The Heart´ oder dem magischen ´The Night Of Santiago´ reflektiert Leonard Cohen sein Leben. Dies genoss er allzeit bei stetiger Arbeit, die er nicht als Kunst empfand. Er traf Christus und las Marx, aber er verkennt ebenfalls nicht seine Zeiten als Casanova. Doch wer frei von Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Mit teilweise kryptischen, aber auch eindeutigen Metaphern spinnt er die Fäden zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. „Though I’ve forgotten half my life, I still remember this.“ Beide Kompositionen, mit der Teilnahme von Javier Mas an der spanischen Kastenhalslaute und Daniel Lanois am Piano, gehören zu den Höhepunkten dieses späten Spätwerkes. Den südländischen Hauch besitzt ebenso ´Moving On´ durch das Akustikgitarrenspiel von Javier Mas und das Mandolinenspiel von Avi Avital. Mit dem Song ´Puppets´ erinnert Cohen an den Holocaust, spricht aber gleichzeitig von den Marionettenpräsidenten und trägt die Vergleiche ins Jetzt. Die kurzen Kompositionen ´The Goal´ und ´Listen To The Hummingbird´ sind dagegen fürwahr nur als Songs rezipierte Gedichte. Cohen verlässt nicht mehr das Haus, schaut aus dem Fenster und rät, lieber dem Kolibri zuzuhören, anstatt ihm, vielmehr dem Geist Gottes zu folgen.

Wunschgemäß wurde Leonard Cohen nach jüdischem Ritus am 10. November 2016 beigesetzt. Unvergessen bleibt seine Israel-Solidarität als er zu Beginn des Jom-Kippur-Krieges 1973 von seinem damaligen Domizil auf der griechischen Insel Hydra aus nach Tel Aviv flog, den israelischen Musiker Oshik Levi traf und sie beschlossen, zur Stärkung der Truppen im Sinai vor israelischen Soldaten zu spielen.

Das letzte Kapitel ist durch ´Thanks For The Dance´ endgültig abgeschlossen. Auf einer halben Stunde darf letztmals in die Seele von neun Liedern geblickt werden, Songs gespickt mit Altersweisheit und Alterszufriedenheit, mit lebhaftem Sex und spirituellem Glauben, vereint in tiefschwarzer Nacht.

(8,5 Punkte)