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EXCELSIOR – O Horizon

~ 2019 (Big Oil Recording Company) – Stil: Avantgarde Pop ~


Na, die Ohrmuscheln mal wieder gestrichen voll von Konventionellem und oft Gehörtem? Dann bieten sich EXCELSIOR für die Rekalibrierung von Akustikzentrum, Geist und Seele an. Die wunderbare Anja T. Lahrmann macht sich auf, ihre songschreiberischen Fähigkeiten und ihre Stimme in Einklang mit oft minimalistischen Musikstrukturen zu bringen.

Ich weiß noch genau, wie ein schlauer Kopf vor rund 30 Jahren versuchte, die erste DREAM THEATER zu beschreiben: Geoff Tate und Yngwie Malmsteen würden mit RUSH musizieren. Dreißig Jahre später, anderes Genre, mein dilettantischer Versuch: Stellt euch vor, Peter Gabriel wäre eine Frau und würde mit Edgar Froese (TANGERINE DREAM), Friedemann Witecka (New Age-Künstler), Jean-Michel Jarre und Howard Jones musizieren, unterstützt von YES. Zieht euch nur mal das endgeile, wuchtig-verspielte ´Time Of None´ mit 80er Flair rein, dann versteht ihr eventuell, was ich meine. Wahnsinnsnummer. Tja, manchmal ist es richtig schwer, irgendwas heranzuziehen, um einen Ausbruch an individueller Kreativität zu beschreiben, den die Dänin hier für die Ewigkeit konserviert hat.

Dem soll als Gesamtkunstwerk im Frühjahr 2020 ein Buch und im Herbst eine Installation folgen und damit hat es sich mit meinem intellektuellen Zugang zum begleitenden Infotext, dessen Verfasser sich wohl ebenfalls der schier nicht zu bewältigenden Aufgabe gegenüber sah, dieses Album der breiten Masse als auch dem intellektuellen Hörer schmackhaft zu machen.

Mal flutscht es rein wie Honig (´In Silicio´), mal braucht man Zeit und Verständnis für Soundexperimente, auf das Wesentliche mit Drumpatterns oder reinen Basslinien um den Gesang herum reduziert (´White Arrow´), dann wieder zart-rhythmisch zum Schwelgen mit verspielten Jon Anderson-Gesangslinien (´Origin´ & ´Alba – The High Of A Surrender´). Keineswegs alltägliche, elektronisch begleitete Musik gilt es hier zu goutieren, die trotz ihren manchmal instrumentalen TANGERINE DREAM-Referenzen (´Lynx´ & ´Wandering Womb´) jedoch sehr oft liedartigen Charakter trägt und absolut organisch mit Tanjas warmem, wohligen Gesang verschmilzt. Diese Künstlerin wäre für eine Kollaboration mit Jean-Michel Jarre für dessen ´Electronica 1 & 2´-Projekt mit verschiedenen Gästen absolut prädestiniert gewesen. Mehr Verschmelzung von Lied, Technik, Form und Körper geht nicht. Zum Ausklang entspannt der Titelsong wie ein Duett von YES-Gesang und Steve Howes filigraner Akustikgitarrenkunst.

Das Prädikat „Pop“ dürft ihr getrost streichen, denn im Radio werdet ihr diesen Kompositionen definitiv nicht begegnen – nein, diese musikalische Entdeckungsreise ist ganz euer – wenn ihr euch traut. Eine Massage für Körper und Seele sozusagen. Für Kinder der 80er mit Hang zum Ungewöhnlichen und Introspektivem ein absolutes Muss.

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