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HAVE A NICE LIFE – Sea Of Worry

~ 2019 (The Flenser) – Stil: Experimental/Post Rock/Shoegaze ~


Mit dem Begriff „Doomgaze“ wurde ich bislang noch überhaupt nicht konfrontiert. Es ist zumindest eine Bezeichnung, die mit der experimentellen Post Rock-Band HAVE A NICE LIFE aus Middletown, Connceticut, gerne in Verbindung gebracht wird, und ob das nun auch wirklich zutreffen mag, sei jedem am besten selbst überlassen.

Das Duo um Dan Barrett und Tim Macuga hat es in rund 20 Jahren Bandbestehen gerade mal auf drei Alben geschafft: die beiden Vorgänger ´Deathconsciousness´ (2008) und ´The Unnatural World´ (2014) bestachen noch durch eine gänzlich karge Atmosphäre, die ebenso verzehrend wie trostlos erschien, und eine nahtlose Kollision von Shoegaze und ätherischem Drone mit den dunkleren Welten von Gothic Rock und Post-Punk herstellte.

´Sea Of ​​Worry’ hingegen ist zwar teilweise eine Fortführung dieser klanglichen Grundhaltung, bringt jedoch auch stärkere rockige Elemente mit ein, wie etwa beim Titeltrack, der erhebliche Reminiszenzen an JOY DIVISION aufweist. Mit der passenden Produktion und viel Hall wiegt sich das Duo vor allem in der ersten Hälfte des Albums vorwiegend in den Bereichen von Rock und späterem Punk, komplett mit melancholischen Gitarren-Arpeggios, hypnotischen Basslinien und straffer Percussion. ´Dracula Bells´ beispielsweise verstärkt sogar die melodischen Tendenzen des Genres, indem die zentrale Gitarrenmelodie über einem nervösen Piano-Refrain dahinschwebt. HAVE A NICE LIFE flirten dabei heftig mit der Ära von Proto- und Post Punk, und arbeiten mit Emotionen, die den eher melancholischen Kern des Genres ausmachen. Die unverkennbaren Trends der 80er lassen sich dabei vor allem im dritten Song ´Science Beast´ ausmachen – ein Slow-Dancer in bestem Gothic-Style, der durch luftige Synthies und einen treibenden Beat besticht, getragen von einem leicht gebrochenen Gesang.

Im zweiten Teil des Albums überwiegen hingegen deutlich die experimentellen Vorlieben des Duos. Bei ´Everything We Forget´ produzieren HAVE A NICE LIFE endlich wieder ihre charakteristischen, allumfassenden Drones – mit scharfen, pulsierenden Synthesizern und bombastischen Synth-Pads, die einen geradezu tranceartigen Effekt erzeugen. Bei ´Lords Of Tresserhorn´ bilden eine unscharfe, von Effekten durchtränkte Basslinie sowie verdeckte Drums die Kulisse für flirrende Synthesizer-Patterns und den verstohlenen Gesang.

HAVE A NICE LIFE schwanken auf ´Sea Of Worry´ zwar fortwährend zwischen den Genres und ihrer eigenen charakteristischen Synthese dieser Stile hin und her. Aber die Ergebnisse sind nach wie vor durchweg packend und exzellent.

(8 Punkte)

 

Marcus Köhler