LesefutterLesen & Schwelgen

AS VIEWED FROM THE PIT

~ Photos from the South Texas Metal Scene 1978-1989 by

JUAN HERRERA ~


Zugegeben, diese Buch ist eine reine Nerd-Kiste und dennoch steckt auch hier viel Arbeit drin. Akribische, zeitaufwendige Arbeit und viel, verdammt viel Enthusiasmus.

Texas Metal, oder besser die Texas Metal-Szene der Achtziger war für die Untergrund Metal-Fans so etwas wie der heilige Gral der Szene. Texas Metal war die Königsklasse. Namen wie WATCHTOWER, MILITIA, S.A.SLAYER, SYRUS, HELSTAR, JUGGERNAUT standen bzw. stehen immer noch für einen Sound/Stil, der einzigartig bis exotisch ist.

Gerade erwähnte Bands hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die Metal-Szene des Staates und dennoch blieb diesen Bands ein größerer Erfolg verwehrt. Aber bis heute wird der Status dieser Bands nicht in Frage gestellt.

AS VIEWED FROM THE PIT gibt einen Einblick auf diese autarke Szene, kratzt an der Oberfläche dessen, was damals die Szene so andersartig machte. Juan Herrera war damals mittendrin, war sich nicht bewusst, was er damals hautnah miterleben durfte. Rückblickend war er Zeitzeuge einer Szene, wie es sie nie wieder geben sollte.

Über 30 Jahre später kam er auf die Idee, etwas zu erschaffen, was die Magie von damals wiedergeben und gleichzeitig eine Art Tribut an eine Zeit sein sollte, die seine Jugend geprägt hat.

Juan Herrera

Ein Buch in einer Miniauflage von gerade einmal 125 Kopien wurde sein Tribut an die frühe Texas Metal-Szene. Ein Buch voller Erinnerungen, ein Buch mit Tonnen von Fotos aus den Privatarchiven involvierter Musiker. Die Auflage von 125 Hardcover Büchern war flugs vergriffen.

Das Buchformat ist angelehnt an eine Schallplattenhülle, hat aber nur 28 cm x 28 cm. Hochglanzdruck. Farbige wie Schwarz/Weiß-Fotos, wobei letztere aufgrund des Alters deutlich in der Mehrzahl sind. Neben Live- sowie Bandfotos finden sich in dem Buch Abbildungen von Flyern, T-Shirts, Tickets, etc. wieder. Als kleines Gimmick hat man in jedes Buch noch Nachdrucke von 2-3 Flyern, Tape-Cover oder Eintrittskarten beigelegt, von Buch zu Buch verschieden.

Grund genug für uns, Juan zu kontakten, um mehr über die Hintergründe zu diesem Projekt zu erfahren. Juan ist in San Antonio geboren und aufgewachsen. Er selbst spielt bis heute Gitarre und hatte in seiner Jugend in verschiedenen Bands gespielt.

Bob Catlin, Tom Araya

 

 

Juan, wie würdest du deine Beziehung zur Texas Metal-Szene beschreiben?

„Als Teenager in San Antonio, das damals als „Heavy Metal Capitol of the World“ bezeichnet wurde, wurde ich von der Szene förmlich angezogen. Die Musik, Einstellung, Haltung, Rebellion und Energie hat mich begeistert. So bin ich seit 1983 in der einen oder anderen Eigenschaft in der Szene involviert.“

Wann und wie bist du auf die Idee gekommen, ein Buch über die texanische Metal Szene zu machen?

„Das ist eigentlich eine lange Geschichte. Ich bin seit den frühen 80ern in der lokalen Metal-Szene tätig. Zuerst als Fan, dann als Musiker, dann als Journalist. Ich war mehrere Jahre lang als Redakteur für einige Musikmagazine und Zeitungen tätig und habe dabei viel erlebt. 2018 dachte ich über einen Sprung zurück in die Welt des Musikmagazin-Verlags nach und checkte die allgemeine Situation in dieser Branche. In diesem Zusammenhang erfuhr ich von einer Ausstellung von Bands, Musikern und DJs, die dazu beigetragen hatten, San Antonio und speziell Süd-Texas zu dem Metal-Mekka zu machen, das es damals war.

Die Ausstellung war ein großer Erfolg und brachte zum ersten Mal seit Jahren wieder viele Menschen zusammen, die damals in der Szene unterwegs waren. Die Resonanz auf die Ausstellung war überragend und das Wiedersehen mit allen aus der Szene war wirklich der Grund, warum ich mich entschied, zu dokumentieren, wie unglaublich speziell diese Szene war.“

Wann hast du begonnen, an dem Buch zu arbeiten und wie lange hat der ganze Prozess bis zur Fertigstellung gedauert? Hast du alles alleine gemacht?

„Ich habe im Mai 2018 mit den ersten Nachforschungen begonnen und das Buch im Juni 2019 veröffentlicht, also etwas mehr als ein Jahr von Anfang bis Ende. Die ersten 10 Monate wurden damit verbracht, 30-40 Jahre alte Fotos, Flyer und Demobänder aufzuspüren. Ich habe ungefähr zwei Monate gebraucht, um den Layout- und Buchentwurf abzuschließen. Und obwohl ich fast ein Jahr damit verbracht habe, alles für das Buch zusammenzustellen, haben mir doch viele Freunde immer wieder mal geholfen. Ohne die Unterstützung meiner Freunde, meiner Familie und meiner Metal-Community hätte ich das nie geschafft.“

Welche spezielle Absicht verfolgst du mit diesem Buch?

„Ich wollte einfach meine Liebe zur Musik und zu den Menschen teilen, mit denen ich aufgewachsen bin.“

Was war der schwierigste Teil bei der Herstellung des Buches?

„Das Schwierigste war, nicht jede Band mit einzubeziehen zu können, die in den 80ern die Metal-Szene in Süd-Texas mitgestaltet hatte. Ich hätte gerne jeder Band, jedem Musiker gedankt für seinen Beitrag damals zur Szene, aber ich hatte einfach nicht die Ressourcen oder den Platz im Buch, um dies zu tun.

Wie hast du damals selbst die Metal-Szene miterlebt oder ist dir vieles nur über Gespräche zugetragen worden?

„Ich habe Ende ’83 oder Anfang ’84 angefangen Shows zu besuchen. Damals schien es immer eine Show zu geben zu der man gehen konnte. Wir reisten auch oft nach Austin, um Bands wie MILITIA oder WATCHTOWER zu sehen. Ich nahm soviel Shows mit, wie es mir möglich war und das waren nicht wenige.“

Mike Soliz, Billy White, Steve Cooper

Würden du sagen, dass dies ein Buch für Musik-Nerds ist?

„Nicht unbedingt. Sicher, viele Bands in dem Buch sind nicht über einen Insider-Status herausgekommen, aber das Buch im Ganzen gibt doch einen Einblick in die frühe Texas Metal-Szene.“

Wie groß ist die Auflage des Buches? In der Zwischenzeit ist es ausverkauft. Möchten du eine zweite Auflage auflegen?

“ AS VIEWED FROM THE PIT war auf eine sehr kleine Auflage von 125 Exemplaren weltweit limitiert. Das Buch war bei Erscheinen bereits ausverkauft. Ich würde gerne eine zweite Auflage machen, gerade weil viele Leute aus Europa Interesse daran haben. Aber das größte Problem ist der internationale Versand, der verdammt teuer ist und viele abschreckt. Wenn ich das Problem gut lösen kann, steht einer eventuellen zweiten Auflage nichts im Wege.“

Einige der Bücher sind von Musikern signiert. Wie kam es dazu?

„Das Veröffentlichungsdatum fiel mit einer Ausstellungseröffnung in einem der Museen in San Antonio zusammen. Die Ausstellung konzentrierte sich auf die Heavy Metal-Geschichte von San Antonio und beinhaltete u.a. eine Frage-und-Antwort-Runde mit mehreren bekannten lokalen Musikern aus der frühen Metal-Szene.

Alle Musiker des Buches, die dort waren, haben die Bücher signiert. Später am Abend gab es eine offizielle Book-Release-Party bei der sechs Bands, die im Buch vorkommen, live gespielt haben. Die Jungs, die nicht bei der Ausstellungseröffnung waren, haben das Buch auf der Party später unterschrieben. Ich fuhr auch nach Austin und traf mich mit mehreren anderen Bandmitgliedern, damit diese auch einige Bücher signieren konnten.“

Kennst du alle Musiker, die in dem Buch vorkommen, persönlich?

„Ja, ich habe das Glück, die meisten davon zu kennen, viele davon sind echte Freunde. Ich bin mit diesen Typen aufgewachsen und kenne die allermeisten schon seit über 35 Jahren.“

Welche Musiker haben am meisten zum Buch beigetragen?

„Grundsätzlich haben alle involvierten Personen mitgemacht. Sie haben ja Fotos, Geschichten und Anregungen zur Verfügung gestellt. Jason McMaster von WATCHTOWER und Mike Soliz von MILITIA waren maßgeblich daran beteiligt viele dieser unglaublichen Fotos aufzutreiben. Ohne die Hilfe der vielen anderen wäre dieses Buch nie entstanden.“

Don Van Stavern, Jason McMaster

Wie schwer war es, an all diese alten Fotos zu kommen, bzw. diese aufzustöbern?

„Wenn ich ehrlich bin, verdammt schwer. Der Sammel- und Archivierungsprozess dauerte fast zehn Monate. Damals gab es nur ein paar Leute, die regelmäßig Shows fotografierten. Viele der Bands hatten nur sehr wenige, wenn überhaupt, Fotos, viele wurden nach und nach im Internet aufgestöbert. Wie ich bereits erwähnte, spielten Jason und Mike eine große Rolle dabei, mir Zugang zu vielen der Fotos im Buch zu verschaffen. Es war eine Herausforderung, nicht nur Fotos zu finden, sondern auch solche zu finden, die man größer in einem Buch präsentieren kann.“

An dem Buch gibt es nicht viel zu kritisieren. Aber ein bisschen mehr Text im Allgemeinen oder zu einzelnen Fotos wäre toll gewesen. Also ein bisschen mehr Hintergrundgeschichten zu den Fotos oder Statements. Oder hast du das bewusst weggelassen?

„Ja, habe ich, muss ich gestehen. Ich habe mich an dem alten Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ orientiert. Es gab viele Geschichten und Anekdoten, die ich gerne im Buch gehabt hätte, aber letztendlich waren mir die Fotos wichtiger, um die Geschichte der Szene zu erzählen.“

Was ist dein persönliches Highlight des Buches?

„Das Beste war, dass ich mich mit alten Freunden wiederverbinden konnte, die man über die Jahre aus den Augen verloren hatte. Wir haben Erinnerungen an eine Zeit ausgetauscht, die für uns alle enorm wichtig war. Das ist mein persönliches Highlight zu dem Buch.“

Was mich überrascht ist, dass einige der Bands, die ich erwartet hatte, nicht in dem Buch auftauchen. Zum Beispiel RIGOR MORTIS, PANTERA, SEDITION, AGONY COLUMN etc… Wussten die nichts von den Plänen zu diesem Buch, hatten kein Interesse oder wurden bewusst ausgelassen?

„Die ursprüngliche Absicht war Texas als Ganzes in dem Buch zu präsentieren, aber mir wurde schnell klar, dass das nicht möglich ist, um eine angemessene Präsenz jeder Band im Buch zu gewährleisten. Ich beschloss daher, mich auf die Bands aus Süd-Texas zu konzentrieren, da ich in dieser Szene sozusagen aufwuchs und somit am meisten Bescheid wusste.

Was ist dir persönlich wichtig, dass die Leute über dieses Buch wissen sollten?

„Ich möchte, dass jeder weiß, dass es nicht die „besten“ Bands der Szene widerspiegelt. Es ist eine visuelle Geschichte der gesamten Szene. Zugegeben, es ist ziemlich offensichtlich, wer meine persönlichen Favoriten sind, aber ich wollte die gesamte Community präsentieren. Ob es gelungen ist, muss jeder selbst entscheiden.“

Ich habe gerade kürzlich von einem Bekannten gehört, du arbeitest schon wieder an einem neuen Projekt. U.a. suchst du Live-Videos von Texas Bands. Was steht an?

„Ob es ein neues Projekt geben wird, ist noch nicht wirklich sicher. Ich bin da noch in einer Art Findungsphase, was realisierbar ist und was nicht. Während ich an dem Buch arbeitete, fragte mich ein Freund, ob ich Interesse daran hätte, möglicherweise an einer Filmdokumentation über die frühe Metal-Szene in Texas mitzuarbeiten. Ich recherchiere derzeit die vielen rechtlichen Aspekte in Bezug auf Urheberrechte und die faire Verwendung von Videomaterial. Wenn alles gut geht, hoffe ich, bald mit der Arbeit an einer Dokumentation zu beginnen. Wenn jemand Live- oder seltene Aufnahmen aus dieser Zeit hat, bitte bei mir melden!“