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MIKE PATTON & JEAN-CLAUDE VANNIER – Corpse Flower

~ 2019 (Ipecac) – Stil: Easy Listening/Chanson/Experimental ~


Ich denke nur mit Grauen an andere, jüngste Beispiele von Allianzen mit derart klangvollen Namen zurück. Wer erinnert sich denn eigentlich noch an 2011 und die unter großem Medienrummel lancierte Kollaboration von METALLICA und LOU REED? Genau. Wahrscheinlich keiner. Zumindest nicht gerne. ´Lulu´ stellt für mich auch nach wie vor den absoluten Tiefpunkt im Schaffen der kalifornischen Megaseller dar. Lyrisch zwar zweifellos hoch ambitioniert, hatten da Hetfield & Co. lediglich ein paar alte NEUROSIS-Riffs recycelt, in einem wirren Haufen unausgegorener Ideen.

Dass das bei FAITH NO MORE-Sänger und Multitalent Mike Patton und dem französischen Arrangeur und Komponisten Jean-Claude Vannier weit stilvoller und unterhaltsamer ausfallen würde, überrascht nun wiederum nicht. Vannier, inzwischen auch weit über die 70 hinaus, hatte in seiner kreativsten Schaffensphase unter anderem mit Serge Gainsburg, Francoise Hardy, Jane Birkin und anderen berühmten Interpreten zusammengewirkt. Speziell mit dem Einbringen von Elementen orientalischer Musik in die frankophone Pop- und Filmmusik der 70er hatte er sich damals einen Namen gemacht.

Nach ihrer ersten Kollaboration für die Gainsbourg Retrospektive 2011 legen die beiden alten Haudegen nun also erneut los – mit der Pflanzengattung „Amorphophallus“ im Albumtitel (umgangssprachlich ´Corpse Flower´ genannt), die einen verwesenden Gestank verbreitet, und damit Fliegen, Bienen und andere Pollenspender in ihr Unheil lockt. Eine wunderbare Allegorie, denn treffender hätte man das Zusammenwirken von Schönheit und Abscheu in der Natur auch nicht auf die musikalische und lyrische Qualität von ´Corpse Flower´ übertragen können.

‘Ballad C.3.3´ etwa bildet die Ouvertüre des Albums und verschmelzt Vanniers fantastische Chanson-Sensibilitäten, wie romantische Strings und launisches Akkordeon, mit verzerrten Slide-Gitarren und weiteren Ausprägungen des U.S. Rocks. Die meisten der insgesamt zwölf Kompositionen grooven eindeutig im Easy-Listening-Style, und Patton intoniert dabei von Sinatra-like über mystisch anmutend bis hin zur bloßen Narration. Mit dem eingängigen ´Top Of The World´ ist ihnen sogar ein waschechter Gassenhauer gelungen, bei dem „Mr. Bungle“ den Crooner besonders authentisch verkörpert.

´Corpse Flower´ ist ein regelrechtes Schmankerl des Kammerpop und strotzt nur so von hohem Unterhaltungswert und selbstgefälliger Nonchalance. So vertraut und doch so surreal in derselben Identität.

(7,5 Punkte)